Newcomer des FC St. Pauli Roland Vrabec stehen plötzlich viele Türen offen
Von Jörg Runde
Am Wochenende beendet die 2. Liga ihre Winterpause. Vor den letzten 15. Spieltagen der Saison stellt t-online.de besondere Trainer-Typen vor, die mit ihren Klubs den Aufstieg im Visier haben. Teil 1 ist Roland Vrabec vom FC St. Pauli gewidmet.
An diesem Frühjahrsnachmittag an einem kleinen Ecktisch im Café Mirador im Frankfurter Stadtteil Bornheim dreht sich alles nur um Fußball. Die Spielsysteme des FC Barcelona, Bayern München, Borussia Dortmund und Arsenal London sind das Thema. Es geht um Positionsspiel, Gegenpressing und lange Ballbesitzphasen. Auch die Frage ob die "Raute", die "flache Vier", ein "4-1-4-1", "4-2-3-1" oder der "Tannenbaum" die beste Grundordnung auf dem Platz ist, wird diskutiert. Roland Vrabec erklärt geduldig, seine Antworten machen die scheinbar so komplizierte Sportart Fußball wieder zu dem, was sie eigentlich ist: Ein einfaches Spiel.
Ein Spiel, von dem der gebürtige Frankfurter seit seiner Kindheit begeistert und fasziniert ist. SpVgg 05 Oberrad und SG Croatia Frankfurt sind seine Stationen als Spieler, für mehr als die Oberliga Hessen hat es für den heute 39-Jährigen nicht gereicht. Vielleicht wäre der Mittelfeldspieler Vrabec noch die eine oder andere Liga höher geklettert, hätte ihn nicht frühzeitig der Trainervirus befallen. Schon mit 26 hört Vrabec auf zu kicken und verfolgt fortan nur noch ein Ziel: In seinem Traumberuf den Durchbruch schaffen.
Vrabec studiert Sportwissenschaft an der Uni Frankfurt und sichert sich nebenbei die verschiedenen Trainerlizenzen. Beim FSV Frankfurt trainiert er Jugendmannschaften, bis ihn Jürgen Klopp 2009 zum FSV Mainz 05 holt. Auch da arbeitet Vrabec erfolgreich im Nachwuchsbereich. Den Fußballlehrer-Lehrgang schließt Vrabec 2010 mit der Note 1,7 ab. Mit in seinem Kurs ist Christian Ziege. Der Cheftrainer der U-18-Junioren des DFB lockt seinen Kurskameraden schließlich als Assistent an seine Seite. Ein Job, der Vrabec viel Spaß macht, der ihn aber nicht ausfüllt.
Lehrstunden bei Kaffee und Kuchen
Der ehrgeizige Fußballlehrer will mehr und er weiß genau, dass er mehr drauf hat. Was in der Theorie so schlüssig klingt, will er auf den Rasen bringen. So geduldig er auch erklärt, so sehr nervt es ihn, dass er überhaupt Zeit hat für zwei Lehrstunden bei Kaffee und Kuchen.
Vrabec hat keine Lust mehr auf DFB-Lehrgänge und die langen Jobpausen. Er will jeden Tag auf dem Platz stehen, mit seiner Mannschaft arbeiten, ihr seine Handschrift verpassen. Mit ambitionierten Drittliga-Klubs hat er gesprochen, auch bei Zweitligisten war und ist er ein Thema. Immer mal wieder hat Vrabec einen Fuß in der Tür, nur aufgehen will für ihn einfach keine.
Er ist ein emotionaler Typ. Es brodelt so sehr in ihm, dass er die Türen am liebsten alle auf einmal eintreten würde. Hauptsache, es klappt mit dem Trainerjob im Profifußball.
In den rund zehn Monaten nach dem Gespräch ist Vrabec gleich durch mehrere Türen gegangen, wenn er so weitermacht, werden vermutlich weitere aufgehen. Nicht wenige trauen ihm eine große Trainerkarriere zu.
Direkt zu den Profis
Aber der Reihe nach. Seine Bewerbung für den Trainerposten der U23 des FC St.Pauli hinterließ im Sommer 2013 einen so starken Eindruck, dass Geschäftsführer Rachid Azzouzi und Cheftrainer Michael Frontzeck ihn gleich als Assistenten zu den Profis holten.
