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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Star Schult "Das ist nicht mehr der Sinn einer WM"
Sie ist Torhüterin und TV-Expertin: Im Interview mit t-online spricht Almuth Schult über die WM in Katar und ihre Ziele mit der Frauen-Nationalmannschaft.
Die Medienlandschaft war voll des Lobes für Almuth Schult. In einer Männerrunde mit Moderator Alexander Bommes, Fußballer Kevin-Prince Boateng sowie Trainer Stefan Kuntz brillierte die DFB-Torhüterin während der Männer-EM 2021 in ihrer Rolle als Expertin.
Auch bei der Weltmeisterschaft in Katar wird sie wieder Teil der Runde sein und gemeinsam mit den neuen Experten Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira die Spiele analysieren.
Dass das überhaupt möglich ist, liegt auch daran, dass Schult aktuell nicht selbst spielen muss. Mit ihrem neuen Klub Angels City FC befindet sie sich in der Off-Season – und lebt aktuell wieder mit ihrer Familie in Deutschland.
Welche Probleme sie mit der anstehenden WM hat, welche Herausforderungen der Expertinnen-Job mit sich bringt und welche Ziele sie sich selbst noch im Nationalteam setzt, hat sie eine Woche vor WM-Start im t-online-Interview verraten.
t-online: Frau Schult, bei der WM in Katar werden Sie, wie schon bei der Euro 2021, für die ARD vor der Kamera stehen. Wie bereiten Sie sich auf diese Sendungen vor?
Almuth Schult: Ich muss mich einlesen, weil ich natürlich nicht jede Mannschaft aus dem Effeff kenne. Da helfen dann bestimmte Scoutingprogramme. Dazu kommt, sich die Hintergründe genau anzuschauen, sowohl sportlicher Natur als auch abseits des Platzes. Ich habe vor jedem Spiel das Gefühl, ich hätte mehr machen können, war nach dem Spiel dann aber meistens zufrieden mit meiner Arbeit.
Was haben Sie sich für dieses umstrittene Turnier konkret vorgenommen?
Es wird bei diesem Turnier Aspekte geben, die wir noch nicht bedacht haben. Es ist die erste WM im arabischen Raum und ich bin sehr gespannt, wie Katar und auch die unmittelbaren Nachbarländer mit der WM umgehen. Was für eine Klientel im Stadion sein wird und welche Eindrücke man davon gewinnt. Aber natürlich muss man auch kritisch darauf blicken, wie die Vergabe gelaufen ist. Oder auch was die Nachhaltigkeit der Sportstätten angeht. Mein Ziel ist es, den Zuschauenden hoffentlich zu helfen, Dinge einzuordnen und Fragen zu diskutieren, die sie interessant finden.
Können Sie die Sorge nachvollziehen, dass zu unkritisch über das Turnier berichtet wird?
Sorgen sind vollkommen natürlich. Man wird erst im Nachgang bewerten können, ob wir den Ansprüchen an uns gerecht geworden sind. Klar ist aber auch, dass die ARD sich auf Kritik vorbereitet und diskutieren möchte. Es wird nicht nur um den Sport gehen, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher. Und das ist auch gut so. Weil es der Auftrag eines öffentlich-rechtlichen Senders ist, hinter die Fassade zu schauen und Dinge kritisch zu beleuchten und zu hinterfragen. Im Vorfeld haben ARD und ZDF schon viel Arbeit in Hintergrundberichte zum Turnier gesteckt.
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Sie werden gemeinsam mit Thomas Hitzlsperger, Alexander Bommes und Sami Khedira im Studio in Mainz sitzen. Hätte es Sie nicht gereizt, von vor Ort zu berichten?
