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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuer Nachtmanager "Mir selbst fehlt das Nachtleben sehr"
Stuttgart hat einen neuen Nachtmanager – und obwohl es im Moment kein Nachtleben gibt, sieht der nicht alles negativ. Für Nils Runge hat die Stadt mehr zu bieten, als auf den ersten Blick auffällt.
Im Interview spricht Nils Runge, seit wenigen Wochen Nachtmanager der Stadt Stuttgart, über seine Ziele für die Stadt, die Tragik der Krise für die Clubbetreiber und darüber, welche Chance die Pandemie trotz allem bietet.
t-online: Was hat Sie dazu motiviert, Nachtmanager werden zu wollen?
Nils Runge: Das Stuttgarter Nachtleben ist schon lange Teil meines eigenen Lebens und hat mich auch während des Studiums immer begleitet. Ich habe selbst viele Veranstaltungen auf die Beine gestellt, kleine Partys organisiert, Kooperationen mit den unterschiedlichsten Akteuren angestoßen, habe aufgelegt und Musik gemacht. Nach dem Studium habe ich als Projektleiter für Medientechnik auf Großveranstaltungen gearbeitet. Das hat Spaß gemacht und ich habe viel gelernt – trotzdem habe ich gemerkt, dass mir das Nachtleben fehlt.
Waren Sie von dem großen Zuspruch bei der Wahl überrascht?
Ja, denn die Konkurrenz war enorm groß, es waren tolle Kandidatinnen und Kandidaten dabei. Vor allem hatte ich nicht damit gerechnet, im Öffentlichkeits-Voting auf Platz 3 zu landen. Das hat mich angespornt. Als ich die telefonische Zusage bekommen habe, war ich zunächst einfach sprachlos.
Was machen Sie als Nachtbürgermeister eigentlich konkret? Sitzen Sie viel am Schreibtisch oder mischen Sie sich selbst unter die Nachtschwärmer?
Das ist natürlich derzeit besonders schwierig zu beantworten, weil die Betriebe durch Corona geschlossen sind. Mir selbst fehlt das Nachtleben sehr. Ich würde mich gerne bei den Clubbetreibern vorstellen. Aktuell konzentriert sich die Arbeit sehr auf Telefonate, Videokonferenzen und Konzeptentwicklung.
Nach Corona wird es wohl eine Mischung aus beidem werden: Man spricht vor Ort mit den Akteuren, holt sie ab, versucht, ihre Meinung zu verstehen, aber auch die Sicht der Verwaltung darzustellen. Gleichzeitig spinnt man die Ideen am Schreibtisch weiter. Der Mannheimer Nachtbürgermeister hat mir berichtet, dass er mitunter bis 5 Uhr morgens am Tresen von Bars gesessen ist und Verträge verhandelt hat.
Worin bestehen Ihre ersten Amtshandlungen?
Es geht erst einmal darum, ein Konzept zu etablieren und Ziele zu definieren. Ich will möglichst viele Akteure einbinden. Gerade habe ich mit dem Verein Wildwasser e.V. telefoniert, der sich für Opfer sexualisierter Gewalt einsetzt. Dabei ging es um die Frage, wie man das Nachtleben sicherer machen kann.
Ich spreche mit dem Leiter der Kommunalen Kriminalprävention, natürlich auch mit der Gastro- und Clubszene, mit der Politik, mit der Verwaltung. All diese Gespräche fließen in das Konzept mit ein.
Ist es nicht undankbar, den Job mitten in der Pandemie antreten zu müssen?
Das ist Fluch und Segen zugleich. Vielen Clubs und Gaststätten fehlt derzeit die Perspektive, finanziell läuft es nicht gut. Es kann aber auch eine Chance sein. Gerade die Politik ist derzeit gesprächsbereit, die Relevanz des Themas Nachtwirtschaft scheint ihr durch Corona bewusster geworden zu sein. Bei aller Tragik haben wir jetzt die Chance, an einem schönen Stuttgarter Nachtleben nach Corona zu arbeiten.
Wie steht das Stuttgarter Nachtleben denn im Vergleich mit anderen Städten da?
Vergleiche mit anderen Städten sind immer schwierig. Jede Stadt ist anders, hat eine eigene Gesellschaft und ihren eigenen Schwerpunkt. Mir geht es darum, herauszuarbeiten, was Stuttgart kann. Die Stadt hat ein vielfältiges und einigermaßen großes gastronomisches und clubbezogenes Angebot.
Dagegen gibt es eher wenige alternative Flächen, wenige kleinere Konzert-Venues. Mir geht es darum, die bestehende Vielfalt zu stärken und vielleicht hier und da noch eine Schippe draufzulegen, damit Stuttgart noch mehr in den Fokus rückt. Die Stadt hat von edlen Bars bis hin zu Eckkneipen einiges zu bieten – oft fällt das erst auf den zweiten Blick auf.
Schauen wir fünf Jahre nach vorn. Wie müsste sich das Nachtleben entwickeln, damit Sie Ihren Job als erfolgreich bezeichnen könnten?
Grundsätzlich soll das Nachtleben vielfältig und sicher sein. Ich will dazu beitragen, die Szene zu stärken und sicher aus der Krise zu führen, zum Beispiel durch Slow-Opening-Konzepte. Persönlich wünsche ich mir, dass das interne Netzwerk der Clubs, das Club Kollektiv, noch stärker zusammenwächst und der Austausch zwischen Clubbetreibern und Politik noch besser wird.
Wichtig ist auch eine Studie zur Nachtökonomie. Denn auch wenn es zunächst seltsam klingt, muss man die Nachtwirtschaft messbar machen. So kann man Entscheidern verdeutlichen, wie wichtig und relevant sie ist.
- Telefoninterview mit Nils Runge