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Thorsten Fink: Lukas Podolski bei Olympia 2020? "Er ist heiß darauf"


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Kobe-Trainer Thorsten Fink
Podolski bei Olympia? "Er ist heiß darauf"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 06.11.2019Lesedauer: 9 Min.
Thorsten Fink: Hier auf einer Pressekonferenz bei Vissel Kobe.Vergrößern des Bildes
Thorsten Fink: Hier auf einer Pressekonferenz bei Vissel Kobe. (Quelle: imago-images-bilder)
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Der deutsche Trainer des japanischen Erstligisten Vissel Kobe spricht über den Olympia-Traum seines Stürmers, Training mit Andres Iniesta – und einen positiven Schock im Alltag.

Die japanische Hafenstadt Kobe auf der Insel Honshu hat knapp über 1,5 Millionen Einwohner – und unter ihnen Weltmeister, Champions League-Sieger und WM-Teilnehmer. Denn beim Erstligisten Vissel Kobe spielen mit den beiden spanischen Legenden Andres Iniesta (35) und David Villa (37), Ex-Nationalspieler Lukas Podolski (34) oder dem Belgier Thomas Vermaelen gleich mehrere große Namen. Trainiert werden sie von einem alten Bekannten aus der Bundesliga: Thorsten Fink steht beim Klub an der Seitenlinie.

Der frühere Mittelfeldspieler des FC Bayern (236 Pflichtspiele von 1997 bis 2003, Champions-League-Sieger 2001) hat nach Trainerstationen unter anderem beim FC Basel (2009-11), beim Hamburger SV (11-13), bei Austria Wien (2015-18) oder zuletzt bei den Grasshoppers (18-19) den Sprung in die J-League gewagt.

Im Interview verrät der gebürtige Dortmunder, was ihn im Alltag in Japan positiv schockiert hat, erklärt seine Pläne für "Poldi" – und beschreibt, was seine Aufgabe besonders schwierig macht.

t-online.de: Herr Fink, Sie sind jetzt seit über vier Monaten in Kobe – wie würden Sie Ihre bisherige Zeit in Japan in einem Wort zusammenfassen?

Thorsten Fink (52): Puh, das ist schwer (überlegt). Vielleicht "eindrucksvoll".

Das müssen Sie erklären.

Ich hatte mir das Land ganz anders vorgestellt, vor allem, weil ich auch schon in anderen asiatischen Ländern war, in Thailand zum Beispiel. Aber Japan ist etwas ganz anderes als Thailand oder auch China. Ich habe noch nie so freundliche und gleichzeitig so ehrliche und respektvolle Menschen erlebt.

Wie macht sich das im Alltag bemerkbar?

Wenn man hierherkommt, fühlt man sich nicht als Ausländer. Du bist sofort ein Teil der Gesellschaft, wirst nicht irgendwie anders behandelt oder sogar komisch angeschaut. Und genau so sollte es auch sein. Eine Anekdote: Ich war neulich am Geldautomaten, und als ich schon 50 Meter weg war, kam plötzlich jemand hinter mir her und gab mir das Geld, das ich eigentlich abgehoben hatte – ich hatte es am Automaten vergessen. Das muss man sich mal vorstellen, so etwas habe ich noch nie erlebt. Und die Menschen hier sind unglaublich sportlich. Ich habe noch nie so viele ältere Leute im Kraftraum gesehen wie hier. 70-, 80-Jährige im Gym. Unfassbar (lacht).

Die Menschen sind auch fußballbegeistert?

Einfach top. Die Zuschauer in den Stadien sind toll, feuern dich bis zum Ende an. Und wenn du dann mal 2:3 verlierst, dann pfeift auch keiner. Es wird trotzdem gefeiert. In den Stadien gibt es keinen Fanatismus, man sieht Sportveranstaltungen als Familienevent, mit Fanmeile und allem Drum und Dran, da sind die Leute richtig investiert. In Kobe haben wir immer über 20.000 Zuschauer.

Und das Niveau in der J-League?

In den Spielen herrscht ein hohes Tempo. Die Spieler sind taktisch und technisch sehr gut ausgebildet. Anfangs denkt man vielleicht, man könne locker mitspielen, aber das täuscht. Die Teams spielen offensiv nach vorne, jeder kann jeden schlagen, das macht alles einen Riesenspaß. Erst vor kurzem hat der Vorletzte Sagan Tosu den Tabellenführer FC Tokyo 2:1 geschlagen. Man ist hier also unglaublich eng beieinander, das ist ein Zeichen für das wirklich hohe Niveau der Liga.

Seit Ihrem Amtsantritt haben Sie die Mannschaft von Platz 13 auf Platz neun geführt, stehen aktuell auf Rang elf.

Es war von vornherein klar, dass es dieses Jahr nur gegen den Abstieg gehen würde, und wir leisten gerade noch Aufbauarbeit für die nächste Saison. Wir haben noch ein Ziel in diesem Jahr: Wir wollen den Kaiser Cup gewinnen (das japanische Pendant zum DFB-Pokal, Anm. d. Red.). Wir stehen jetzt im Halbfinale, da ist vieles möglich. Am 1. Januar ist das Finale im neuen Nationalstadion in Tokio, das damit eröffnet wird. Es wird ausverkauft sein.