Ein wenig hoffe ich darauf, dass ich vielleicht einmal während des Turniers vor Ort sein kann, um erstens einen Eindruck zu bekommen, aber zweitens natürlich auch Präsenz zu zeigen. Es wurde viel über Menschen- und Frauenrechte diskutiert und es wäre sinnvoll, den Katarern zu zeigen, dass auch Frauen über Männer Urteile fällen können. Dass Frauen vor Ort sind, die zuständig sind und Anweisungen geben. Darum freue ich mich auch sehr, dass Esther Sedlaczek vor Ort durchs Programm führen wird. Die Leute im Stadion werden sehen, dass eine Frau einen Job hat, den man so in Katar als Frau noch nicht ergreifen kann. Diese Botschaft möchte auch ich gerne senden und Beispiel sein für die katarischen Frauen – und die kulturelle Entwicklung vorantreiben. Andererseits möchte man aufgrund der Aussagen des WM-Botschafters Salman auch nicht vor Ort sein.
Hätten Sie es sich vorstellen können, als Privatperson hinzureisen?
Nachhaltig gedacht würde es mich nicht reizen, dort hinzureisen. Auf der anderen Seite sind solche Sportveranstaltungen ein guter Anker, um die Kultur eines Landes und andere Nationalitäten mal kennenzulernen und den Fußball als wertvollen kulturellen Austausch zu sehen. Ich liebe den Sport dafür, dass er so vielfältig ist. Am Ende muss jeder selbst entscheiden, ob er hinfährt, es von zu Hause schaut oder das Turnier vielleicht sogar komplett boykottiert.
War es für Sie eine schwierigere Entscheidung, als Expertin zuzusagen als noch 2021?
Das war ein Prozess. Zunächst war noch nicht klar, was ich sportlich selber mache. Es war Zufall, dass dann das Angebot von Angels City FC kam und wir uns jetzt in der Off-Season befinden. Am Ende war es auch eine familiäre Entscheidung und ich freue mich, dass es bald losgeht.
Wie lässt sich Ihre Expertinnen-Aufgabe in Deutschland mit Ihrem Leben als Sportlerin und Privatperson vereinbaren?
Ich bin seit gut vier Wochen wieder in Deutschland und es ist noch nicht klar, ob es für DAZN noch weitere Einsätze geben wird. Die Bundesliga pausiert jetzt auch erst mal. Regelmäßig für die ARD während der WM vor der Kamera zu stehen ist aber auf jeden Fall eine Herausforderung. Von 11 bis 23 Uhr finden 4 Spiele statt, die ich unabhängig davon, ob ich im Studio bin oder nicht, verfolgen muss. Da bleibt nicht viel Zeit für meine Kinder. Ich bin froh, dass sich aber mein Mann und meine Familie so flexibel zeigen und ich diesem Job nachgehen kann.
Wie bewerten Sie generell die Entwicklung, dass Expertinnen im Männer-Fußball eine stärkere Präsenz haben?
Mich freut es ungemein, weil es so viele tolle Frauen gibt, mit viel Charisma, die nicht auf den Mund gefallen sind und gleichzeitig eine Menge Fachwissen mitbringen. Wir können und wollen als Frauen das Signal senden: "Hey, Fußball ist nicht nur für Männer da". Die Qualität ist entscheidend. Und ich hoffe, dass dieser Weg weiter fortgesetzt wird und sich auch etwas auf Funktionärsebene tut. Ich plädiere für mehr Schiedsrichterinnen auf den Plätzen und mehr Frauen in den Vorständen auf der Geschäftsebene, die ihren Blickwinkel einfließen lassen.
Die EM 2022 war aus Sicht der DFB-Frauen sehr erfolgreich, Sie erreichten mit dem Nationalteam das Endspiel. Glauben Sie an eine nachhaltige Wirkung des Turniers für den Frauenfußball?
Ich hoffe es. Alexandra Popp sagt, es erinnert sie ein wenig an 2011, als die WM in Deutschland war. Es gibt mehr Interviewanfragen, andere Fernsehzeiten, man wird mehr auf der Straße erkannt. Die Aufmerksamkeit ist deutlich größer. Auf der einen Seite möchten wir das, auf der anderen Seite gibt es aber auch viele junge Spielerinnen, die ein wenig überfordert sind. Sie wollen jedem Foto- und Autogrammwunsch gerecht werden, können aber nicht alles abdecken.
