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Gerald Asamoah über das irre Jahr des FC Schalke 04: Wucht, Emotionen, Freude


Meinung
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Schalkes irres Jahr
Das war der Schlüssel

MeinungEine Kolumne von Gerald Asamoah

Aktualisiert am 25.05.2022Lesedauer: 5 Min.
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Quelle: Sven Simon/Collage/imago-images-bilder

Eintracht Frankfurt gewinnt die Europa League, Werder Bremen und Schalke 04 kehren in die Bundesliga zurück. Es ist das wohlverdiente Ende einer emotionalen Saison.

Wie eng Freud' und Leid beieinanderliegen, hat dieses Jahr wieder die Relegation gezeigt. Hamburger SV und Hertha BSC – zwei große, traditionsreiche Klubs, für die es um so viel ging. Man hat förmlich gespürt, was für die Vereine auf dem Spiel stand. Und man hat gespürt, welche Wucht Traditionsvereine entfalten können – ähnlich wie Eintracht Frankfurt bei seiner Tour durch Europa, die ja letztlich mit dem Titel gekrönt wurde (übrigens 25 Jahre, nachdem die Schalker Eurofighter den Uefa-Cup gewonnen hatten). Auch wenn es für den HSV nicht gereicht hat, war es doch schön zu sehen, wie lebendig der Fußball sein kann, welche Emotionen er noch immer weckt, selbst nachdem Corona zwischenzeitlich die Stadien leergefegt hatte.

Wucht. Emotionen. Freude. Das sind sicherlich auch Begriffe, die ich mit unserem, mit dem Aufstieg des FC Schalke 04 in die Bundesliga verbinde.

Wobei ich sagen muss: Kurz nachdem der wichtigste Abpfiff dieser Saison ertönte, saß ich erstmal in der Kabine. Allein. Wir hatten gerade St. Pauli kurz vor Schluss mit 3:2 besiegt und damit am vorletzten Spieltag der Saison tatsächlich den Aufstieg besiegelt. Die Fans stürmten den Platz, alle lagen sich in den Armen und ich lief wie ferngesteuert los, die Treppe runter, den Tunnel hoch und dann rechts rein durch die Tür. Oft sind es die ganz großen Momente, die dich, wenn sie wahr werden, ungläubig zurücklassen. "Das macht man sich erst später so richtig klar", heißt es dann. Ich schaute in den leeren Raum, auf die verlassenen Plätze, die Wäschekisten. Ich musste kurz an 2001 denken, als uns die für vier Minuten sicher geglaubte Meisterschaft durch Bayerns späten Ausgleich in Hamburg entrissen wurde. Dann war ich wieder im Hier und Jetzt. Wir haben es wirklich geschafft …

Schalke hat seine Identität und seinen Stolz zurückgewonnen

"Asa, komm! Du verpasst alles!" Unser Videoanalyst Lars Gerling riss mich aus meinen Gedanken. Und er hatte recht. Also raus auf den Platz. Was sich da abspielte, war unglaublich. Schalke explodierte förmlich vor Freude. Überall waren Menschen, sie weinten, lachten und feierten. Wir wurden quasi von der Menge verschluckt. Handykameras, TV-Mikrofone, kurze Interviews, Umarmungen, zwischendrin konnte ich immer mal wieder einen unserer Spieler erkennen. Als wir wieder in den Katakomben waren, tanzte die ganze Mannschaft im Tunnel und grölte den Song "Simon’s On Fire!", um unserem Top-Torschützen Simon Terodde zu huldigen. Ralf Fährmann hatte inzwischen eine Kiste Bier geschultert und trug sie sicher durch die Menge. Es war einfach schön, alle gemeinsam so glücklich zu sehen.

Diese wahnsinnige Euphorie in der Arena nach dem Aufstieg, sie trug uns durch die darauffolgenden Tage – bis zur Zweitliga-Meisterschaft eine Woche später in Nürnberg, bis zur anschließenden Fan-Feier in Gelsenkirchen. Fremde schütteln mir noch Tage später im Restaurant die Hand und bedanken sich. Jemand schrieb mir bei Twitter, weil er sich meine Unterschrift neben das Aufstiegsdatum tätowieren lassen möchte.

Vize-Weltmeister Gerald Asamoah wird ab sofort als neuer Kolumnist für t-online tätig sein. Der zweifache DFB-Pokalsieger schreibt monatlich über aktuelle und spannende Geschehnisse sowie gesellschaftliche Komponenten des Fußballs.

