Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Pleite in Amsterdam Das Pikante an der Dortmunder Blamage
Es war eine Lehrstunde für den BVB: Mit 0:4 wurde das Team von Ajax Amsterdam auseinandergenommen. Pikant: Die Niederländer schlugen die Dortmunder mit ihren eigenen, alten Waffen.
Vielleicht erinnerte sich Marco Rose an die Partie gegen den Wolfsberger AC zurück. Zu Beginn seiner Amtszeit als Trainer von Borussia Mönchengladbach 2019 verlor Rose mit seiner Mannschaft mit 0:4 in der Europa League. Mittlerweile trainiert der 45-Jährige Borussia Dortmund, der Gegner am Dienstagabend hieß Ajax Amsterdam, der Wettbewerb war die höherklassige Champions League, aber das Ergebnis identisch. Der BVB musste vor einer feurigen Kulisse in der Johan-Cruijff-Arena eine 0:4-Schlappe hinnehmen.
Bis auf die ersten fünf Minuten der Partie wirkte das Dortmunder Team zu keinem Zeitpunkt so, als könnte es die Kontrolle über das Geschehen gewinnen. Stattdessen dominierte der amtierende niederländische Meister und drängte den BVB immerzu in die eigene Spielhälfte. Die erschreckendste Beobachtung war, wie passiv Roses Mannschaft zuweilen verteidigte. Die Dortmunder spielten auf dem Papier im gewohnten 4-3-3, standen aber häufig in einem 4-5-1 hinter der Mittellinie und sahen dabei zu, wie Ajax anrannte.
Kollektives Versagen
Die Niederländer nutzten die eigenen Feldvorteile zumeist mit Bedacht und klugen Positionsverschiebungen. Linksverteidiger Daley Blind etwa zog häufig in die Mitte, um Überzahlsituationen gegen Jude Bellingham und Julian Brandt zu kreieren. Dušan Tadić bewegte sich von links nach innen und entwischte so Thomas Meunier. Der brasilianische Dribbler Antony stand in der Regel sehr breit und zog seinen direkten Gegenspieler Nico Schulz aus dem Abwehrzentrum heraus.
Der BVB ließ all das mit sich machen und war vor allem Passagier. Die Überforderung des Bundesligisten wurde augenscheinlich an Bellingham und Brandt, die oftmals gar nicht wussten, welchen Gegner sie zuerst anlaufen sollten. Kein einzelner Dortmunder stach besonders negativ hervor, es war ein kollektives Versagen. Und von der Trainerbank kamen nur wenige Impulse, die für einen Umschwung hätten sorgen können.
Dortmund muss nach vorn verteidigen
Rose beschränkte sich auf positionsgetreue Wechsel, indem er Emre Can für Nico Schulz sowie Thorgan Hazard für Donyell Malen brachte. Auch diese personellen Veränderungen führten nach der Halbzeitpause – beim Stand von 0:2 – zu keiner positiven Veränderung. Im Gegenteil: Can stellte umgehend unter Beweis, dass er als Linksverteidiger ebenso überfordert war wie zuvor Schulz.
Dortmund ist bekanntlich keine Mannschaft, die am eigenen Strafraum kompakt stehen kann. Sie muss nach vorn verteidigen – frühe Ballgewinne und unnachgiebiger Druck auf die gegnerischen Ballführenden sind die Erfolgsmittel. Gegen Ajax jedoch fand der BVB in der eigenen Grundordnung keinen Zugriff, stellte sich nicht auf die positionellen Verschiebungen des Gegners ein und schaffte so fast nie den Weg nach vorn. Dass Dortmund überhaupt zu Torchancen kam, lag allein an der individuellen Ausnahmeklasse von Erling Haaland, der in der Sturmspitze meist auf sich gestellt war.
Nach der Schmach gegen Wolfsberg vor zwei Jahren schaffte es Rose recht schnell, die Gladbacher in ein druckvolles Team zu verwandeln. In Dortmund muss ihm das nun auch gelingen. Denn die defensive Passivität wirkt sich vielleicht gegen mittelmäßige Bundesligisten nicht immer auf das Ergebnis aus, gegen Spitzenmannschaften wie Ajax jedoch schon.
- Eigene Beobachtungen