"Schildhalter" und "Weichensteller" Zum Tod von Egidius Braun: Der Präsident zum Anfassen
Ex-DFB-Präsident Egidius Braun ist tot. Der Aachener war
"Als Kind wollte ich immer Lokomotivführer werden", gestand Egidius Braun einmal, "jetzt bin ich Weichensteller geworden." Der langjährige Präsident hat den Deutschen Fußball-Bund (DFB) über viele Jahrzehnte maßgeblich geprägt und war das Gesicht der sozialen Verantwortung. In der Nacht zum Mittwoch ist Braun in seiner Heimstadt Aachen im Alter von 97 Jahren gestorben.
Mit dem Unternehmer verliert der zuletzt in der Nach-Braun-Ära strauchelnde und heftig kritisierte DFB eine seiner herausragenden Persönlichkeiten in der 122-jährigen Verbandsgeschichte. Von 1992 bis 2001 war Braun Chef des größten Sporteinzelverbandes der Welt.
Neuendorf gedenkt Braun
"Egidius Braun hat das soziale Engagement fest in der DNA und der Satzung unseres Verbandes verankert", kommentierte der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der erst am vergangenen Freitag in sein Amt gewählt worden war, in einer Mitteilung: "Es ist und bleibt sein Verdienst, dass der DFB sich seit Jahrzehnten auf vielfältige Weise mit gesellschaftlichen Programmen engagiert, insbesondere auch mit der Egidius Braun gewidmeten DFB-Stiftung, die unter anderem schon seit 2001 Hilfsprojekte in der Ukraine fördert."
Die Beisetzung findet im engsten Familienkreis statt. Wie der DFB bekannt gab, werde dabei im Sinne des Verstorbenen um Zuwendungen für die Ukraine-Soforthilfe der DFB-Stiftung Egidius Braun gebeten.
Der 60-jährige Neuendorf äußerte, dass er stolz sei, "mit meinem Mandat und meinen Wurzeln im Fußball-Verband Mittelrhein heute in seiner Tradition zu stehen".
Liebe zum Fußball prägte Braun
Braun stand immer für die Einheit des Fußballs, die große Klammer zwischen den Millionen Amateurkickern und dem Profibereich. Deshalb konnte es mit ihm auch keine Trennung und keine Gräben geben. So war sein Stammverein auch nicht etwa Alemannia Aachen, sondern der Dorfverein SV Breinig, wo 1938 für ihn alles begann.
Seine Wurzeln hat Braun nie vergessen und verleugnet, selbst wenn er mit den Granden der Fußball- und politischen Welt dinierte. Trotz aller Kritik an seiner Person: Er blieb, was sein Name Egidius schon besagt: Der "Schildhalter" für die Wurzeln des Baumes, für die SV Breinigs dieser Welt, denn: "Wenn die Wurzel darbt, stirbt die Krone."
Die Liebe zum Fußball hat den gläubigen Katholiken geprägt. Er war ein DFB-Präsident zum Anfassen, der allerdings immer das große Ganze des Fußballs im Auge hatte. "Fußball ist mehr als ein 1:0" war sein Motto. Soziale Verantwortung wurde deshalb von Braun großgeschrieben. Die Mexiko-Hilfe wurde von ihm nach der Weltmeisterschaft 1986 aus der Taufe gehoben, die DFB-Stiftung Egidius Braun trägt seinen Namen.
Braun ließ sich nicht über den Tisch ziehen
Braun hat über viele Jahre den deutschen Fußball geprägt. Dem Mann, der bei der WM in Mexiko nach Siegen in die Tasten griff, um dem Klavier Operetten-Melodien zu entlocken, der aber auch Uli Stein nach Hause schickte – und 1994 nach der Stinkefinger-Affäre Stefan Effenberg –, wurde immer wieder das Klischee des "Pater Braun" umgehängt.
Braun konnte verschmitzt sein wie Heinz Rühmann – über den Tisch ziehen ließ er sich ebenso wenig wie der im Film. Braun konnte hart sein, sehr hart, bisweilen auch zäh.
Braun hatte das Glück, dass in seiner Amtszeit seine sozialpolitische Überzeugung und die Notwendigkeiten des Fußballs zusammenfielen. Stichworte Mexiko-Hilfe, "Keine Macht den Drogen" und die Kooperation mit dem Kindermissionswerk (Sternsinger-Aktion) sowie die Finanzierung und Förderung der Programme zur Integration von Flüchtlingen und Ausländern.
Braun studierte, nachdem er sein Import/Export-Agrargeschäft verkauft hatte, auch Philosophie – und nicht nur den heiligen Augustinus, den er mit Vorliebe zitierte.
Sein großer Traum war die WM 2006 in Deutschland. Braun sorgte dafür, dass die acht europäischen Vertreter im Exekutivkomitee des Weltverbandes am 6. Juli 2000 komplett für die deutsche Bewerbung votierten (neben vier Stimmen Asiens) und war damit neben "Kaiser" Franz Beckenbauer der Wegbereiter für die zweite WM-Gastgeberrolle Deutschlands nach 1974.
- Nachrichtenagentur SID