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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Ukraine-Flüchtlinge und die Bürokratie "Es ist alles verwirrend. Hier sagen sie dir nichts"
Ukrainische Kriegsflüchtlinge werden auch in Leipzig willkommen geheißen. Doch im Rathaus kann man ihnen oft gar nicht helfen. Einige haben zudem das Gefühl, dass sie absichtlich schlechter behandelt werden als der Rest.
Jeden Morgen um 9 Uhr bildet sich eine Menschentraube vor dem Neuen Rathaus in Leipzig. Hier hat die Stadt Leipzig ihr "Welcome Center" eingerichtet. Die Menschen, die sich dort versammeln, sind vor Krieg und Gewalt in der Ukraine nach Deutschland geflohen. Doch nur wenige erhalten einen Termin zur Registrierung. Die wiederum benötigen sie, um Sozialleistungen, wie zum Beispiel Geld für Essen zu erhalten. Die Kapazitäten im Leipziger Welcome Center sind beschränkt.
Auch am Donnerstag müssen mehr als hundert Flüchtlinge unverrichteter Dinge wieder abziehen. Kurz nach 12 Uhr leert sich der Platz deutlich. Nur 77 Leute hätten es heute auf die Liste für einen Termin geschafft, berichten mehrere der Abgewiesenen übereinstimmend. Anna S. hatte Glück: Ihr Name steht auf der Liste.
Flüchtlinge aus der Ukraine in Leipzig: Nicht für jeden Platz
Sie ist aus Khmelnytski in der Westukraine nach Deutschland geflohen. Trotz der wärmenden Sonne trägt sie einen langen, dunklen Wintermantel mit Kapuze. Sanft schiebt sie ihren Kinderwagen vor und zurück, darin schläft ein Baby, eingekuschelt in eine dicke Decke.
Hinter Anna spielt ein Junge mit einem Pogo-Stick, ein anderer kurvt mit einem Kettcar über den Platz. Die Spielzeuge hat das Jugendamt in einem Laster für die Kinder der Wartenden bereitgestellt. Und es gibt hier viele Kinder zu sehen.
"Wir sind froh, dass wir es hineingeschafft haben. Gestern kamen wir nicht dran", erzählt Anna. Was als Nächstes passiert, weiß sie nicht. "Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht", sagt sie ratlos. Sie hofft, dass man im Rathaus Antworten für sie hat.
Wenn man fragt, wiederholt sich diese Geschichte unter den Wartenden. Die meisten sind ähnlich hilflos. Sie wissen nichts – außer, dass sie täglich ab 9 Uhr zum Rathaus kommen können. Nicht, was sie benötigen. Nicht, was mit ihnen passieren wird. Sie alle wollen sich richtig verhalten, doch niemand sagt ihnen, was das bedeutet. Die Orientierungslosigkeit ist geradezu greifbar.
Aufnahme von Flüchtlingen in Leipzig: "Hier sagen sie dir nichts"
"Es ist alles nur verwirrend", sagt Mohammed Bin. Er war Arzt in Kiew. Er spricht hervorragend Deutsch. Schon lange hatten er und seine Frau das Ziel, nach Deutschland zu ziehen, um in Bayern eine Praxis zu eröffnen. Alles Nötige war in die Wege geleitet. Dann kam der Krieg. Nun hat Putins Aggression ihr Leben und das ihrer Freunde und Kollegen gewaltvoll entwurzelt.
"Ein Freund von mir hat sich in Hamburg einfach registrieren können", erzählt Mohammed aufgebracht. "Aber hier sagen sie dir nichts. Heute wollten sie plötzlich eine permanente Adresse von mir. Woher soll ich die haben? Ich bin gerade erst angekommen!" Wenigstens hat er Freunde in Leipzig, die ihm helfen, sagt er.
Die Angst, als illegaler Einwanderer abgestempelt zu werden
Andere haben weniger Glück. Saed Mohammad ist schwarz, er kommt ursprünglich aus Libyen. Seit mehreren Jahren studiert er in der Ukraine, berichtet er – und musste nun fliehen.
Er erzählt, wie er bei seiner Ankunft in Dresden am Bahnhof von der Polizei aufgegriffen wurde. Handy und Pass habe man ihm abgenommen. Eine Nacht habe er in einer Zelle verbringen müssen. Dann schickte man ihn nach Leipzig, sagt er. Doch das Dokument mit seinem Namen und Foto darauf, das ihm die Dresdener Polizei gab, wird hier nicht akzeptiert. "Ich weiß nicht, was ich tun soll", klagt er verzweifelt, "Ich werde morgen wiederkommen. Was kann ich sonst machen?"
Seine Chancen stehen nicht gut. Zwei weitere afrikanische Studierende aus der Ukraine sitzen mit hängenden Köpfen neben dem Eingangsportal. Sie hatten gerade ihren Termin. Doch als sie ihre Aufenthaltstitel und Meldebescheinigungen für die Ukraine vorlegten, seien sie abgewiesen worden, sagen sie. Mit Menschen ohne ukrainischen Pass könne man sich derzeit nicht beschäftigen. Sie müssen warten, aber niemand sagt ihnen, wie lange.
Die beiden haben das Gefühl, dass sie schlechter behandelt werden als die weißen Flüchtlinge. Ihre Angst ist groß, als illegale Einwanderer abgestempelt zu werden. "Wir sind geflohen wie alle anderen auch", meint einer von ihnen, seine gelbe Mütze in den Händen wringend. "Was hätten wir denn tun sollen? Wir mussten weg. Die Bomben fragen nicht nach deinem Pass."
- Besuch des "Welcome Center" in Leipzig