Kritik an Müller & Götze Beim FC Bayern brodelt es bereits seit Wochen
Die 0:4-Blamage des FC Bayern gegen Real Madrid im Halbfinale der Champions League ist weit mehr als nur eine unglückliche Pleite, als ein tragisches Scheitern kurz vor dem großen Ziel. Die Art und Weise offenbart Defizite, die es bereits seit einiger Zeit gibt. Verantwortlich dafür ist vor allem Pep Guardiola. Der 43-Jährige hat es geschafft, eine völlig intakte Mannschaft ausgerechnet zum Saisonhöhepunkt komplett aus dem Tritt zu bringen.
Egal was Guardiola während der Saison auch anstellte, es schien alles sofort zu funktionieren. Philipp Lahm war plötzlich der beste Mittelfeldspieler der Welt, Franck Ribéry verließ seine heißgeliebte linke Seite und dribbelte gekonnt durchs Mittelfeld, Rafinha hatte plötzlich einen Stammplatz und darf von der WM-Teilnahme für Brasilien träumen, und sogar Diego Contento durfte sich als Innenverteidiger ausprobieren.
Matthäus kritisiert Guardiola
Alle schwärmten dermaßen von Guardiola, dass man den Eindruck erhalten konnte, der Papst würde bald auch den Spanier heilig sprechen. Spätestens seit der Madrid-Pleite ist klar, dass auch der Bayern-Trainer nur ein Mensch ist und vor allem, dass er ein Gefangener seiner eigenen Ideen ist. Deutliche Kritik gab es bereits in der "Abendzeitung" von Lothar Matthäus. Guardiola habe durch seine Spieler-Rochaden "zu einer Verunsicherung der Mannschaft" beigetragen: "Es wurde zu viel rotiert. Dadurch haben einige den Rhythmus verloren."
Immerhin gibt der Gescholtene gewisse Fehleinschätzungen zu. Die größte war sicherlich, als er nach dem feststehenden Titelgewinn die Meisterschaft für beendet erklärt hatte und gegen den FC Augsburg eine bessere Reservetruppe auf das Feld schickte. Die Partie ging verloren, der Nimbus der Unbesiegbarkeit war weg und mit ihm schwand zusehends Spielfreude und Selbstvertrauen. Sinnbildlich dafür steht der enorme Leistungsabfall bei Franck Ribéry.
Jede Menge Konfliktpotenzial
Mit der Fehlbesetzung Toni Kroos/Bastian Schweinsteiger im zentralen Mittelfeld gegen das konterstarke Real Madrid leistete sich Guardiola gleich den nächsten gewaltigen Bock, der die Niederlage gegen die Königlichen einleitete. "Das war ein riesengroßer Fehler", gab Guardiola hinterher ehrlich zu.
Die Maßnahme zeigt auch, wie schwer sich der Bayern-Trainer tut, über seinen eigenen Schatten zu springen. Der lauf- und zweikampfstarke Javi Martinéz wäre der ideale Mann gewesen, die Attacken von Bale, Ronaldo und Co. zu stoppen. Doch Guardiola steht nicht wirklich auf die Qualitäten seines Landsmannes und ließ ihn wie so oft in dieser Saison zunächst draußen.
Müller nur Edelreservist
Ebenso wenig traut er der Spielweise von Mario Götze. Zwar ist der Ex-Dortmunder das anerkannt größte deutsche Fußballtalent seit Jahrzehnten, aber Guardiola hätte vor Saisonbeginn lieber Neymar verpflichtet. Götze wurde ihm stattdessen von den Klubverantwortlichen aufs Auge gedrückt. Die Folge: Götze ist nur Auswechselspieler. Auch mit Thomas Müller, weiß der Coach nicht wohin. In großen Spielen saß der Ur-Bayer stets draußen und verlor zuletzt sukzessive Lust und Form.
Dass es gewisse Unstimmigkeiten zwischen dem Trainer und diesem Trio gibt, verdeutlicht Guardiolas Aussage auf der jüngsten Pressekonferenz, drei Tage nach dem Real-Gau. Die Spieler müssen sich in den Dienst der Mannschaft stellen und nicht nach ihren eigenen Ideen agieren. Wenn sie dies nicht können, müsse man mit dem Verein reden.
Am Ende geht die Luft aus
Ihre Unzufriedenheit wirkt natürlich auf das gesamte Mannschaftsgefüge. Ebenso wie der Frust bei Ribéry über die eigene Formschwäche, der Frust Schweinsteigers über die Abschaffung der Doppelsechs, der Ärger Mario Mandzukics über die Lewandowski-Verpflichtung, die Eingeschnapptheit von Kroos über die mangelnde Wertschätzung, die darin Ausdruck findet, dass sein Vertrag noch nicht verlängert wurde. Am Ende geht die Luft aus
Die Klasse der Bayern reicht zwar aus, um Gegner wie Kaiserslautern im DFB-Pokal oder Braunschweig in der Liga auf Distanz zu halten, doch wenn es im internationalen Vergleich um die Wurst geht, muss alles zusammenpassen. Die sportliche Führung um Matthias Sammer und Guardiola hat es verpasst, für die entscheidenden Saisonphase eine eingespielte Mannschaft zu formen, in der jeder seine Rolle akzeptiert.
Unzufriedenheit kulminiert gegen Real
Und so waberte bereits seit längerem eine gewisse Unzufriedenheit über der gesamten Bayern-Mannschaft, Guardiola befeuerte diese, als er die Bundesliga für beendet erklärte und ein Alibi für zurückhaltende Leistungen gab. Am Ende gipfelte dieser Negativtrend in der höchsten Heimspiel-Niederlage der Münchner in der Champions League.