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Ligue 1: Überraschungsteam RC Lens – Die Sch'tis wollen nach Europa


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Überraschungsteam RC Lens
Die Sch'tis wollen nach Europa


Aktualisiert am 21.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Kevin Danso: Der frühere Bundesliga-Profi blüht in der französischen Ligue 1 beim Überraschungsteam RC Lens auf.Vergrößern des Bildes
Kevin Danso: Der frühere Bundesliga-Profi blüht in der französischen Ligue 1 beim Überraschungsteam RC Lens auf. (Quelle: Panoramic/imago-images-bilder)
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Nach Jahren als Fahrstuhlklub hat sich der französische Traditionsklub RC Lens wieder gefestigt. Nun will der alte Bergbauklub zurück nach Europa – mit der Hilfe zweier Ex-Stars der 2. Bundesliga.

Der hohe Norden Frankreichs ist eine stolze Region. Stolz auf seine Bergbauvergangenheit. Stolz auf seine picardische Sprache, die im Französischen einen schwer verständlichen, auch in Deutschland bekanntgewordenen Dialekt hinterlässt: Willkommen bei den Sch’tis.

So wie immer noch viele Südfranzosen hatte auch der Protagonist des gleichnamigen Erfolgsfilms, der Postbeamte Philippe, seine Vorurteile über die Bewohner der Region Pas-de-Calais. Rückständig, ungebildet, ungehobelt – das ist das weitverbreitete Bild der Menschen in Städten wie Lens, in der 1986 die letzte Zeche schloss und die seitdem mit dem Strukturwandel ringt.

Der einfachste Weg, diese bourgeoise-arroganten Vorurteile loszuwerden, ist wohl der Besuch des Stade Bollaert, der Heimstätte des RC Lens. Gut 40.000 Menschen strömen jede zweite Woche in den Kastenbau, um die "Sangre et Or", die Blut-und-Goldenen, spielen zu sehen – und das, wo Lens gerade einmal 31.000 Einwohner hat.

So tat es auch Philippe in "Willkommen bei den Sch’tis". Es ist eine der Schlüsselszenen der rührenden Komödie. Als der Marseiller Vorortbeamte auf der Traverse des Bollaert steht und sich ihm der zutiefst herzliche Charakter der im ersten Moment doch so verschlossenen, knurrigen Nordlichter eröffnet.

"In Lens merkt man, was Fußball den Menschen bedeutet"

Auch Kevin Danso kennt dieses Gefühl. "Ich kann es gar nicht in Worte fassen, wie geil es ist, für Lens zu spielen", sagt der österreichische Innenverteidiger im Gespräch mit t-online und zeigt dabei stolz seine Gänsehaut. "In Lens merkt man einfach, was Fußball den Menschen bedeutet, wie glücklich dieser Sport sie machen kann." Es ist eine der vielen Parallelen, die es zwischen der RC Lens und etwa Schalke 04 gibt. Ein identitätsstiftender, traditionsreicher und -bewusster Verein in einer strukturschwachen Stadt mit extrem leidenschaftlichen Fans. Nicht umsonst gilt die Region um Lens als "Ruhrgebiet Frankreichs".

Während in Gelsenkirchen nach chaotischen, schmerzlichen Jahren die Rückkehr in die Bundesliga bejubelt wurde, ist man in Lens bereits einen Schritt weiter. Nach Jahren als Fahrstuhlklub und gleich fünf Jahren Ligue 2 in Folge ist der Racing Club seit 2020 wieder erstklassig – und schickt sich nun an, in den Europapokal einzuziehen.

Einer der Erfolgsgaranten ist Danso. 31 Mal lief der 23-Jährige in der laufenden Ligue 1-Saison für Lens, stand dabei ganze 30 Mal in der Startelf. Ein unangefochtener Stammspieler also. Eine Rolle, die ihm bei seinem Ex-Klub FC Augsburg nicht zugetraut wurde. Danso wollte sich nach einer Leihe zum Zweitligisten Fortuna Düsseldorf nicht mit dem Schicksal eines Ergänzungs- und Ersatzspielers abfinden, wünschte sich ein Umfeld, das ihm mehr Vertrauen entgegenbrachte. Das Angebot aus Nordfrankreich kam da genau passend – nur dass der FCA ihn nicht gehen lassen wollte. Nach einem Trainingsstreik und einer über Wochen in der Öffentlichkeit ausgetragenen Schlammschlacht landete Danso dann doch noch in Lens.

