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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Historisches WM-Debakel Deutschland ist raus! Titelverteidiger versagt in der Vorrunde
Der Weltmeister ist raus! Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea zittert und hofft die DFB-Elf lange – am Ende steht ein historisches Debakel.
Es ging um alles. Um das Weiterkommen bei der WM 2018. Um das Achtelfinale. Darum, endlich richtig ins Turnier zu finden. Im alles entscheidenden Gruppenspiel gegen Südkorea. Ein Sieg musste her. Nach dem Schock gegen Mexiko zum Auftakt. Dem hart erkämpften Sieg gegen Schweden im zweiten Spiel. Aber nach insgesamt 97 Minuten muss die deutsche Elf abreisen. Zum allerersten Mal in der glorreichen WM-Geschichte des DFB.
"Es herrschte Totenstille in der Kabine. Eine Riesenenttäuschung", sagte Bundestrainer Joachim Löw im ZDF. "Wir haben es nicht verdient, weiterzukommen. Wir haben es nicht geschafft, ein Tor zu erzielen, das hat sich durch das ganze Turnier gezogen." Schon vor dem Mexiko-Spiel habe er "so eine gewisse Selbstherrlichkeit" beobachtet, aber: "Es war Konzentration die letzten zwei Tage da. Man hat nach dem Schweden-Spiel gemerkt, dass ein Ruck durch die Mannschaft geht." Über seine eigene Zukunft wollte Löw noch nicht sprechen: "Ich muss mich jetzt auch selbst hinterfragen und erst einmal eine Nacht darüber schlafen."
"Wir haben bis zum Schluss dran geglaubt, selbst nach dem 0:1," sagte Mats Hummels nach der Partie im ZDF. "Wir haben den Ball aber nicht aufs Tor gebracht. Das hat uns heute das Genick gebrochen, dass wir unsere Chancen nicht genutzt haben." Der Abwehrchef wurde noch deutlicher: "Wir haben uns mit dem Mexiko-Spiel in eine Situation gebracht, die uns heute gekriegt hat. Wie die Tore fallen, das ist symptomatisch. Wir haben einige Punkte, an denen wir ansetzen müssen. Das letzte überzeugende Spiel, das wir abgeliefert haben, war im Herbst 2017." Und: "Das ist ein ganz, ganz bitterer Abend für uns und für alle deutschen Fußballfans."
Das Spiel zuvor wurde zu einem Thriller. Die Anspannung war spürbar. Bei Bundestrainer Joachim Löw an der Seitenlinie. Bei den Spielern auf dem Platz. Bei den Fans im Stadion von Kasan. Und der Druck, unbedingt liefern zu müssen, schien schon am Anfang zu viel für den angeschlagenen Weltmeister. Das Offensivspiel der DFB-Elf? Zu ausrechenbar, zu überhastet, zu unsauber. Die Abwehr? Wacklig, unsicher. Bei jedem Angriff der Südkoreaner, bei jeder Szene, in der der Ball durch die deutsche Defensive lief: Erhöhter Herzschlag und Zittern im Stadion und bei Millionen Fans in ganz Deutschland.
Der ganzen Mannschaft war anzumerken: Nur kein Risiko! Keine Fehler machen! Selbst Manuel Neuer, das große Torwartdenkmal, ließ sich von der lähmenden Schwere anstecken, leistete sich einen fast folgenschweren Fehler. Die ganze Energie des denkwürdigen Last-Minute-Siegs gegen Schweden schien verflogen.
An der Seitenlinie informierte ZDF-Reporter Boris Büchler die deutschen Ersatzspieler: Schweden führt im Parallelspiel – die DFB-Stars reagierten erschreckt. Doch auf dem Spielfeld war keine Änderung sichtbar. Ein einziges Tor hätte gereicht – doch Südkorea ließ in der Schlussphase kaum noch Chancen zu. Stattdessen trafen sie selbst. Am Ende: Schock. Fassungslosigkeit. Das erste WM-Vorrundenaus in der Geschichte der DFB-Elf.
So lief das Spiel:
Die deutsche Mannschaft hatte gegen die oft hoch pressenden Südkoreaner Probleme im Spielaufbau, wenig hilfreich war, dass Khedira durch unsaubere Pässe und schlechte Zweikampfführung auffiel. Tatsächlich besaßen die Asiaten die erste Chance, als Torhüter Manuel Neuer nach einem Freistoß von Jung Woo Young den Ball abprallen ließ, aber gerade noch vor dem heranstürmenden Heung-Min Son klären konnte (19.).
Son, über den Hamburger SV und Bayer Leverkusen bei Tottenham Hotspur gelandet, besaß noch eine weitere Gelegenheit mit einem Volleyschuss (25.). Bei der DFB-Auswahl ging es nur zäh vorwärts – der Spielaufbau gegen gut stehende und aggressive Südkoreaner lief zu behäbig. Auch Goretzka erwies sich nicht als belebendes Element, traf unkluge Entscheidungen. Pässe in die Tiefe waren selten, das Spiel in den Strafraum ungenau und ideenlos.
Abwehrchef Mats Hummels (39.) vergab nach Vorlage von Timo Werner noch die beste Chance vor der Pause, als er aus dem Gewühl heraus aus fünf Metern an Torwart Jo Hyeon Woo scheiterte.
Müller stiftete Unruhe
Nach der Pause entwickelte der Weltmeister zunächst mehr Druck und kam zu zwei guten Möglichkeiten. Goretzka (48.) scheiterte per Kopf an Woo, Werner (51.) schoss übers Tor. Löw reagierte und brachte Mario Gomez für den erneut völlig wirkungslosen Khedira (58.), fünf Minuten später ersetzte Müller den glücklosen Goretzka.
In der 68. Minute fiel Gomez erstmals auf, sein Kopfball war aber zu unplatziert. Müller stiftete in der Spitze Unruhe, allerdings eher bei seinen Nebenleuten. In der 77. Minute nahm er dem aufnahmebereiten Werner in aussichtsreicher Position den Ball vom Fuß.
Hummels vergab Top-Chance kurz vor Schluss
Südkorea zog sich nun weit zurück und verlegte sich aufs Kontern, immerhin da ließ die Löw-Auswahl nicht so viel zu als gegen Mexiko im ersten Spiel. Das lag vor allem an Süle und Hummels, die noch am überzeugendsten spielten. In der 78. Minute ging Löw "all in" und brachte Julian Brandt für Jonas Hector – ohne den erhofften Erfolg.
Danach war es bezeichnenderweise Hummels, der in der regulären Spielzeit die größte Chance hatte. Er vergab aber nach einer Flanke von Özil freistehend per Kopf. In der Nachspielzeit fiel das Tor der Koreaner nach einer Ecke. Son (90.+6) erzielte das zweite Tor ins von Neuer verlassene leere Tor.
In den nächsten Stunden: t-online.de berichtet umfangreich aus Russland über das historische WM-Aus der deutschen Mannschaft.
- Mit Material vom sid