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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Der Fluch ist weg Das Horrorlos ist ein Glücksfall

Der FC Bayern schlägt seinen großen Rivalen klar und erreicht das Viertelfinale der Champions League. Fast noch wichtiger aber: Durch den Erfolg gegen Leverkusen ist eine Überzeugung zurück.
Aus Leverkusen berichtet Julian Buhl
Der Name des Mannschaftshotels, in dem der FC Bayern am Dienstagabend seinen Triumph im Achtelfinale der Champions League gegen Bayer Leverkusen feierte, war Programm. Der Rekordmeister residierte nämlich im noblen "Hyatt Regency" im benachbarten Köln. Genau dort zelebrierten die Münchner nach dem 3:0 vergangene Woche im Hinspiel in München nun auch ihren souveränen 2:0-Auswärtssieg.
Und damit eben auch endgültig die erfolgreiche Zurückeroberung der Regentschaft im deutschen Fußball. Nach zuvor sechs sieglosen Pflichtspielen gegen das Team von Xabi Alonso, das die Münchner in der vergangenen Saison als deutschen Meister entthront und auch noch den DFB-Pokal gewonnen hatte, waren das die ersten beiden Siege im direkten Duell gegen die aufmüpfigen Emporkömmlinge.
Wie wichtig diese für die Bayern und ihr speziell im vergangenen, titellosen Jahr angeknackstes Selbstverständnis waren, das ließ auch Vorstandschef Jan-Christian Dreesen bei seiner Bankettrede im Festsaal des Luxusdomizils durchklingen. "Wir haben vielleicht ein Stück weit die Statik im deutschen Fußball heute wiederhergestellt", sagte Dreesen.
Das sahen nach t-online-Informationen auch einige andere der obersten Klubbosse so. Der Tenor, der aus diesem Kreis zu vernehmen ist, lautet ganz klar: Wenn Bayern das deutsch-deutsche internationale Aufeinandertreffen mit Leverkusen verloren hätte, wäre dadurch auch der wahrscheinliche Gewinn der deutschen Meisterschaft definitiv entwertet worden. Denn Leverkusen wäre in der Wahrnehmung dadurch weiterhin die deutsche Nummer eins geblieben.
Umso süßer schmeckte der Triumph, auf den die Bayern bei ihrer Siegerparty bei Curry Velouté, Piri-Piri-Freilandhähnchen an Aji Verde, Portwein-Jus, mit Rot-, Weiß- sowie Roséwein und natürlich auch dem einen oder anderen Weißbier anstießen.
Vor einem knappen Monat hatten die Bayern noch Glück
Welche Bedeutung der 2:0-Sieg und das Weiterkommen für Bayern haben, betonte auch Sportvorstand Max Eberl schon unmittelbar nach Abpfiff. "Natürlich war es so, dass Xabi und Leverkusen als Gruppe in den letzten über 18 Monaten wirklich Herausragendes geleistet haben", sagte Eberl angesprochen auf Bayerns sechs sieglosen Pflichtspiele und den über zwei Jahre anhaltenden Bayer-Fluch.
"Aber jetzt sind wir wieder da", stellte Eberl weiter fest und betonte das "wir" dabei energisch. "Wir sind Erster in der Bundesliga mit acht Punkten vor, wir sind in den letzten Acht in Europa in der Champions League und haben Leverkusen dabei verdient geschlagen", so der 51-Jährige. "Der Fluch, wenn er da gewesen ist, ist vorbei."
Es ist nicht einmal vier Wochen her, da war die Ausgangslage der Bayern noch eine ganz andere. Am 15. Februar hatten sich die Münchner ein überaus glückliches 0:0 an gleicher Stelle gegen hochdominante Leverkusener erduselt, die in dieser Partie gleich zweimal die Latte trafen und durch Florian Wirtz in der Schlussphase die Riesenchance zum Siegtreffer vergaben. Dass die Bayern damit ihren Acht-Punkte-Vorsprung als Tabellenführer der Bundesliga behaupteten und einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Meisterschaft machten, war an diesem Abend so ziemlich das einzig Positive aus ihrer Sicht.
Dem wahrscheinlichen deutschen Meistertitel, auf den die Münchner weiter klar zusteuern, haftete damit auch der Makel an, dass die Bayern die Leverkusener in dieser Saison zumindest im direkten Duell nach dem 1:1 im Hinspiel und dem 0:1 im Achtelfinale des DFB-Pokals trotzdem erneut nicht schlagen konnten.
"Das ist schon beeindruckend"
Unter den Eindrücken des dominanten Bayer-Auftritts beim 0:0 in Leverkusen wurden die Bayern nach der Auslosung des deutschen Champions-League-Duells von so manchem Experten gar zum Außenseiter erklärt. Die haben die Münchner mit ihrem souveränen Weiterkommen nun eines Besseren belehrt. Die Möglichkeit, Leverkusen doch noch sogar zweimal besiegen zu können, war für die Münchner im Nachhinein ein Glücksfall.
Auch für Cheftrainer Vincent Kompany, bei dem es zuvor noch so schien, als habe er in Xabi Alonso seinen Meister gefunden. Das war für den Belgier besonders brisant, weil der Spanier im Sommer der eigentliche Wunschkandidat für den Trainerjob in München war. Dass Kompany Alonso nun doch noch gleich zweimal schlagen konnte, tut auch ihm und seinem Standing bei Bayern besonders gut. Dem 41-Jährigen gelang damit gewissermaßen sein ganz persönliches Meisterstück.
In den beiden Champions-League-Duellen ging es schließlich um nicht weniger als die Vorherrschaft im deutschen Fußball. Dass Leverkusen sich die im vergangenen Jahr verdient hatte und die beste deutsche Mannschaft war, das wollte Joshua Kimmich gar nicht erst kleinreden. "Gerade, wenn man sieht, dass Leverkusen die Saison spielt, ohne ein Spiel zu verlieren, das haben wir in zehn Jahren noch nicht geschafft. Das ist schon beeindruckend", sagte Kimmich. "Dementsprechend war das schon wichtig für uns, jetzt auch beide Spiele zu gewinnen."
Damit wollen sich die Bayern nun aber natürlich nicht zufriedengeben. Direkt als Dreesen das Mikrofon für seine Rede überreicht und von Stadionsprecher Stephan Lehmann das Wort erteilt bekam, nahm er schon das nächste Ziel ins Visier. Dreesen bedankte sich dafür nämlich auf Italienisch mit den Worten: "Mille grazie." Damit richtete er noch in dem am Kennedy-Ufer und mit Blick auf den Kölner Dom gelegenen Mannschaftshotel den Blick in Richtung Mailänder Dom und sprach von einem "wirklich schweren Brocken", den es für die Bayern als Nächstes aus dem Weg zu räumen gilt.
Gegen Inter Mailand mit dem Hinspiel in München und dem entscheidenden Rückspiel in der italienischen Metropole steht Anfang April nun nämlich das Viertelfinale an. Im Halbfinale könnte es danach zum Wiedersehen mit Sextuple-Trainer Hansi Flick und dem FC Barcelona kommen. Das ist der Königsweg, den die Bayern in der Königsklasse auf dem Weg zu ihrem großen Ziel jetzt beschreiten wollen: dem Finale am 31. Mai in der Münchner Arena. Die nationale Regentschaft ist für die traditionell hohen Ansprüche der Bayern schließlich längst nicht genug.
- Reporter vor Ort
- Mixed-Zone-Gespräche mit Max Eberl und Joshua Kimmich
- Bankettrede von Jan-Christian Dreesen