Es wäre der erste Pokalgewinn für Kobe.

Damit würden wir uns dann auch für die asiatische Champions League qualifizieren. Und natürlich wollen wir unbedingt in der Liga bleiben und einen einstelligen Tabellenplatz erreichen. Die Top-3 sind für uns im nächsten Jahr das Ziel.

Sie haben vor kurzem gesagt: "Wir brauchen keine Spieler, die sich ausruhen wollen und nebenbei gutes Geld verdienen" – ist das denn noch immer ein Problem der J-League?

Das ist im asiatischen Fußball ein generelles Problem. Axel Witsel ist damals ja auch nicht nach China gegangen, um sich dort sportlich weiterzuentwickeln (Witsel war im Januar 2017 mit 27 Jahren zu Tianjin Quanjian gewechselt, Anm. d. Red.). Das hat er dann aber auch gemerkt.

So ein Wechsel wird nur als Geldquelle gesehen?

Natürlich ist es nur legitim, dass gerade Spieler, deren Karrieren sich dem Ende zuneigen, noch mal die Möglichkeit wahrnehmen, finanziell gut dazustehen und dafür dann eine Zeit lang auch Abstriche vom guten Leben zu machen. In Japan ist das anders, der Lebensstandard ist sehr hoch, und auch sportlich kann man einiges erreichen. Trotzdem gibt es aber immer auch Berater, die sich erkundigen: "Ich hätte da noch einen Spieler…". Andererseits gibt es aber auch genug Spieler im fortgeschrittenen Alter, die noch immer etwas erreichen wollen und wirklich an neuen Herausforderungen interessiert sind. Und genau diese suchen wir.

Vissel Kobe wurde 2015 vom Internetunternehmen Rakuten übernommen. Dessen CEO Hiroshi Mikitani ist Mäzen des Klubs. Ihr erstes Gespräch soll beiderseits sehr überzeugend gewesen sein …

Davon gehe ich aus, sonst hätte ich jetzt nicht den Job (lacht). Der Verein hat mir imponiert, als ich mir hier alles angeschaut habe: Das Stadion, die Fans, die Mannschaft. Und auch die Menschen – man merkt doch sofort, ob man sich an einem Ort wohlfühlen würde oder nicht.

Stehen Sie weiter in engem Austausch?

Natürlich investiert er viel Geld in den Klub, ist großer Fußballfan und interessiert am Erfolg des Vereins. Mit ihm kann man sich auch über taktische Aspekte unterhalten. Wir reden jede Woche nach jedem Spiel. Für den Verein wäre es schwierig, ohne Mikitani zu überstehen.

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In Japan gehören Zurückhaltung, ja fast Schüchternheit zur gesellschaftlichen Kultur – wie ist die Atmosphäre in der Kabine?

Der Trainer ist hier der absolute Chef und wird total respektiert. Von den japanischen Spielern würde es niemals einer wagen, mich zu kritisieren. Aber gerade das ist hier ja das Schwierige dabei.

Die Zurückhaltung?

Genau, die Spieler dazu zu bringen, auch mal selbst ihre Meinung zu sagen – und wenn es unter vier Augen ist. Dass sie mal sagen: "Kann ich das nicht anders machen?" statt immer nur "Ja, mache ich." Sie müssen kreativ bleiben, und das ist so gar nicht so einfach. Der Trainer genießt hier so viel Respekt, und das gefällt mir natürlich auch. Hier werden Trainer noch geschätzt.

Konnten Sie Ihren Spielern denn schon näherbringen, meinungsstärker zu sein?

Ich habe es schon geschafft, dass sich meine Spieler grundsätzlich mehr einbringen und das Gespräch mit mir suchen. Das klappt schon ganz gut. Diese Mentalität ist nun mal in der japanischen Kultur verankert. Aber die Spieler sehen es ja auch bei ihren ausländischen Teamkollegen, dass es auch anders geht, dieser Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Lukas Podolski beispielsweise ist ja nun auch einer, der etwas lauter ist (lacht).

Wie ist sein Standing innerhalb der Mannschaft?

Lukas hat dem Verein enorm viel gebracht. Er ist auch hier Publikumsliebling, sehr bekannt im ganzen Land. Und durch seine Art fällt er natürlich auf. Unter mir konnte er zwar erst zwei Spiele machen, weil er lange verletzt war. Jetzt kommt er gerade erst wieder richtig zurück.

Und könnte Ihr Kontingent an ausländischen Spielern durcheinanderwirbeln...

Richtig, denn ich habe sieben weitere ausländische Spieler. Darunter sind Thomas Vermaelen, David Villa und Andres Iniesta. Fünf dürfen im Kader sein, fünf dürfen auch spielen und genau diese fünf haben immer erfolgreich gespielt. Ein Beispiel: Vermaelen ist Innenverteidiger, der hat zuletzt immer gespielt. Wenn ich den jetzt weglassen würde, dann fehlt mir ein Innenverteidiger. Das heißt, wir müssen immer genau analysieren, welcher Spieler uns beim jeweiligen Spiel am besten helfen kann. Damit kämpfe ich im Moment extrem.

