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Otto Addo im Interview: "Fall Özil" ist bei jungen Talenten kein Thema


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Otto Addo
"Fall Özil" ist bei jungen Spieler kein Thema

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 30.07.2018Lesedauer: 4 Min.
Fall Özil: Otto Addo (l.) sieht keine Nachwirkungen für die deutsche Nachwuchsarbeit.Vergrößern des Bildes
Fall Özil: Otto Addo (l.) sieht keine Nachwirkungen für die deutsche Nachwuchsarbeit. (Quelle: imago-images-bilder)

Noch immer erschüttert der Rücktritt Mesut Özils den deutschen Fußball. Entscheidet sich nun eine ganze Generation junger Talente mit Migrationshintergrund gegen die DFB-Elf? Ex-Bundesligastar Otto Addo, der bei Gladbach Talente-Trainer ist, hat dazu eine ganz eigene Meinung.

Als Spieler sorgte Otto Addo in den 90er- und 00er-Jahren für Furore und wurde 2002 mit Borussia Dortmund Deutscher Meister. Eine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft kam für ihn trotzdem nicht in Frage. Er entschied sich für Ghana, das Heimatland seiner Eltern.

Mittlerweile ist der gebürtige Hamburger Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach – und dort für den Übergang von Jugendtalenten in den Profikader zuständig. Für seine Schützlinge, von denen viele – wie er selbst – einen Migrationshintergrund beistzen, ist der 43-Jährige eine Vertrauensperson. t-online.de hat Addo im Trainingslager der Gladbacher in Rottach-Egern getroffen und mit ihm über die Folgen des "Fall Özil" gesprochen.

Herr Addo, Mesut Özil hat in seinem Statement zum Rücktritt aus dem DFB-Team gesagt: "Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, aber Einwanderer, wenn wir verlieren." Was würden Sie antworten, wenn einer Ihrer Schützlinge mit so einem Satz zu Ihnen kommen würde?

Das ist schwer zu sagen. Denn jeder Spieler hat seine individuellen Erfahrungen und Ansichten. Unabhängig von dieser konkreten Aussage gilt es, im "Fall Özil" zu unterscheiden. Da wird vieles in einen Topf geworfen: Die Kritik an seiner spielerischen Leistung bei der WM, die Kritik an dem Bild mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan – und natürlich die Art und Weise der Kritik.

Wenn sich diese auf die Herkunft seiner Eltern bezieht, geht das natürlich nicht. Ich kann verstehen, dass es für ihn schwierig ist, da zu differenzieren. Allerdings: Wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man mit Kritik rechnen und damit umgehen.

Ist der "Fall Özil" bei jungen Spielern denn überhaupt ein Thema?

Eher nicht. Obwohl einige sicherlich auch mal negative Erfahrungen gemacht haben: Natürlich gibt es Menschen, denen die Herkunft – solange es gut läuft – egal ist und die sich – wenn es schlecht läuft – auf einmal dafür interessieren. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass man als Mensch dazu neigt, einen einzigen derartigen Kritiker mehr zu beachten als zehn andere, die ihre Kritik sachlich äußern. Und normalerweise ist ein Großteil der Kritik sachlich.

Meinen Sie, dass der "Fall Özil" bei ihren Spielern, die zwei Pässe besitzen, das Zünglein an der Waage dafür sein könnte, sich gegen eine Karriere in der deutschen Nationalmannschaft zu entscheiden?

Nein, weil bisher so viele Beispiele das Gegenteil gezeigt haben. Klar setzen sich Spieler damit auseinander, aber am Ende entscheidet das Herz. Das kann natürlich schwierig sein – wie ich aus eigener Erfahrung weiß: Ich habe mit Deutschland und Ghana zwei Heimatländer. Aufgrund vieler negativer Erfahrungen in meiner Jugend habe ich mich frühzeitig entschieden, für Ghana zu spielen – und bereue das nicht.

Auf der anderen Seite fand ich es sehr gut, dass Gerald Asamoah sich für Deutschland entschieden hat. Weil das den Menschen damals gezeigt hat: Man kann auch schwarz und Deutscher sein. Er ist dadurch eine Identifikationsfigur geworden. Und ganz ehrlich: Wenn ich heute die Möglichkeit hätte, würde ich für Deutschland spielen. Es geht nämlich nicht nur um dich selber. Wie man bei Gerald gesehen hat, bewirkt so eine Entscheidung auch viel für andere.

Sie haben gerade die negativen Erfahrungen in der Jugend angesprochen. Können Sie etwas umreißen, was letztendlich den Ausschlag für Ihre Entscheidung gegeben hat?

Die ganz krassen Erfahrungen habe ich relativ früh in Hamburg, wo ich aufgewachsen bin, gemacht. Da wurden Freunde von mir wegen ihrer Hautfarbe verprügelt und wir wurden von Skinhead-Gruppen verfolgt. Als Jugendlicher habe ich mir daraufhin gesagt: Für Deutschland will ich nicht spielen.

Özil hat der DFB-Spitze Rassismus vorgeworfen und dabei DFB-Präsident Reinhard Grindel explizit hervorgehoben. Hat er Recht? Hat der DFB ein Rassismus-Problem?

Ganz generell finde ich es schwierig, eine Person rauszupicken und sie als stellvertretend für den ganzen DFB hinzustellen. Aber natürlich wird man besonders kritisch beäugt wird, wenn man an der Spitze einer so großen Organisation steht. Fakt ist: Der DFB engagiert sich mit aller Kraft gegen Fremdenfeindlichkeit. Das finde ich gut.

Aber es ist doch komisch, wenn Özil an einem Sonntag so drastische Vorwürfe erhebt und sich der DFB erst vier Tage später äußert. Hätte sich der Verband nicht früher äußern müssen?

Gerade in diesem Fall musste die Antwort des DFB wohlüberlegt sein, da die Außenwirkung so immens war. Deshalb hat man sich bei der genauen Wortwahl sicherlich Zeit genommen. Unter dem Strich ist das ein sehr sehr schwieriger Fall.

Özils Bruder Mutlu hat gesagt, dass es Rassismus in Deutschland schon immer gegeben habe und dass dieser nun zunehme. Wie haben Sie das damals als Spieler empfunden, wie empfinden sie es heute?

Im Fußball war das vor 20 Jahren viel viel schlimmer als heute. Als ich aktiv war, gab es Partien, in denen bei jeder Ballberührung von mir Affenlaute gemacht wurden. Auch Bananen wurden geschmissen. In der Zeit davor, in der Anthony Baffoe und Souleymane Sané gespielt haben, war das noch schlimmer. Danach ist es langsam abgeebbt, auch weil der DFB viele Maßnahmen dagegen ergriffen hat. Aber ich weiß von vielen Freunden, dass es in unteren Ligen teilweise immer noch so ist, man beleidigt wird und Rassismus dort einfach noch da ist.

Heutzutage merke ich teilweise noch, dass ich im Alltag anders behandelt werde als viele meiner Freunde. Und das sind einfach Erfahrungen, die viele Menschen mit einem Migrationshintergrund machen. Da fühlt man sich natürlich im ersten Moment nicht so behandelt, wie jeder andere. Eines darf man aber nicht vergessen: Ein ganz großer Teil der deutschen Bevölkerung ist nicht rassistisch und Fremden gegenüber sehr offen und hilfsbereit. Leider geht das viel zu oft unter. Und in meinem Fall stehen den negativen Erfahrungen vor allem sehr sehr viele positive gegenüber.

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