Nach Frontzecks Rauswurf wegen Differenzen mit der Klubführung wurde Vrabec zunächst St.Pauli-Trainer auf Probe. Ein paar gute Spiele unter seiner Leitung später unterschrieb er einen ersten Vertrag als Cheftrainer im Profibereich. Bis 2015 läuft der Kontrakt. "Wir sind von seinen Fähigkeiten absolut überzeugt", lobte Azzouzi seinen neuen Coach immer wieder.
Vrabec bezeichnet den Vertrag heute als "schönstes Weihnachtsgeschenk". Und auch die Spieler sind begeistert. Schon als Assistent genoss er bei Fin Bartels und Co. allerhöchste Wertschätzung. Da sich Chef Frontzeck eher als Supervisor sah und nur die Trainingsschwerpunkte vorgab, ansonsten seinem Co-Trainer die Übungen überließ, bewegte sich Vrabec ohnehin schon mitten drin im Geschehen. Jetzt ist er für das große Ganze verantwortlich. "Unser Trainer macht ein Supertraining und er hat eine sehr gute Ansprache an die Mannschaft. Das kommt gut an", lobt ihn Bartels.
Seine Bilanz kann sich sehen lassen
Mit seiner Spielphilosophie passt Vrabec zum FC St.Pauli. Er steht für mutigen, flexiblen Offensivfußball. Für sein Team bevorzugt er das Spiel mit Doppelspitze und der Rauten-Formation im Mittelfeld. Festlegen will er sich aber nicht: "Die Grundordnung kann sich immer mal wieder ändern. Wichtig ist, dass wir aggressiv und konsequent nach vorne spielen."
Seine bisherige Bilanz kann sich sehen lassen. Vier Siege und nur zwei Niederlagen haben St. Pauli zu einem echten Aufstiegsaspiranten werden lassen. "Darüber mache ich mir aber keine Gedanken. Wir wollen uns erst einmal fußballerisch verbessern und insgesamt stabiler werden. Wenn wir fünf Spieltage vor Saisonende noch oben dabei sind, werden wir natürlich alles tun, um den Aufstieg zu schaffen", stapelt Vrabec bewusst tief.
Er ist überzeugt vom Potenzial seiner Mannschaft, will sie aber nicht unnötig unter Druck setzen. "Ein Aufstieg, der zu früh kommt, kann auch zur Belastung für eine Mannschaft und auch einen Verein werden", sagt er. Die Beispiele Eintracht Braunschweig und Greuther Fürth stehen stellvertretend dafür.
Jetzt geht das Trainerleben richtig los
Gemeinsam mit Manager Azzouzi will Vrabec sein Team weiterentwickeln, der Angriff auf die 1. Liga ist für 2014/2015 geplant. Daran, dass er dabei eine Hauptrolle einnehmen wird, steht für ihn außer Frage. "Für mich geht doch das Trainerleben jetzt erst richtig los."
Vrabec will seinen Traum nun ausleben, mit allem was dazugehört. In der Medienstadt Hamburg bedeutet das auch, dass er fast immer ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet ist. Wegen seiner Sympathie für die Spielweise des FC Barcelona vergleicht ihn der Boulevard bereits mit Pep Guardiola. Sein Bekenntnis zur pflegeleichten "Kurzhaarfrisur" bleibt dabei natürlich nicht unerwähnt.
"Ich weiß, dass, wenn es einmal nicht so läuft, so einiges auf mich zukommt. Ich nehme das aber ganz gelassen. Vielleicht bin ich auch etwas blauäugig, aber ich bin halt überhaupt kein vorsichtiger Typ", sagt Vrabec.
Weniger Zeit als in Frankfurt
Genau das schätzen auch seine besten Freunde an ihm. Sie bezeichnen ihn als ehrliche Person, auf die man sich zu einhundert Prozent verlassen kann, leidenschaftlich und immer geradeaus.
Solche Leute mögen sie beim Kiezklub. Vrabec ist einer von ihnen, dass er mit seiner Frau und den beiden Söhnen mitten im Hamburger Schanzenviertel wohnt, kommt bei den Fans gut an. Er ist ein Trainer zum anfassen. Beim Bäcker oder in der Kneipe bleibt er nicht mehr unerkannt. Vrabec gefällt das, er spricht gern mit den Leuten. Es geht auch hier meistens um Fußball. Nur so viel Zeit wie in im vergangen Frühjahr in Frankfurt hat er zum Glück nicht mehr.