Keine leichte Aufgabe…

Lukas versteht die Situation natürlich. Er bringt sich hervorragend ein, gibt Vollgas und ist in immer besserer Verfassung. Ich bin mir ganz sicher, dass er noch wichtige Spiele für uns machen wird.

Zuletzt war auch ein Podolski-Einsatz für die Olympia-Auswahl des DFB im Gespräch. Die Spiele 2020 finden in Tokio statt. Hat er mit Ihnen darüber gesprochen?

Lukas hat mir persönlich gesagt, dass er das sehr gerne machen würde. Es dürfen ja drei ältere Spieler im Kader stehen. Er ist heiß darauf, man kennt ihn hier, es wäre für ihn eine fantastische Sache und große Herausforderung, noch mal erfolgreich für Deutschland aufzulaufen.


Weltmeister und Champions-League-Sieger Iniesta ist Ihr Kapitän. Sie haben bereits von ihm geschwärmt – was würde er aber über Sie sagen?

Das weiß ich nicht (lacht). Für mich ist nur wichtig, dass meine Spieler wissen, dass ich immer ehrlich bin und sowohl sage, was ich gut finde, als auch, was mir nicht gefällt. Als Trainer möchte man sich nicht verstellen. Und einem Iniesta kann ich doch nicht sagen, wie er Fußball spielen soll.

Sondern?

Mit einem Weltstar und einem der größten Spieler aller Zeiten zusammenzuarbeiten – das ist etwas ganz Besonderes. Was ich ihm vermitteln kann, ist die Begeisterung für das Projekt in Kobe, dass wir etwas erreichen können. Aber abgesehen davon: Er ist auch ein ganz einfacher Spieler, unkompliziert im Umgang. Am Tag meiner Unterschrift haben wir uns gleich getroffen. Ein sehr zurückhaltender Mensch, der nicht viel redet, was mir auch lieber ist (lacht).

Wie ist seine Wirkung auf die jungen Spieler im Kader?

Die schauen alle zu ihm auf. Es sagt doch schon viel aus, wenn Samuel Eto‘o neulich in einem Interview sagt, dass der beste Mitspieler seiner Karriere Iniesta war, nicht Lionel Messi. Ich habe mit Mehmet Scholl zusammengespielt oder mit Mario Basler, die beide unglaublich viel Gefühl im Fuß haben, aber Iniesta – mit so einem großartigen Fußballer habe ich weder als Spieler noch als Trainer bisher zusammengearbeitet, und den Trainerberuf mache ich jetzt auch schon 13 Jahre. Aber um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen…

Ja?

Wenn er mal über mich sagen würde, dass er aus unserer gemeinsamen Zeit irgendetwas mitgenommen hat – das würde mir viel bedeuten.

Sie haben zu Beginn Ihrer Trainerkarriere unter Hermann Gerland gearbeitet, dann unter Giovanni Trapattoni – was nimmt man von zwei solchen Typen mit?

Trapattonis Leidenschaft hat mir imponiert, sein Blick fürs Detail, sein Engagement im hohen Alter. Er hat sich immer auch um die Spieler gekümmert, die nicht gespielt haben, also auch um den 16., 17., 18. Mann. Oder die Ruhe von Ottmar Hitzfeld, auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, die Mannschaft bei Laune zu halten. Und Hermann Gerland ist nun mal ein harter Hund (lacht).

Prägen diese unterschiedlichen Erfahrungen auch?

Man nimmt sich von jedem seine Erkenntnisse mit. Das entwickelt sich über Jahre. Oder glauben Sie, Pep Guardiola hat das alles erfunden, was er spielen lässt? Der hat sich vieles bei Johan Cruyff abgeschaut (lacht). Im Ernst: Man sucht sich nun mal die Elemente zusammen, die am besten zum eigenen Stil passen.

Der Trainerjob ist oft auch unsicher – wie planen Sie in Kobe?

Meine Frau möchte mit der Familie auch gerne hierherziehen, aber wir sind noch vorsichtig, denn man weiß als Trainer nie, wie lange man an einem Ort arbeitet (lacht). Das ist nicht so einfach. Man ist auch schnell mal wieder weg. Meine Kinder sind jetzt schon vier Mal umgezogen, auch deswegen sage ich: Bleibt erst mal noch in Deutschland. Wir warten noch ein wenig, im kommenden Januar schauen wir noch mal, wie es sich hier entwickelt. Mein Vertrag läuft ja noch bis Dezember 2020.


In Deutschland haben Sie zuletzt vor sechs Jahren trainiert. Reizt Sie ein Comeback?

Natürlich schaue ich auch auf die Bundesliga, aber es ist nicht so, dass ich jetzt um jeden Preis zurück möchte. Aktuell fühle ich mich hier in Kobe sehr wohl, der Rest kommt von allein. Aber natürlich bin ich ein Kind der Bundesliga, keine Frage. Und eine Rückkehr in eine der Top-Ligen ist ganz klar auch ein Ziel.

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