Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vor Partie gegen England Was Löw jetzt ändern muss
Die deutsche Nationalmannschaft zittert sich gegen Ungarn ins EM-Achtelfinale. Das Zustandekommen des 2:2 offenbart, woran Bundestrainer Joachim Löw für das K.o.-Spiel gegen England arbeiten muss.
Es ist zu bezweifeln, dass die DFB-Auswahl das Spiel gegen Ungarn auf die leichte Schulter genommen hat. Jeder im deutschen Lager musste wissen, welche Defensiv- und Konterstärken der Gegner besitzt. Und trotzdem wirkten die Deutschen am Mittwochabend häufig überfordert. Löws Spieler starteten an sich vielversprechend in die Partie und zeigten auch in Ansätzen, wie die tiefe 5-3-2-Defensive der Ungarn zu knacken war.
Anfangs wurden vor allem lange Bälle über die Flügel gespielt, die Joshua Kimmich und Robin Gosens mit ihren Sprints hinter die Abwehrlinie erlaufen sollten. Nach dem Führungstreffer der Ungarn durch Ádám Szalai lief dann das Angriffsspiel über die Halbräume und die umtriebigen Kai Havertz und Serge Gnabry. Doch mit zunehmender Spielzeit verlor Deutschland den Faden. Konkret heißt das: Das Spiel wurde wieder statischer, die Bewegungen zwischen den Linien im 3-4-3-System blieben immer häufiger aus. Es erinnerte an zahlreiche Auftritte seit der WM 2018.
Viel Alibifußball gegen Ungarn
Dass etwa Matthias Ginter so viele Ballkontakte gegen Ungarn verzeichnete, war von den Gegnern gewollt. Die ungarische Defensive ließ Ginter gewähren und leitete den Ball regelrecht zu ihm. Von seinen Mitspielern erhielt der Mönchengladbacher allerdings wenig Unterstützung und von außen kamen auch nicht die entscheidenden Impulse. Löw muss sich einmal mehr ankreiden lassen, dass er nur bedingt auf spielerische Probleme seiner Mannschaft reagierte.
Im Achtelfinale gegen England braucht es einerseits mehr Bewegung in der vordersten Linie, damit die geordnete Defensive der Engländer durcheinandergebracht wird. Und darüber hinaus benötigt Deutschland mehr Zugriff im Gegenpressing, damit die Konter über Raheem Sterling, Harry Kane und Co. besser unterbunden werden, als das gegen Ungarn der Fall war. Gerade in der Ballrückgewinnung praktizierten die deutschen Spieler am Mittwochabend sehr viel Alibifußball und ließen sich teilweise physisch dominieren.
In dieser Hinsicht ist Löw dann einmal nicht als Taktiker, sondern als Lehrer und Anführer gefragt. Wenn er merkt, dass sein Team die Vorgaben nur unzureichend ausführt, muss er entweder psychologische Kniffe anwenden oder das Personal auswechseln und jene Spieler reinbringen, die es womöglich besser umsetzen. Die Leistung gegen Ungarn – so unangenehm der Gegner auch war – muss ein Augenöffner sein.
- Eigene Beobachtungen