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Ex-Schalker Gerald Asamoah über Herzfehler: "Meine Mutter dachte, ich sei tot"


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Herzkranker Fußballer
Meine Mutter dachte, ich sei tot

MeinungEin Gastbeitrag von Gerald Asamoah

Aktualisiert am 05.04.2022Lesedauer: 5 Min.
Gerald Asamoah: Der frühere Nationalspieler stand selbst mit einem Herzfehler auf dem Rasen – fiebert daher mit Christian Eriksen mit.Vergrößern des Bildes
Gerald Asamoah: Der frühere Nationalspieler stand selbst mit einem Herzfehler auf dem Rasen – fiebert daher mit Christian Eriksen mit. (Quelle: Stefan Bösl/imago-images-bilder)
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Christian Eriksens Comeback bewegt Ex-Nationalspieler Asamoah – aus persönlichen Gründen. Er spielte einst selbst mit einem Herzfehler und berichtet von emotionalen Momenten.

Es ist gerade viel los im Fußball. Die Fans kehren in die Stadien zurück, mein Geburtsland Ghana hat sich für die Weltmeisterschaft 2022 qualifiziert, bei einem Bayern-Spiel stehen auf einmal zwölf statt elf Spieler auf dem Rasen und die Saisons und Wettbewerbe biegen langsam, aber sicher auf die Zielgerade ein.

Ganz besonders berührt hat mich allerdings, was sich in der vergangenen Woche in Amsterdam und in London zugetragen hat. Es hatte wenig mit wichtigen Punkten oder athletischen Bestmarken zu tun, ein Sieg war es trotzdem – und vielleicht ja sogar ein kleines Märchen, wie man im Fußball so gerne sagt. Eines mit Happy End, in dieser gefühlt so Happy-End-armen Zeit.

Es war die Woche von Christian Eriksen.

Mir kamen die Tränen

Vermutlich hat jeder noch die schockierenden Bilder vor Augen, als Eriksens Herz im Juni 2021 bei der Europameisterschaft während eines Spiels der dänischen Nationalmannschaft plötzlich stehen blieb. Wie seine Mitspieler einen Kreis als Sichtschutz um ihn bildeten. Wie Rettungskräfte den Fußballer wiederbelebten.

Exakt 287 Tage danach und mit implantiertem Defibrillator gibt er Ende März sein Comeback für Dänemark im Testspiel gegen die Niederlande. Er wird in Amsterdam eingewechselt, also dort, wo er lange für Ajax gespielt hat, und trifft gleich. Das Spiel geht 2:4 verloren, das Ergebnis interessiert aber vermutlich niemanden. Am ersten April-Wochenende legt Eriksen nach: Für den FC Brentford dreht er mit seinem Tor das Auswärtsspiel in der Premier League und führt seine Mannschaft zum 4:1-Sieg bei niemand Geringerem als dem FC Chelsea.

Es freut mich sehr für ihn, denn ich erinnere mich noch genau an den Moment, als er damals zusammengebrochen ist.

Ich habe das Spiel zu Hause im Fernsehen geschaut und mir kamen die Tränen. Es war extrem emotional für mich, da ich meine gesamte Karriere mit einem Herzfehler gespielt habe. In solchen Momenten wird dir schlagartig bewusst, wie wichtig Gesundheit ist, wie schnell es gehen kann und wie viel Glück du hattest, dass dir nichts Ernstes passiert ist in all den Jahren. Du denkst an die Familie von Christian Eriksen, die vor Angst fast verrückt werden muss, wenn der Ehemann und Vater dort leblos auf dem Boden liegt. Du denkst an deine eigene Mutter. Meine dachte einst, ich sei tot, als sie mich im Badezimmer auf dem Boden fand, ich aber einfach nur dort eingeschlafen war.

Diese ganzen Gedanken, die Bilder im Fernsehen – und du sitzt im Wohnzimmer und hoffst einfach nur, dass alles irgendwie gut ausgeht.

Die Ärzte sagten: Du wirst nie wieder Fußball spielen

Ich war keine 20 Jahre alt, als bei mir festgestellt wurde: Etwas stimmt nicht mit dem Herzen. Nach einem Spiel für Hannover 96 wurde mir schwindelig, ich begann stark zu schwitzen. Ich dachte, ich hätte vielleicht zu wenig gegessen und dann wurde es auch wieder besser. Doch der Teamarzt wollte auf Nummer sicher gehen. Zum Glück.

Ich erhielt die Diagnose hypertrophe nicht-obstruktive Kardiomyopathie (HNCM), eine angeborene chronisch verdickte Herzscheidewand. Übersetzt: Du wirst nie wieder professionell Fußball spielen können. Das sagten zumindest die Ärzte in Deutschland. Für mich brach in diesem Moment eine Welt zusammen. Ich hatte alles auf Fußball gesetzt und jetzt sollte meine Karriere vorbei sein, ehe sie richtig angefangen hatte?

Erst in den USA konnten mir Spezialisten helfen, bezifferten das Restrisiko auf weniger als ein Prozent und verschrieben mir Medikamente (die ich zum Teil bis heute nehme). Zurück in Deutschland musste ich unterschreiben, dass ich das Risiko selbst trage, dann durfte ich zurück auf den Platz – und an der Seite stand nun immer ein Defibrillator. Das war zu dieser Zeit nicht üblich. Heute ist es Pflicht.