Bei den Herren wird die WM 2022 die letzte mit 32 Teams sein, ab 2026 nehmen 48 Mannschaften teil. Auch bei den Frauen wurde die Teilnehmeranzahl für die WM 2023 von 24 auf 32 erhöht. Wie bewerten Sie diese Aufstockung?
32 Teams geht ja noch, aber 48 Teams mit dann 3 Teams in 16 Gruppen? Wie soll man das, sowohl aus Experten- als auch aus Mannschaftssicht überblicken? Und wie viele Scouts wird man brauchen, um sich auf alle Teams vorzubereiten? Das ist nicht mehr der Sinn einer Weltmeisterschaft. Es sollen doch die Besten der Welt antreten und nicht gefühlt jeder Zweite der Welt. Bei den Frauen finde ich es aber auch schwierig. Den Modus bei der WM 2019 mit den 24 Teams und den 4 besten Gruppendritten fand ich zwar nicht so doll. Allerdings sind 32 Mannschaften im Frauenbereich schon noch kritisch zu sehen, weil nicht viele Nationen komplett professionalisiert sind. Die EM in diesem Sommer hat sehr von der Spannung und der Qualität der Spiele gelebt. Genau das wollen wir weiter fortführen. Bei der WM könnte es aber zu einer Verzerrung kommen – und zu einer Verwässerung der Qualität. Mal abwarten, was sich bis 2023 noch tut.
2023 könnte auch Ihre letzte Chance sein, noch einmal bei einer WM dabei zu sein.
Also, mit 31 Jahren würde man bei den Männern sicherlich nicht von einer letzten Chance reden (lacht). Ich sage es mal so: Kinder machen einen älter, das kann jede Mutter bestätigen. Und eine Geburt ist auch nicht immer ganz einfach. Ich habe gelernt, dass man im Fußball nicht zu weit in die Zukunft planen sollte. Es kann immer eine Verletzung dazwischenkommen. Aktuell bin ich glücklich, dass ich fit bin, mich gut fühle und Spaß am Fußball habe. Es geht auch immer darum, was die Bundestrainerin möchte. Die Nominierung für das Länderspiel gegen die USA hat mich gefreut, aber das ist auch kein Freifahrtschein. Ich werde weiter meine Leistung bringen müssen.
Zum Abschluss: Mit Ihrem Wechsel in die USA entgehen Sie auch den Montagsspielen in der Frauen-Bundesliga, die ab 2023 neu dazukommen. Mit welchen Gedanken blicken Sie auf diese Veränderung?
Aus Sicht der Spielerinnen ist es kritisch zu sehen. Letzte Saison gab es nur den Freitagstermin unter der Woche, jetzt kommt auch noch der Montag hinzu. Die Wahrscheinlichkeit, an einem Werktag zu spielen, ist also gestiegen. Und ich wage zu bezweifeln, dass die Professionalisierung bis zum Beginn der Rechteperiode 2023/2024 weit genug vorangeschritten ist. Generell finde ich einen Spieltag, der sich von Freitag bis Montag zieht, zu lang. Es ging nur darum, verschiedene Sender miteinzubauen. Wir kritisieren beim Männerfußball oft, dass die Rechte bei verschiedenen Anbietern liegen. Bei den Frauen haben wir jetzt eine ähnliche Situation, auch wenn DAZN und Magenta im Pay-TV alle Spiele zeigen. Wir wollen eine breite Masse erreichen und die Leute begeistern, aber ob das mit dem künftigen Modell möglich ist? Die Deutschen lieben die Konferenz, die jetzt aber abgeschafft wurde. Ich halte diese Zersplitterung nicht für richtig.
- Gespräch mit Almuth Schult