Sieg in der Verlängerung Portugal holt sich den EM-Titel
Erst weinte Cristiano Ronaldo vor Schmerz und Enttäuschung, dann strömten Tränen des Glücks über seine Wangen. Ohne seinen früh verletzten Superstar hat Portugal den großen Traum Frankreichs zerstört und überraschend seinen ersten großen Titel gewonnen.
Im Finale der EM besiegten die Portugiesen den Gastgeber mit 1:0 (0:0) nach Verlängerung - auch ohne Ronaldo: Dieser war in der 25. Minute weinend ausgewechselt worden.
Vor 75.868 Zuschauern im Stade de France versetzte dafür der eingewechselte Eder in der 109. Minute Frankreich einen Stich ins Herz. Die Portugiesen gewannen dank seines Treffers einen Titel, den sie vor zwölf Jahren bei ihrer EM im Endspiel gegen Griechenland verloren hatten (0:1) - damals mit dem 19 Jahre alten Ronaldo. Der Superstar hatte in den vergangenen Tagen mehrfach betont, wie wichtig ihm der EM-Sieg sei.
Verletzter Ronaldo als Motivator
Es hatte sein großer Abend werden sollen, doch Ronaldo spielte schon bald keine Rolle mehr. Nach einem nicht geahndeten Foul von Dimitri Payet (8.) blieb er auf dem Rasen liegen, spielte weiter, ging vom Feld, wurde behandelt, bekam eine Bandage und kehrte zurück. Dann war doch Schluss, auf einer Trage wurde Ronaldo vom Platz getragen. Er weinte. Vor der Verlängerung stand er als Motivator auf dem Platz.
Frankreich war überlegen und hatte eine Vielzahl von Chancen, doch auch der neue Volksheld Antoine Griezmann brachte den Ball trotz guter Gelegenheiten nicht im Tor des hervorragenden Rui Patricio unter. Seine größte Chance war ein Kopfball in der 66. Minute.
Lloris kurz vor Schluss glänzend
Portugal war schon in der regulären Spielzeit nah am Sieg: Frankreichs Torhüter Hugo Lloris reagierte aber bei einer Flanke von Nani und dem anschließenden Seitfallzieher von Ronaldo-Ersatz Ricardo Quaresma großartig (80.). Allerdings: In der Nachspielzeit (90.+2) traf der eingewechselte André-Pierre Gignac für die Gastgeber nur den Pfosten.
Frankreich hatte zum dritten Mal in einem EM-Finale gestanden, konnte den Titeln von 1984 (in Frankreich) und 2000 (in Belgien und den Niederlanden) aber keinen dritten hinzufügen.
Entschlossenheit sichtbar
Von der Equipe tricolore war mehr erwartet worden, als nur ein wichtiges Fußballspiel zu gewinnen. Die Entschlossenheit war sichtbar. Moussa Sissoko (6.) und Griezmann (7.) gaben erste Warnschüsse ab. Nach einer Flanke von Olivier Giroud und einem Kopfball von Griezmann regierte Torhüter Rui Patricio glänzend (10.). Ebenso nach einer längeren Phase ohne große Höhepunkte gegen den starken Sissoko (34.) oder später gegen Giroud (75.) und Sissoko (84).
Nicht nur die Franzosen verstanden den Titelgewinn als nationalen Auftrag, wie Ronaldo betont hatte. "Ich habe immer davon geträumt, etwas mit Portugal zu gewinnen", sagte er voller Pathos, "ich verdiene es, Portugal verdient es, die Fans verdienen es, jeder Portugiese verdient es." Nur: Er konnte eben nicht mehr mitwirken.
Aus 20 Metern versenkt
Immerhin war Pepe wieder dabei. Der Abwehrchef hatte seine Muskelverletzung überwunden. Kurios: Kaum war Ronaldo vom Feld, wirkte Frankreich plötzlich gehemmt. Chancen wurden ein Weile zur Mangelware.
Die Seleccao, so schien es, wartete auf den einen Konter, auf die eine Standardsituation. Es klappte nicht. Der Schuss ins Glück sollte später gelingen. Der in der 79. Minute für Renato Sanches eingewechselte Eder fasste sich ein Herz und versenkte den Ball aus mehr als 20 Metern im Netz. Kurz zuvor hatte bereits der Neu-Dortmunder Raphael Guerreiro einen Freistoß an die Latte gesetzt (108.). Doch dann schlug Eder zu - und mit dem begeisterten Ronaldo jubelte ganz Portugal.