Ich empfinde bis heute tiefe Dankbarkeit

Genauso unüblich war es, dass jemand, der etwas am Herzen hat, Profifußball spielt. Zumindest schienen sich viele Manager unsicher zu sein, denn waren es vorher einige Angebote, die auf dem Tisch lagen, nahmen nun viele Abstand von meiner Verpflichtung. Rudi Assauer war es egal und so landete ich bei Schalke 04.

Christian Eriksen scheint es ähnlich ergangen zu sein. Bei Inter Mailand durfte er nicht bleiben, deshalb bahnt er sich jetzt über Brentford den Weg zurück. Nach seinem Nationalmannschaftscomeback sagte er, dass er sich nun wieder wie ein Fußballer fühle. Also so wie vorher, ganz "normal". Ich kann das total nachvollziehen. Damals habe ich mir viele Gedanken gemacht. Immer, wenn ich mich müde oder platt fühlte, habe ich überlegt, ob es an meinem Herzen liegen könnte. Ich habe mich gefragt, ob ich trotz der Tabletten wieder meine alte Leistung und Energie bringen werde. Aber ich habe mich schnell dran gewöhnt. Ich würde sagen: Mein Herzfehler hatte keinen negativen Einfluss auf meine sportliche Laufbahn.

Das ist für mich auf keinen Fall selbstverständlich. Ich empfinde bis heute tiefe Dankbarkeit, dass ich wieder auf den Platz zurückkehren durfte. Ich schwor mir damals: Du hast die Chance, deinen Traum zu leben und dafür gibst du etwas zurück! 2007 habe ich meine Stiftung für herzkranke Kinder gegründet. Um Kindern Hoffnung zu schenken – und vielleicht sogar die Möglichkeit, dass auch sie ihre Träume verwirklichen können.

Weltweit werden pro Jahr rund 1,35 Millionen Kinder mit einem Herzdefekt geboren. Ob sie überleben, hängt vor allem davon ab, wo sie geboren werden. Ein krankenversichertes Kind in Deutschland hat beste Voraussetzungen. In vielen Ländern sind die medizinischen Bedingungen allerdings katastrophal – und Behandlungen im Ausland gerade für ärmere Familien kaum bezahlbar. Es kommt immer auf den Einzelfall an, aber hier in Deutschland sprechen wir von höheren fünfstelligen Summen, und zwar nur für die Operation, dazu kommen Reise- und Folgekosten.

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Die Hemmschwelle ist oft groß

Deshalb finanzieren wir als Stiftung die OPs von Kindern aus dem Ausland in Deutschland. Das ist unsere Hauptaufgabe – und der Bedarf ist riesig: In den vergangenen 15 Monaten haben wir gemeinsam mit anderen Hilfsorganisationen beispielsweise zwölf Kindern helfen und lebensrettende Eingriffe ermöglichen können.

Ein weiteres wichtiges Feld, in dem wir uns engagieren: Aufklärung. Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Wir unterstützen Reanimationskurse oder finanzieren Defibrillatoren zum Beispiel für Vereine. Die Hemmschwelle ist oft groß und so richtig wissen viele nicht, was zu tun ist. Dabei ist es so wichtig, denn Defi und Herzdruckmassage retten Leben. So war es bei Eriksen. Und so war es bei meinem früheren Fitnesstrainer auf Schalke, Christos Papadopoulos, der einen Herzinfarkt erlitt und dem genau der Defi, der meinetwegen angeschafft wurde, helfen konnte.

Manchmal kommt die Hilfe aber auch zu spät; dann wird aus dem Märchen ein echter Albtraum. Im Herbst 2021 haben wir die Operation von Edris aus Afghanistan in einer Herzklinik in Duisburg unterstützt. Es klappte auch alles, niemand hatte etwas falsch gemacht. Aber der Körper des kleinen Jungen verkraftete den Eingriff nicht. Er ist gestorben. Im Alter von sechs Jahren. Seine Chancen wären massiv höher gewesen, wenn die gleiche OP schon Jahre früher hätte erfolgen können. Doch das war in seiner Heimat nicht möglich.

Es kann Leben retten

Mich hat das sehr getroffen und lange beschäftigt. Ich hatte Edris selbst noch kurz zuvor getroffen und mit ihm gelacht. Ich wollte ihn nach dem Eingriff am Krankenbett wiedersehen. Dann zu erfahren, dass er den Kampf verloren hat, ist nicht leicht hinzunehmen. Aber es motiviert mich umso mehr, weiterzumachen und zu helfen, wo wir nur können.

Ein Herzstillstand kann jeden treffen. Einen Profifußballer wie Christian Eriksen, ein Kind aus Afghanistan wie Edris und auch jeden anderen Menschen. Ich kann deshalb nur alle ermutigen: Lasst euch checken, hört auf eure Körper – aber geht auch regelmäßig zum Erste-Hilfe-Kurs und falls möglich, spendet oder unterstützt Organisationen, die denjenigen helfen, die es selbst nicht können.

Klingt vielleicht langweilig und uncool. Aber es kann Leben retten.

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