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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Spitze Richtung Hoeneß Darum platzte die Tuchel-Wende
Thomas Tuchel verabschiedet sich mit einer Spitze Richtung Uli Hoeneß vom FC Bayern. Das sind die Gründe für die geplatzte Kehrtwende.
Seinen Humor hat Thomas Tuchel jedenfalls nicht verloren. Das bewies er auf seiner letzten Pressekonferenz in München als Cheftrainer des FC Bayern am Freitagmittag. Als t-online ihn nach seinem Anteil an der EM-Nominierung von Aleksandar Pavlović fragte und ob der 20 Jahre alte Shootingstar so ein bisschen sein Vermächtnis an den Rekordmeister sei, sagte Tuchel: "Die einen sagen so, die anderen sagen so."
Er lachte, machte eine kurze Kunstpause und fügte dann mit einem Augenzwinkern hinzu: "Wir konnten die Nominierung nicht verhindern." Damit brach im Pressestüberl des Rekordmeisters an der Säbener Straße endgültig lautes Gelächter aus.
Schließlich war allen Zuhörern klar, wen und was er meinte: Tuchel spielte freilich auf die Kritik von Klubpatron Uli Hoeneß an. Der hatte ihm zuletzt vorgeworfen, keine jungen Spieler entwickeln zu wollen – und namentlich ausgerechnet jenen Pavlović als Beispiel dafür genannt.
Tuchel berichtet von Aussprache mit Hoeneß
Zur Wahrheit gehört, dass Tuchel im Sommer eigentlich eine neue "Holding Six", einen defensiv denkenden Mittelfeldspieler, verpflichten wollte. Aber auch, dass sich Pavlović unter ihm als ballsicherer Sechser zur Stammkraft im Bayern-Zentrum entwickelt hat und als Anerkennung dafür jetzt mit der Nationalelf bei der EM dabei ist.
Wer nun den Konflikt mit Hoeneß, der Tuchel in "meiner Trainerehre verletzt" hatte, als Hauptgrund für die geplatzte Aufhebung der bereits Ende Februar beschlossenen Trennung ausgemacht hatte, sah sich aber getäuscht.
"Wir haben uns im Rahmen des Spiels gegen Real getroffen und das Ganze begraben", sagte Tuchel: "Es macht keinen Sinn, nachtragend zu sein. Ich bin auch nicht nachtragend. Passt." Zumindest mit hineingespielt haben dürfte der Faktor Hoeneß mit all seinen Facetten aber dennoch.
Die Beteiligen rätseln selbst über die Tuchel-Trennung
"Es bleibt bei der Vereinbarung aus dem Februar. Es gab noch einmal Gespräche in der letzten Woche. Aber wir haben keine Einigung gefunden für eine weitere Zusammenarbeit", sagte Tuchel jedenfalls und zog damit einen endgültigen Schlussstrich unter sein Kapitel beim FC Bayern, das mit dem Auswärtsspiel am Samstag (15.30 Uhr) in Hoffenheim nun definitiv enden wird. Aber warum platzte die Tuchel-Wende nun eigentlich genau? Offenbar rätseln sogar alle daran Beteiligten selbst ein wenig darüber.
15. Spieltag
Freitag, 20.12.
Samstag, 21.12.
"Die Gründe sind minimal, warum die Entscheidung im Februar getroffen wurde, warum wir uns überhaupt trennen, vielleicht sind die auch gar nicht so klar, dass man die genau benennen kann", sagte Tuchel. "Aber es ist, wie es ist, und das ist gut so." Im Detail wollte er sich zu seinen Beweggründen, sich nun vom FC Bayern zu verabschieden, nicht äußern.
Die Entscheidung sei ihm trotzdem "sehr schwer" gefallen, betonte der 50-Jährige. Warum? "Solche Erlebnisse in der Champions League schweißen dich zusammen. Auch die Art und Weise gegen Madrid. Das Feedback war die Basis, noch mal über eine 180-Grad-Wende nachzudenken." In der spanischen Hauptstadt war Bayerns Traum vom Einzug ins Finale der Champions League nach zwei Gegentoren in den Schlussminuten geplatzt.
