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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutscher bei BVB-Gegner Bergamo Robin Gosens: "Die Bundesliga ist DAS Ziel"
Robin Gosens hat den verrücktesten Weg aller deutschen Fußballer hinter sich: Aus der Landesliga Niederrhein bis in die Serie A! Im t-online.de-Interview spricht Gosens über eine schicksalhafte Begegnung, Party-Abende in der U18 – und ein Probetraining bei Borussia Dortmund.
Am Donnerstag in der Europa-League-Zwischenrunde muss Atalanta Bergamo bei Borussia Dortmund ran. Für Gosens wird ein Traum wahr. 2012 noch spielte der vielseitige Linksverteidiger beim VfL Rhede. Seitdem ging es nur noch bergauf – im Eiltempo! Nach einigen Stationen in den Niederlanden spielt der vielseitige Gosens seit Sommer 2017 in einer der besten Ligen Europas.
t-online.de: Herr Gosens, in fünf Jahren haben Sie es aus dem deutschen Amateurbereich bis in die Serie A geschafft – nicht gerade alltäglich…
Robin Gosens (23): Das stimmt (lacht). Ich habe da auch schon oft drüber nachgedacht, mit Papa und Mama drüber gesprochen. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich vor vier Jahren Sonntag morgens beim VfL Rhede auf dem Platz stand, am Abend davor noch aus war und mit den Jungs Bierchen ohne Ende geschlürft habe (lacht). Und jetzt spiele ich gegen Klubs wie Neapel, gegen echte Weltstars. Da fallen mir kaum die richtigen Worte ein.
Wie kam denn der Kontakt mit Atalanta zustande?
Das erste Mal schon im Winter 2016/17, als in der Saison das Transferfenster aufging. Da hat mir mein Berater erzählt: „Da waren Vertreter von Atalanta Bergamo auf der Tribüne, die haben Dich ein paar Mal beobachtet und sind sehr interessiert.“ Erst zum Saisonende hat sich der Kontakt dann intensiviert. Da habe ich richtig begriffen, dass mich tatsächlich ein Verein aus einer der Top-Ligen Europas haben will.
Wie lief die Umstellung auf den italienischen Fußball?
Einen Tag, nachdem ich ankam, sind wir für drei Wochen ins Trainingslager in die Berge gefahren. Die erste Zeit dachte ich mir da schon: „Wo bist Du denn hier gelandet?“ (lacht) Das war natürlich eine ganz andere Intensität als in Holland, viel athletischer, auf dem technischen und taktischen Level viel höher. Da musste ich mich schon etwas umgucken. Aber nach den ersten vier, fünf Wochen hatte ich mich dann gut eingewöhnt.
Hat Sie dieser rasante Aufstieg verändert?
Ich muss sagen, dass ich richtig froh darüber bin, immer noch dieser nüchterne Junge vom Land zu sein.
Das müssen Sie erklären.
Einfach, weil ich nie in meinen jungen Jahren schon mit diesem ganzen Fußballinternatsgeschäft zu tun hatte. Ich bin nicht der „typische“ Profi, der Wert auf teure Sachen und teure Kleidung legt. Für mich ist das alles wie ein Traum, den ich jetzt erlebe. Wenn ich hier auf dem Trainingsplatz stehe, muss ich mich manchmal kneifen (lacht).
Ist gerade Ihr ungewöhnlicher Weg vielleicht Ihr größter Vorteil?
Ich wurde nicht langsam an alles gewöhnt, wie es bei jungen Spielern in den Internaten üblich ist, die eigentlich nur auf diesen Moment hinarbeiten. Ich wurde einfach ins kalte Wasser geworfen. Natürlich kriegt man dann oft die Frage gestellt: „Robin, stell Dir mal vor, Du wärst mehrere Jahre im Internat ausgebildet worden.“ Ich antworte dann immer: „Dann wäre ich nicht sicher, ob der Weg zum Profi-Fußballer geklappt hätte“.
Wieso das?
Ich denke da an Abende, bevor Bundesligaspiele mit der U18 anstanden und man deswegen eigentlich am Freitag und Samstag davor nichts machen konnte. Aber ich war dann derjenige, der gesagt hat: „Kommt Jungs, lasst uns auf eine Party gehen und das Leben genießen“. Ich glaube nicht, dass viele Profis, die vorher in Internaten waren, das auch erzählen können.
