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Belgiens "Goldene Generation" vor EM-Viertelfinale: Wettlauf gegen die Zeit


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Belgien vor dem EM-Viertelfinale
Ein Wettlauf gegen die Zeit


Aktualisiert am 02.07.2021Lesedauer: 4 Min.
Romelu Lukaku (l.) und Kevin De Bruyne: Zwei der absoluten Ausnahmekönner des belgischen Nationalteams.Vergrößern des Bildes
Romelu Lukaku (l.) und Kevin De Bruyne: Zwei der absoluten Ausnahmekönner des belgischen Nationalteams. (Quelle: Panoramic International/imago-images-bilder)
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Die belgische Nationalmannschaft führt seit Jahren die Fußball-Weltrangliste an. Auch deshalb sind die "Roten Teufel" ein Favorit auf den EM-Titel. Doch dem alternden Team läuft die Zeit davon.

Wenn am heutigen Abend um 21 Uhr in München der Anpfiff zum Viertelfinale zwischen Belgien und Italien (im Liveticker bei t-online) ertönt, beginnt für viele Beobachter das vorgezogene Endspiel der diesjährigen Fußball-Europameisterschaft. Auf der einen Seite die seit 31 Partien ungeschlagenen Italiener, auf der anderen die Belgier, die seit fast drei Jahren ununterbrochen die Fifa-Weltrangliste anführen.

Für die "Roten Teufel", wie das belgische Team genannt wird, beginnt mit dem Anstoß in der Allianz Arena jedoch auch ein Wettlauf mit der Zeit. Denn allzu lange wird die Mannschaft, die Nationaltrainer Roberto Martinez betreut, nicht mehr zusammen bleiben.

Belgiens Kader ist im Durchschnitt fast 30 Jahre alt

Belgien tritt mit einem der ältesten Kader des Turniers an (29,1 Jahre im Durchschnitt). Zum Vergleich: Das als chronisch überaltert geltende italienische Team ist mit einem Altersschnitt von 27,8 Jahren fast eineinhalb Jahre jünger. Einen entscheidenden Anteil an diesem demografischen Ausschlag hat die belgische Innenverteidigung, die nach der EM so wohl nie wieder zusammen spielen wird: Toby Alderweireld (32), Jan Vertonghen (34) und Thomas Vermaelen (35) haben alle ihren Karrierezenit wohl längst überschritten und sind seit dem WM-Bronze 2018 noch einmal um einiges hüftsteifer geworden. Martinez setzt dennoch auf die 101-Jahre-Abwehr – auch in Ermangelung an guten Alternativen. Herthas Dedryck Boyata etwa (immerhin auch bereits 30 Jahre alt), fällt im Vergleich zum aus ehemaligen Champions-League-Siegern und -finalisten bestehenden Stammtrio in Summe doch deutlich ab.

Anders sieht es da schon im Mittelfeld der Belgier aus, wo Martinez auf ein gutes Dutzend Spieler im besten Fußballeralter zurückgreifen kann. Doch genau das ist die Krux, die die "Roten Teufel" ausgerechnet bei diesem Turnier so sehnsüchtig vom Titel träumen lässt: Defensivabräumer Axel Witsel (32), sein Dortmunder Teamkollege und Flügelflitzer Thomas Meunier (29) sowie die beiden offensiven Kreativposten, Ex-Wolfsburger Kevin De Bruyne und Kapitän Eden Hazard (beide 30) spielen voraussichtlich eines ihrer letzten Turniere als unangefochtene Stammspieler und Leistungsträger. Wollen sie es besser machen als die belgischen EM-Finalisten von 1980, muss bei diesem Turnier ihre große Zeit sein.

Martinez, ein Spanier, der sich seine Trainersporen in England verdiente, ist sich der Erwartungshaltung bewusst. Doch statt den Druck herauszunehmen, baute er ihn im Vorlauf des Turniers noch weiter auf, indem er sagte: "Nichts bereitet dich besser vor als die Erfahrung vorheriger Turniere. Wir haben bei der vergangenen WM Platz drei erreicht, das Halbfinale zwar verloren, aber insgesamt sechs Spiele gewonnen. Das macht dich zu einem anderen Team. Das sind wir. Das ist die 'Goldene Generation'."

"Rote Teufel" trumpfen mit Effizienz auf

Der bisherige Turnierverlauf gibt sowohl Martinez als auch vielen Experten, die in den Belgiern den Topfavoriten auf den EM-Titel sehen, recht. Ihre Gruppe gewannen sie souverän ohne Niederlage und mit einem Torverhältnis von 7:1, im Achtelfinale setzte man sich mit 1:0 gegen Titelverteidiger Portugal durch.

Trotz ihres auf dem Papier extrem offensiven 3-4-3-Systems ohne echte Außenverteidiger schossen die Belgier nur sechs Mal auf den portugiesischen Kasten – vier Mal weniger als ihr Gegner. Besonders diese K.o.-Partie bewies, mit was für einem fokussierten und effizienten belgischen Team man es bei dieser EM zu tun hat.

Zwar gelang es den Portugiesen Mittelstürmer Romelu Lukaku weitestgehend aus dem Spiel zu nehmen, jedoch zu einem hohen Preis. Der 28-Jährige von Inter Mailand, dem bisher bereits drei Turniertreffer gelangen, band nahezu die gesamte portugiesische Innenverteidigung an sich und schaffte so Platz in den Halbräumen um den Strafraum, die Dortmunds Thorgan Hazard in der 42. Minute für einen fantastischen Schlenzer zum spielentscheidenden Treffer nutzte.

Fällt "Königin" De Bruyne gegen Italien aus?

Lukaku wird auch gegen Italien eine der zentralen Rollen im belgischen Rasenschach einnehmen, auf die "Königin", die beste und wichtigste Figur, muss Belgien allerdings vielleicht verzichten: De Bruyne musste gegen Portugal verletzungsbedingt ausgewechselt werden und setzte beim Abschlusstraining vor dem Viertelfinale aus. Sein Ausfall würde die "Roten Teufel" tief ins Mark treffen, ist es doch der Profi von Manchester City, der Belgiens Maschinenraum und Regisseur in einem ist. "Niemand sonst spielt derart präzise Pässe in einem so hohen Tempo. Er erhöht die Geschwindigkeit des gesamten Spiels", sagte Martinez über De Bruyne, und fügte nicht ohne Stolz hinzu: "Er ist der beste Spielmacher der Welt und besitzt die Persönlichkeit eines Genies."

Und weil man ein Genie nur schwerlich ebenbürtig ersetzen kann und zudem auch De Bruynes Sparringspartner Eden Hazard auszufallen droht, könnte sich Martinez gegen Italien zu einem Totalumbau seiner Offensive gezwungen sehen – und mit den beiden möglichen Alternativen, den dribbelstarken Flügelstürmern Leandro Trossard (26) und Jeremy Doku (19) bereits einen Ausblick auf die Zeit nach der "Goldenen Generation" geben. Ob Belgien diese nahe Zukunft als Europameister bestreitet, wird der heutige Abend in München mitentscheiden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • "Spielverlagerung"-EM-Vorschau-2021, Belgien, S. 110-122 (kostenpflichtig)
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