Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das Mutterland wird zum Vorbild Eine einmalige Faszination
Die Frauen-EM wird aktuell in England ausgetragen. Dem Land, das für den Fußball lebt – und ein Vorbild für andere Nationen darstellt.
Im ausverkauften Brighton & Hove Community Stadium (28.847 Plätze) buchten sich die Engländerinnen am Montag ihr Ticket für das Viertelfinale bei der diesjährigen EM in ihrem Heimatland. Und das auf spektakuläre Art und Weise: Die Elf von Trainerin Sarina Wiegman holte gegen Norwegen einen 8:0-Sieg – Rekord.
Von den Fans gab es tosenden Applaus, die Stimmung riss die Spielerinnen mit. Nicht umsonst gilt England als das Mutterland des Fußballs. Bereits das Auftaktspiel des Turniers zwischen den "Three Lionesses" und Österreich fand im ausverkauften Old Trafford vor 68.800 Fans statt.
- Giulia Gwinn: "Das ist eine Wettbewerbsverzerrung"
DFB-Abwehrstar Giulia Gwinn schwärmte vor dem Turnier im Gespräch mit t-online vom Gastgeberland: "Dass die EM in England ist, ist ein Geschenk. Es kommt auch zum richtigen Zeitpunkt, weil in England der Fußball geliebt und gelebt wird."
Ob Plakate für die Spielerinnen, gemalte Flaggen im Gesicht oder urige Hüte auf dem Kopf. Die englischen Fans zeigen stolz, dass sie ein Teil der Mannschaft sein wollen. Und das wiederum bewegt auch die Spielerinnen. Stürmerin Beth Mead sagte am Mikrofon der "BBC" nach dem Spiel gegen Norwegen euphorisch: "Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich liebe es, hier zu sein, ich liebe es, Teil dieses Teams zu sein und ich liebe jede Minute."
Ein Vorbild für Deutschland
In der Women's Super League, der höchsten Frauen-Spielklasse Englands, haben sich die Zuschauerzahlen seit 2017 verdoppelt. Sky Sport und der öffentlich-rechtliche Sender BBC übertragen die Partien. Barbara Slater, Direktorin von "BBC Sport", sagte im vergangenen Jahr zum TV-Deal: "Wir freuen uns, der Super League eine frei zugängliche Plattform anzubieten, um zu versichern, dass der Sport und die Spielerinnen mit einem größtmöglichen Publikum in Kontakt kommen." Ein Blick nach Deutschland zeigt, dass dies keine Normalität ist.
Denn hierzulande wird die Frauen-Bundesliga seit 2021 nur bei "Magenta Sport" im Pay-TV übertragen. Zuvor wurden dort nur zwei Spiele pro Spieltag live gesendet. Die Änderung war ein wichtiger Schritt, doch die Rechteinhaber der Männer-Bundesliga, Sky und DAZN, zeigen die Spiele der Bundesliga der Frauen bisher nicht. Immerhin: DAZN überträgt seit der vergangenen Spielzeit die Champions-League-Partien der Frauen.
Die deutsche Kapitänin Alexandra Popp sagte der "Sport Bild" zuletzt, dass der fehlende Zulauf auch am Marketing liege. Dass ein "großer Partner wie 'Sky'" in England beispielsweise alle Spiele zeige, "sollte auch bei uns Vorbild sein".
Mehr Fans schauen sich englische Frauen-Liga an
England ist Deutschland in Sachen Frauenfußball voraus. Daher sagte auch Nationalspielerin Sara Däbritz zum aktuellen Großereignis bei t-online: "Das ist eine tolle Bühne, uns zu präsentieren. Wir hoffen, dass wir die Fans aus unserem Land mitnehmen können."
- Karriere und Kind: Diesen Missstand muss der Sport beheben
Auch Chantal Hagel, die bei der TSG Hoffenheim unter Vertrag steht, sagte zu t-online: "Die Fans kommen ins Stadion und wollen das Spiel unterstützen. Nicht weil man sagt: 'Jetzt schaut euch auch mal die Frauen an', sondern weil die das wollen. Einfach toll." In England kommen auch mal rund 20.000 Zuschauer zu einem Ligaspiel. In Deutschland sind es weitaus weniger Menschen, die die Reise zu den Spielerinnen ins Stadion auf sich nehmen.
"Equal Pay" im Nationalteam
Nicht nur auf Klubebene gibt es Entwicklungen im englischen Fußball. Auch bei den "Three Lionesses" haben sich Neuerungen etabliert. Ein großer Schritt: Die Spielerinnen bekommen die gleichen Bonuszahlungen wie die Männer.
"So weit sind wir in Deutschland noch nicht", beklagte Gwinn im Gespräch mit t-online (Mehr dazu lesen Sie hier). In anderen Ländern schon: 16 Teilnehmer der Frauen-EM haben angekündigt, "Equal Pay" durchzusetzen oder haben dies bereits getan: Die Gastgebernation, Norwegen, Finnland, Schweden, Island, Spanien, die Niederlande und die Schweiz. In England wurde der Schritt bereits 2020 umgesetzt, noch eher war beispielsweise Norwegen dran.
Dass England Fußball lebt und zugleich für Gleichberechtigung zwischen den Ligen sorgt – und sich auch für die Gesundheit und die besonderen Bedürfnisse der Frauen nicht nur auf dem Platz einsetzt, zeigt sich auch anhand einer Person: Emma Hayes. Die gebürtige Londonerin ist Trainerin der Frauen des FC Chelsea. Sie schneidet ihr Training seit Februar 2020 auf den Zyklus ihrer Spielerinnen zu.
- Periode im Leistungssport: Das große Versäumnis
In ihrer aktuellen Kolumne im "Telegraph" fordert Hayes mehr Aufklärung über die Folgen der Periode auf die sportliche Leistung der Spielerinnen. "Der Mangel an Wissen über Menstruationszyklen in unserem Land und weltweit ist alarmierend und das mangelnde Bewusstsein für die Gesundheit von Frauen im Sport ist schockierend." (Mehr zu dem tabuisierten Thema lesen Sie hier.)
Durch fehlendes Bewusstsein komme es im Frauen-Fußball immer wieder zu falschen Einschätzungen der sportlichen Leistung und zu medizinischen Fehldiagnosen, warnte Hayes. "Es geht darum, Strategien einzuführen und alles im Blick zu haben, eine sichere Umgebung für die Kommunikation zu schaffen, in der die Spielerinnen ermutigt werden und wissen, dass ihre Daten nicht gegen sie verwendet werden."
Hayes ist damit erfolgreich. Die Frauen des FC Chelsea wurden in dieser und der vergangenen Spielzeit Meister in England. Nicht nur ihr Konzept geht auf, sondern auch das des ganzen Landes.
- Sportschau.de: Frauenfußball-Boom in England
- Deutschlandfunk.de: Von Equal Pay bis Mini-Stadien: Wissenswertes zur Fußball-EM der Frauen in England
- Spiegel.de: "Das ist ein Meilenstein, nicht nur für diese Liga"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Spiegel.de: Gleiches Geld für alle