"Ich war von meinem Weg komplett überzeugt", erklärt Danso nüchtern. Eine gewisse Genugtuung – dass er in Lens nun um Europa spielt, während die Fuggerstädter mit Trainer Markus Weinzierl lange um den Klassenerhalt zittern mussten – lässt sich durchaus in seiner Stimme erkennen, wenn er sagt: "Das war eine Entscheidung, die ich für meine Karriere treffen musste. Die richtige Entscheidung, wie sich im Laufe dieser Saison herausstellen sollte."

Lens träumt von der Rückkehr in den Europapokal

Vorm finalen Spieltag liegt Lens auf Rang sieben. Da sich Außenseiter Nantes den Pokal und damit den zweiten französischen Startplatz in der Europa League sicherte, muss der Sensationsmeister von 1998 noch auf Platz fünf springen, um zumindest die Conference League zu erreichen. Bei zwei Punkten Rückstand ein schweres, aber nicht unmögliches Unterfangen – gerade, da etwa Konkurrent Racing Strasbourg es noch mit Olympique Marseille zu tun bekommt, die ihrerseits um die Vizemeisterschaft und die damit verbundene direkte Champions-League-Qualifikation kämpfen.

"Wir sind so nah dran und wollen uns nun auch für die harte Arbeit, die wir geleistet haben, belohnen", sagt Danso, der die besondere Stärke seines Teams darin erkennt, dass "selbst in Schwächephasen wir uns gegenseitig in unserem eingeschlagenen Weg beschwört haben."

Beim Saisonendspurt wird Lens auch auf einen weiteren Profi setzen, den deutsche Fußballfans noch kennen dürften: Jonathan Clauss.

Ex-Bielefelder wird in Lens mit 29 Jahren noch Nationalspieler

Der Elsässer wechselte im Sommer 2020 ablösefrei von Arminia Bielefeld zum damaligen Ligue-1-Aufsteiger Lens. Der explosive Rechtsaußen war einer der Schlüsselspieler im Bielefelder Teams, das unter Cheftrainer Uwe Neuhaus mit berauschendem Offensivfußball die Zweitligameisterschaft feierte. Sein Abschied galt in Ostwestfalen als heftiger Nackenschlag, konnten auch die wenigsten nachvollziehen, warum er den Aufsteiger der schwächer einzuschätzenden Ligue 1 einem künftigen Bundesligisten vorzog. Keine zwei Jahre später dürften auch die letzten Skeptiker die Logik hinter Clauss‘ Wechsel verstanden haben.

Im März 2022 berief Weltmeistercoach Didier Deschamps ihn erstmals in die Nationalmannschaft Frankreichs. Im für Fußballer bereits fortgeschrittenen Alter von 29 Jahren avancierte Clauss, der 2015 noch in der deutschen Verbandsliga kickte und nie auch nur eine Nominierung für eine französische Juniorenauswahl erhielt, zum Nationalspieler der "Equipe Tricolore".

"Jonathan zieht einfach immer sein Ding durch, hat sich nie von Rückschlägen herunterziehen lassen", lobt Teamkollege Danso Clauss' mentale Stärke. Das Debüt für die Nationalmannschaft habe ihm "als Beweis gedient, dass sich seine unermüdliche harte Arbeit, sein sich ständig bei Laune halten, auszahlt".

Diese "unermüdliche Arbeit", wie es Danso nennt, wollen die Profis aus Lens auch ins Saisonfinale gegen Monaco investieren. "Wir sind so nah dran (am Europapokal, Anm.) und wollen uns nun auch für die harte Arbeit, die wir geleistet haben, belohnen." Beflügeln soll sie dabei – einmal mehr – das Feuer der Fans auf den Rängen. "Wer jede Woche solch eine Leidenschaft von den Fans vorgelebt bekommt, der kann sich nur für sie und den Klub zerreißen", schwärmt Danso und fügt hinzu: "Im Fußball ist es nämlich wie auch sonst im Leben: Wenn du weißt, dass es da jemanden gibt, der dir immer den Rücken stärkt, dann kannst du auch befreiter auftreten." Eine Sache, die nicht zuletzt Postbeamter Philippe im Stade Bollaert lernte.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Kevin Danso
  • Eigene Beobachtungen
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