Bayerns Bemühungen kamen zu spät
Tuchel berichtete von einer "turbulenten letzten Woche" und Verhandlungen von "Donnerstag nach Real bis gestern". Insbesondere Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund hatten dabei noch einmal eine große Charmeoffensive bei ihm gestartet. Auch Führungsspieler der Mannschaft um die beiden Kapitäne Manuel Neuer, Thomas Müller, Harry Kane, Eric Dier und Jamal Musiala sollen sich intern noch einmal für einen Tuchel-Verbleib starkgemacht haben.
Möglicherweise kam all das aber zu spät. In den vergangenen Wochen hatten sich die Münchner schließlich zunächst um zahlreiche andere neue Trainer bemüht. Und sich dabei nacheinander von ihrem Wunschkandidaten Xabi Alonso (Leverkusen), Bundestrainer Julian Nagelsmann, dem österreichischen Nationalcoach Ralf Rangnick und zuletzt Oliver Glasner, den Crystal Palace nicht freigeben wollte, Absagen geholt.
Tuchel hätte nicht als Not- oder Übergangslösung wahrgenommen werden wollen. Um etwa im kommenden Jahr dann möglicherweise wieder Platz für Jürgen Klopp machen zu müssen. Dazu passt, dass ein Knackpunkt der gescheiterten Verhandlungen dem Vernehmen nach die Vertragslaufzeit gewesen sein soll. Tuchel hätte sich wohl ein Bekenntnis des Klubs zu ihm in Form eines neuen Vertrags bis mindestens 2026 gewünscht. Das aber wiederum stieß im mächtigen Aufsichtsrat der Bayern um Ex-Präsident Hoeneß und Ex-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge auf Widerstand.
Wichtige Entscheider sahen Tuchel kritisch
Unter anderem mit den beiden Klubgranden gab es wichtige Entscheider im Klub, die Tuchels Weiterbeschäftigung kritisch gegenüberstanden. Tuchel hätte wohl aber nur dann weitermachen können und wollen, wenn er auch das volle und geschlossene Vertrauen der Bosse gehabt hätte. Weil er das aber vermisste, sagte er laut "SZ" bereits am Mittwochabend ab. Eberl und Freund hatten ihm dem Bericht zufolge sogar noch einen neuen Drei-Jahres-Vertrag versprochen, der sich dann aber nicht im tatsächlichen Angebot wiederfand.
Am Donnerstag versuchten die Bayern ihn mit einigen Zugeständnissen doch noch mal umzustimmen – ohne Erfolg. Man kann davon ausgehen, dass Tuchel auch klare Vorstellungen in Sachen Kompetenzen und Mitspracherecht bei Transferplanungen hatte. Bei Tuchel verfestigte sich laut "SZ" aber der Eindruck, dass die Kluboberen Eberl und Freund zu Verhandlungen mit ihm vorschickten, ihnen dabei aber nicht genügend Handlungsmacht gaben.
Hinzu kommt, dass er sich gedanklich eigentlich schon längst mit seinem Abschied aus München abgefunden und möglicherweise bereits neue Ziele ins Auge gefasst hat. Sein Name fällt immer wieder im Zusammenhang mit Manchester United. Nach der Verkündung der Trennung im Februar sei seine Entscheidung eigentlich bereits "zu tausend Prozent getroffen" gewesen, bestätigte Tuchel.
"Ich habe es verarbeitet und mich damit angefreundet." Bis in der vergangenen Woche die "theoretische Möglichkeit einer 180-Grad-Wende" kam, wie er sagte. Nach der Last-Minute-Meisterschaft im vergangenen Jahr wird er sich mit der ersten titellosen Saison seit 2012 aus München verabschieden. "Wir haben das Recht, auch mit erhobenem Kopf aus diesen 15 Monaten rauszugehen", sagte er trotzdem: "Ich glaube, dass wir immer unsere Spuren hinterlassen." Eine davon führt zweifellos zu Pavlović.
- Reporter vor Ort bei der Pressekonferenz von Thomas Tuchel am 17. Mai
- sueddeutsche.de: "Paartherapie gescheitert"