Ein Jahr, nachdem dieser Verein derart am Boden gelegen hatte, ein Jahr, nachdem wir nach dem Bundesliga-Abstieg vor unserem eigenen Stadion angegriffen wurden. Ein Jahr später ist der S04 wieder da. Schalke hat seine Identität und seinen Stolz zurückgewonnen.

Ich will hier gar nicht die Saison im Einzelnen durchgehen. Die Höhen und die Tiefen sind bekannt, auch, dass es kein Sturmlauf war, sondern vor allem eine Willensleistung – und dass die Dramaturgie, wie wir am Ende den Aufstieg klargemacht haben, vermutlich für jeden Drehbuchautor zu kitschig gewesen wäre.

Eine Saison für die Geschichtsbücher

Was mir aber wichtig ist, ist etwas, das unser scheidender Torwart Martin Fraisl in seinem Abschiedspost bei Instagram beschrieben hat: die "spezielle Mentalität" und die "Art und Weise, wie wir als Team füreinander eingestanden sind, füreinander unsere Träume beschützt haben". Ich denke, das war in diesem Jahr der Schlüssel.

Es sind Dinge, die im (Profi-)Fußball immer einfach und selbstverständlich klingen, die aber in Wahrheit mit am schwierigsten zu entwickeln sind: Du brauchst nicht nur gute Einzelspieler, tolles Training, gute Analysen und clevere Matchpläne. Du brauchst vor allem eine echte Gruppe, in der jeder für jeden da ist, auch mal zurücksteckt und sich auf die Bank setzt; und du brauchst ein Gespür, welche Persönlichkeiten, welche Typen zu dieser Gruppe zusammenwachsen können. Das ist uns auf Schalke gelungen.

Aus einem Kader ist eine Mannschaft geworden, und aus einer Mannschaft ein Team. Darauf haben Vorstand Peter Knäbel, Sportdirektor Rouven Schröder, die Trainer Dimitrios Grammozis und Mike Büskens und auch ich sowie alle weiteren, die daran mitgearbeitet haben, von Anfang an sehr großen Wert gelegt. Und auch um die Mannschaft herum hat es gepasst. Wir waren auf allen Ebenen eine Einheit. Wenn das alles zusammenkommt, dann entsteht etwas Besonderes – dann spielst du eine Saison wie diese. Eine für die Geschichtsbücher.

Ich habe viel erlebt mit Schalke, seit ich 1999 das erste Mal in Gelsenkirchen gegen den Ball getreten habe: Zwei DFB-Pokal-Titel, die Meisterschaft der Herzen 2001 und noch drei weitere Vize-Meisterschaften, mein Abschiedsspiel 2015 vor über 60.000 Menschen in der Arena, Ab- und Aufstieg mit der U23 und jetzt auch mit den Profis. Aber ich muss sagen, dass die vergangenen Monate für mich mit das Intensivste waren, was ich in meinem Berufsleben bisher erlebt habe.

Du fragst dich: Warum tust du dir das alles an?!

Als Spieler spürst du natürlich Druck, aber in einer Position wie meiner jetzigen als Leiter der Lizenzspielerabteilung ist es noch mal eine ganz andere Verantwortung. Du konzentrierst dich nicht mehr nur auf die Leistung auf dem Platz, sondern hast ständig das große Ganze im Blick. Dir ist klar, dass ein Abstieg für einen Verein wie Schalke 04 nicht ungefährlich ist. Du weißt, was für eine Bedeutung Schalke für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle hat – und gerade in Gelsenkirchen, gerade im Ruhrgebiet auch für die Stadt, die Region, die Menschen. Aber diese Verantwortung ist es eben auch, die mir gefällt, die mich antreibt und die diesen Berufsweg, den ich nach meiner Karriere als Spieler eingeschlagen habe, so spannend macht.

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Ich will ehrlich sein, es waren auch viele schwierige Phasen dabei. Momente, in denen du zweifelst und in denen es einfach nicht läuft. Du fragst dich dann: Warum tust du dir das alles an?! Aber die Antwort ist immer dieselbe: Für all das, was wir in diesem Jahr und besonders zum Abschluss erleben durften. Für die Freude in den Gesichtern der Jungs, in den Gesichtern der Fans und der Menschen, die diesen Verein lieben. Für sie alle freut es mich am meisten.

Ich würde deshalb sogar noch weiter gehen als Martin Fraisl: Wir haben nicht nur als Team unsere Träume beschützt. In dieser Saison haben wir ALLE auf Schalke unsere Träume beschützt. Gemeinsam. Das ist etwas Historisches. Vor allem ist es aber eine ganz persönliche Erfahrung, für die ich dankbar bin und die ich nie in meinem Leben vergessen werde.

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