Sie haben auch mal gesagt: „Fußball füllt mich nicht aus“…
Ich bin einfach nicht der Typ, der nach dem Training nach Hause fährt und den Rest des Tages auf der Couch verbringt. Das ist doch nicht das Ziel des Lebens. Klar ist man nach dem Training körperlich auch mal am Ende, aber geistig habe ich mich nie erschöpft gefühlt.
Deswegen haben Sie auch anderweitig vorgesorgt…
Genau. Ich habe dann mein Abitur gemacht und mich bei der Polizei beworben, weil ich dachte: Das wäre doch auch eine Karriere, die dir gefallen könnte. Aber im Verein und auch sonst sagten mir so viele Leute: „Robin, Du bist viel zu gut für den VfL Rhede, Du musst noch was rausholen.“
Wie ging es weiter?
Dann war ich 18 - und hatte plötzlich die Möglichkeit zu einem Probetraining bei Borussia Dortmund!
Was? Dabei sind Sie doch Schalke-Fan, oder?
Das stimmt (lacht). Ich hab’s dort aber natürlich niemandem erzählt (lacht). Aber das Probetraining war ein Fiasko. Ich konnte überhaupt nicht mithalten (lacht). Kurze Zeit später stand ich wieder für Rhede auf dem Platz, da kam ein Scout von Vitesse Arnheim zu mir und fragte: „Ich war eigentlich wegen eines anderen Spielers hier, aber Du hast mich begeistert. Willst Du nicht mal vorbeikommen zu einem Probetraining?“ So kam eins zum anderen.
Eine plötzliche Wendung…
Ja, ich hatte da auch einige Diskussionen mit meinen Eltern. Ich hatte mich ja bei der Polizei beworben und hätte diese Laufbahn dann auch einschlagen können, weil ich den Test soweit schon bestanden hatte. Zur gleichen Zeit kam dann aber das Angebot, für zwei Jahre in Arnheim zu unterschreiben.
Wie liefen die Gespräche zuhause?
Meine Mutter sagte natürlich: „Robin, Du bist jetzt 18, warum entscheidest Du Dich nicht für den sicheren Weg? Du kannst auch bei der Polizei Karriere machen.“ Mein Vater sagte dagegen: „Wenn du das jetzt nicht machst, ist der Zug abgefahren.“ Da war dann auch Tage lang wirklich schlechte Stimmung in der Familie. Letztendlich habe ich dann entschieden: Ich probiere das jetzt zwei Jahre lang aus, und wenn es nicht klappt, dann kann ich mich immer noch erneut bei der Polizei bewerben. Da konnte Mama dann auch überredet werden.
Trainer in Arnheim war damals Peter Bosz, der Sie sogar mal mit zu den Profis ins Trainingslager mitgenommen hat...
Genau. Er sagte mir: „Ich belohne Dich für Deine Leistungen.“ Er gab mir das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Außerdem war er der erste Trainer, der mich auf die linke Abwehrseite gestellt hat. Das hatte ich ja vorher noch nie gespielt. Er dachte aber, mit meinen Qualitäten könnte ich da gut spielen. Ich hatte den Eindruck, dass er Potenzial in mir sah.
Zur zweiten Saisonhälfte 14/15 wurden Sie an Zweitligist FC Dordrecht ausgeliehen - mit denen haben Sie direkt den Aufstieg in die Eredivisie geschafft. Wie haben Sie auf den Wechsel reagiert?
Ich kannte den Verein vorher nicht, muss ich zugeben. Aber dann sah ich, dass sie in der Tabelle weit oben standen, und dachte: Geil, die spielen bestimmt einen super Fußball, der zu mir passt. Der Aufstieg war für mich das erste echte Highlight der Karriere.
Gab es denn auch schon mal Interesse von einem Klub aus Deutschland?
Bisher nichts Konkretes. Es ist ja auch so: Wenn in Deutschland mein Name fällt, dann haben mich neun von zehn Experten noch überhaupt nicht auf dem Schirm.
Die Bundesliga bleibt aber ein Ziel?
Die Bundesliga ist auf jeden Fall DAS Ziel, ein echter Traum. Ich schaue Samstags und Sonntags die Spiele, seitdem ich mich zurückerinnern kann.
In der Europa League geht es jetzt ausgerechnet gegen den BVB. Was ist drin für Atalanta?
Unglaublich. Ein viel schwereres Los kann man eigentlich nicht bekommen. Wir sind nicht der Favorit, aber wir können es Dortmund definitiv schwer machen. Unser Vorteil ist, dass wir das erste Spiel auswärts haben. Wenn wir da einen Punkt holen – zuhause sind wir eine Macht. Es wird kein Galopp für Dortmund, die nächste Runde zu erreichen.