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Benedikt Höwedes: "Ich kann die Kritik an meinem Karriereende verstehen"


Meinung
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Weltmeister Höwedes
Ich kann die Kritik an meinem Karriereende verstehen

MeinungEine Kolumne von Benedikt Höwedes

Aktualisiert am 11.08.2020Lesedauer: 4 Min.
Auf dem Gipfel des Erfolgs: Benedikt Höwedes feiert mit der Nationalmannschaft in Berlin den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014.Vergrößern des Bildes
Auf dem Gipfel des Erfolgs: Benedikt Höwedes feiert mit der Nationalmannschaft in Berlin den Gewinn der Weltmeisterschaft 2014. (Quelle: Future Image/imago-images-bilder)

Zu hoher Druck, die Familie oder fehlender Ansporn: Die Gründe für einen frühen Rücktritt als Profifußballer können vielfältig sein – und stoßen am Ende selten bei allen Fans auf Anerkennung.

Vor knapp einer Woche habe ich, Benedikt Höwedes, mein Karriereende als Profifußballer bekanntgegeben.

Ich dachte, dass es mir einfach fällt, diesen Schlussstrich zu ziehen. Immerhin hatte ich selbst im Kopf längst mit meinem Leben als Fußballprofi abgeschlossen. Doch ich muss zugeben: Die unzähligen Nachrichten nach der Bekanntgabe von so vielen verschiedenen Menschen haben mich überwältigt. Und nicht nur das. Schon zuvor, je näher der Moment des Abschieds rückte, steigerte sich bei mir die innere Anspannung – ein Gefühl, wie ich es sonst nur vor wichtigen Fußballspielen empfand.

Diese Möglichkeit ist ein Privileg

Von vielen wurde ich für diesen endgültigen Schritt gelobt. Auch wenn einige Schalker sich wünschten, dass ich noch mal ein oder vielleicht zwei Jahre für den Verein aufgelaufen wäre. Und dann gab es noch die, die meine Entscheidung hinterfragten. Hinterfragten, dass ich so früh zurücktrat und gleichzeitig den Profifußball bei meinem Abgang kritisierte, obwohl ich doch jahrelang von dem System profitierte. Und ich kann sie verstehen – so, wie ich auch viele andere Meinungen zu meinem Rücktritt nachvollziehen kann.

Denn für viele Fußballfans, die täglich acht Stunden und mehr hart arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist es schwer nachzuvollziehen, dass ich bereits mit 32 Jahren aufgehört habe – obwohl ich vielleicht noch zwei oder sogar drei Jahre auf hohem Niveau für viel Geld hätte Fußball spielen können, im In- oder Ausland.

Ich weiß: Es ist ein Privileg, diese Möglichkeit zu haben.

Gibt es den perfekten Moment?

Und natürlich habe ich die anschließenden Diskussionen sehr genau verfolgt: Warum hören mit Schürrle, Wagner und Höwedes gleich drei Deutsche so früh auf?

Doch glauben Sie mir, ich habe lange darüber nachgedacht, welches der beste Zeitpunkt für mich persönlich ist, um aufzuhören. Die Frage ist: Gibt es dafür überhaupt den perfekten Moment? Sicher. Die Wochen nach dem WM-Erfolg 2014 wären ideal für einen Rücktritt gewesen. Aber ich war dafür einfach zu jung. Und nach einer sportlich erfolgreichen, aber für mich persönlich enttäuschenden Vereinssaison mit Juventus Turin – damals war ich häufig verletzt – entschied ich, dass es so nicht enden soll. Lieber änderte ich noch konsequenter meine Ernährung, wurde zum Veganer und spielte weiter.

Meine Familie musste auf vieles verzichten

Und schon jetzt, nur wenige Tage nach meinem Rücktritt, bin ich mir sicher, dass mich mein Gefühl nicht getäuscht hat: Für mich war es der ideale Moment – während der Corona-Pandemie –, um meine Karriere Revue passieren zu lassen. Und mich selbst zu fragen: Wer möchte ich sein? Was möchte ich mit meinem Leben nach meiner Karriere als Profifußballer anstellen?

Den Schlussstrich habe ich aber vor allem für meine kleine Familie, meine Frau und meinen Sohn, gezogen. Denn sie sind viele Jahre überall mit mir hingereist, um mich in Italien und Russland zu unterstützen. Leider konnten sie aber nicht immer bei mir sein. Insgesamt musste meine Familie selbst auf vieles verzichten.

Ich will nicht länger aus dem Koffer leben, während mein Sohn das Sprechen lernt. Seine ersten Schritte habe ich nur via Facetime mitverfolgen können.

Ich bin schon immer ein Mensch, der hinterfragt

Für mich ist und bleibt Fußball die schönste Nebensache der Welt, ich freue mich über all die Erinnerungen, Erfolge und die Wertschätzung, die mir entgegengebracht wurde. Doch ich bin schon immer auch ein Mensch, der Dinge hinterfragt. Und je älter und reifer ich wurde, desto ausgeprägter tat ich dies.

Der Fußball hat sich verändert, doch ich bin unfassbar dankbar dafür, dass ich das Glück hatte, aus meinem Hobby einen Beruf zu machen. Einen Beruf, in dem man im besten Alter plötzlich zum Rentner wird. Einen Beruf, der unglaublich viel Spaß macht.

Und so sieht mein neuer Alltag aus

Und nur eine Woche nach meinem Abschied schreibe ich nun diese Kolumne von meinem neuen Arbeitsplatz aus. Es ist nicht mehr der Fußballplatz, sondern ein Schreibtisch. Ich sitze vor meinem Laptop, meine Familie ist ganz in der Nähe, hier, in meiner Heimat Haltern am See. Wir haben heute als Team via Videocall Projekte für den DFB und den DOSB besprochen und möchten uns mit unserer Agentur, für die ich nun arbeite, für gesellschaftliche Kommunikation und Werte im Sport einsetzen. Ich bin also nicht nur in meine Heimat und zu meiner Familie zurückgekehrt, sondern bleibe auch dem Sport treu.

Ich freue mich auf die nächsten Monate, bevor ich im kommenden Jahr mein Studium des Sportmanagements bei der Uefa beginnen möchte.

Vielen Dank für all die Unterstützung in den letzten Jahren. Ich freue mich über alle, die auch zukünftig meine Kolumne auf t-online.de lesen oder die ich nach der Pandemie im Stadion treffe. Vielleicht können wir ja dann gemeinsam als Fans die Jungs auf dem Platz anfeuern.

Euer Benni

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