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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Diskussionen um die Nummer eins Neuer und die Frage: Brauchen die Bayern ihn noch?
Manuel Neuer wird beim Liga-Auftakt des FC Bayern wohl nicht im Tor stehen. Deswegen ist die generelle Zukunft des Kapitäns im Klub unklar.
Der FC Bayern kommt auch in der Vorbereitung zur neuen Saison nicht zur Ruhe. Die vielen Diskussionen um eine Verpflichtung von Harry Kane, Uli Hoeneß, der mit seinen Aussagen für etwas Unruhe sorgt – und dann die Meldung, dass Manuel Neuer nicht rechtzeitig zum Saisonstart fit wird.
"Ich glaube, dass der Punktspielauftakt und der Supercup ein zu ambitioniertes Ziel ist", sagte Trainer Thomas Tuchel am Wochenende. Dabei zeigte sich Neuer im Zuge seiner Reha nach außen hin noch kämpferisch und optimistisch.
Wie geht es also weiter? Sollte Manuel Neuer wirklich erst im September offiziell fit werden, befindet sich die Mannschaft bereits mitten im Wettkampfmodus. Die Integration eines Torhüters, in dem Fall Neuer nach dann sehr langer Pause, könnte – trotz seiner Erfahrung – kompliziert werden.
Sollten die Bayern also weiter auf ihre etatmäßige Nummer eins setzen?
Gerade Neuer hat nach seinem Wechsel vom FC Schalke zu Bayern München im Sommer 2011 das Torwartspiel national wie international beeinflusst. Man erinnere sich an legendäre Partien wie das Achtelfinale der deutschen Nationalmannschaft gegen Algerien bei der WM 2014, als Neuer in Manier eines sogenannten "Sweeper Keeper", also Torwart-Ausputzers, vielfach hinter der Abwehrkette die Bälle klären konnte.
Dieses Spiel zeigte er auch regelmäßig bei den Bayern – und offensiv denkende Trainer wie Hansi Flick und Julian Nagelsmann vertrauten darauf, dass Neuer notfalls hinter den hochstehenden Verteidigern die eine oder andere Situation auch außerhalb seines Strafraums mit dem Fuß statt mit den Händen bereinigen würde.
Bayern verteidigt unter Tuchel konservativer
Selbst in der Hinrunde der Saison 2022/23 gehörte Neuer noch immer zu den besten Torhütern in den europäischen Top-Ligen. Im Durchschnitt zeigte er defensive Aktionen, also alles abseits des klassischen Torwartspiels, fast 18 Meter vor der Torlinie. Mithalten können in dieser Wertung nur wenige – unter anderem Liverpool-Torwart Alisson Becker. Yann Sommer hingegen als Neuer-Vertreter verließ den eigenen Strafraum viel seltener. Und es ist auch nicht unbedingt Teil des taktischen Konzepts von Cheftrainer Tuchel, dass die Abwehrreihe weit vorn steht, sodass der Torwart gezwungenermaßen eingreifen muss.
In Abwesenheit von Neuer wurde das Verteidigungsspiel der Bayern – auch wegen des Trainerwechsels von Nagelsmann zu Tuchel – etwas konservativer. Es wird mittlerweile mehr Wert auf Absicherung hinter dem Ball gelegt. Sollte nun Neuer auch zum Saisonstart fehlen und ein Comeback bei nahezu voller Leistungsstärke nicht seriös zu terminieren sein, so müsste sich der FC Bayern wohl gänzlich davon verabschieden, dass der Torwart als Ausputzer fungiert. Dann ginge es vorrangig um klassische Torwart-Fähigkeiten im Duell zwischen Neuer und Sommer.
Neuer hat bessere Torwart-Werte
In dieser Hinsicht hatte zumindest Neuer vor seiner Verletzung die Nase vorn. Berechnen wir Sommers Hinrunde für Borussia Mönchengladbach, in welcher der Schweizer teils übermenschlich wirkte, mit ein, so war Neuer immer noch der stärkere Tor-Verhinderer. Dafür gibt es den sogenannten "Post-Shot xG", der berechnet, wie wahrscheinlich ein Treffer bei einem Schuss war. Ziehen wir vom Gesamtwert der zu haltenden Schüsse die real kassierten Tore ab, so würde ein positiver Wert dafür sprechen, dass der Torwart überdurchschnittlich gut darin war, Treffer zu verhindern.
Neuer hatte laut Statistikportal "FBref.com" in der Hinrunde einen Wert von +0,31 pro Partie, während Sommer über die gesamte Saison hinweg "nur" auf +0,08 pro Partie kam.
Der große Knackpunkt ist jedoch die Verletzung Neuers und wie sich diese auf sein Leistungsvermögen auswirken könnte. In jedem Fall sollte Bayern in Anbetracht der personellen Optionen in der anstehenden Saison die Torhüter vor allem traditionell einsetzen und zudem auf deren Beteiligung im Spielaufbau vertrauen, wobei Neuer auch eine deutlich bessere Passgenauigkeit als Sommer aufweist.
Würde der langjährige Bayern-Torwart wieder zu alter Stärke finden, könnte er ab September oder im Laufe des Herbstes immer noch die Position im Bayern-Kasten übernehmen.
- Eigene Recherche