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Psychologe: Die AfD profitiert stark von Ressentiments


Wahlergebnisse
Psychologe: Die AfD profitiert stark von Ressentiments

Von dpa
15.06.2024Lesedauer: 3 Min.
Der Psychologe und Sozialforscher Oliver DeckerVergrößern des Bildes
Elmar Oliver Decker, Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts. (Quelle: Annette Riedl/dpa/dpa-bilder)
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Bei den Europa- und Kommunalwahlen hat die AfD in Sachsen die CDU klar geschlagen. Seither wird nach Erklärungen gesucht, warum die AfD gerade in Ostdeutschland auf so viel Resonanz stößt.

Der Leipziger Psychologe und Sozialforscher Oliver Decker führt die aktuell hohen Zustimmungswerte der AfD in Ostdeutschland auf einen Groll in der Bevölkerung zurück. "Die AfD profitiert derzeit stark von Ressentiments. Die sind in der Bevölkerung stark ausgeprägt. Es gibt einen Groll, ein Gefühl, ungerecht behandelt zu werden", sagte der Professor im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Dieses Phänomen lasse sich schon seit längerer Zeit beobachten. Momentan sei es wahlentscheidend.

Decker zufolge haben die anderen Parteien nicht allzu viel Einfluss darauf. Die Möglichkeiten, die Stimmung zu kippen, seien begrenzt. Die Wähler träfen ihre Entscheidung danach, was ihnen momentan am wichtigsten ist. Früher seien das einmal die Bildungspolitik, die Umwelt oder die Wirtschaftspolitik gewesen. Der Wind werde sich vermutlich erst drehen, wenn Themen auftauchten, die für die Wähler relevanter sind als Ressentiments. "Etwa wenn bei einer Naturkatastrophe Kompetenzen gefragt sind, die die AfD definitiv nicht besitzt."

Nach den Worten von Decker - Direktor des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts für Demokratieforschung an der Universität Leipzig - stellt sich die momentane Lage für die sächsische CDU unübersichtlich dar. Die Parteienlandschaft habe sich immer mehr ausdifferenziert. Schon vor der Europawahl sei in Umfragen deutlich geworden, dass es eine ganze Reihe von Kleinstparteien gibt, die es nicht über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, aber dennoch insgesamt deutliche Stimmenanteile verbuchen und damit Stimmen abziehen. Nach dem üblichen Auszählungsverfahren könnte das bedeuten, dass eine Partei auch mit 40 Prozent die Mehrheit der Parlamentssitze erringen kann.

Derzeit lässt sich nach Ansicht von Oliver Decker jedoch nicht sagen, ob sich bei der Landtagswahl am 1. September das CDU-Ergebnis bei der Europawahl mit einem Rückstand von zehn Prozentpunkten auf die AfD wiederholt. Wahrscheinlich sei aber, dass die Afein besseres Wahlergebnis einfährt als die CDU. Das müsse aber für die Union kein großes Unglück sein. "Wir haben kein Zugriffsrecht der stärksten Partei auf die Regierungsbildung. Sie vollzieht sich erst nach einem Aushandlungsprozess." Denkbar sei durchaus, dass die Grünen und die SPD die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und als potenzielle Koalitionspartner wieder zur Verfügung stehen.

Ein Fragezeichen sieht Decker noch hinter dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Die Absage von CDU-Bundeschef Friedrich Merz an eine Zusammenarbeit mit dem BSW habe bei den ostdeutschen CDU-Landeschefs Kopfschütteln ausgelöst. Es sei aber verständlich, wenn sie momentan distanziert auf diese Partei schauten. "Manches ist noch unklar, auch was die personelle Situation betrifft. Kann man überhaupt von einem regierungsfähigen BSW ausgehen?", fragte der Wissenschaftler. Nach dem 1. September gehe es darum, welche demokratischen Parteien eine Regierung bilden. "Da ist man nicht gut beraten, eine Partei von vornherein auszuschließen, auch wenn sie noch keine klaren Konturen zeigt."

Decker hält nichts von der Ansicht, die AfD würde sich im Fall einer Regierungsbeteiligung selbst entzaubern. "Wir haben es mit einer Partei zu tun, die in all ihren Äußerungen sehr deutlich erkennen lässt, dass sie zwar auf die demokratische Legitimation schielt, aber keinesfalls eine demokratische Partei ist. Ich würde bei der AfD nicht darauf wetten, dass sie ohne Probleme Machtmöglichkeiten bei einer nachfolgenden Wahl einfach aufgibt. Das kann man bei vielen rechtspopulistischen Bewegungen sehen." Auch viele Exponenten der AfD würden wohl eher von Wahlbetrug sprechen, als Macht wieder abzugeben.

In der Zwischenzeit habe die AfD aber die Möglichkeit, viel zu zerstören. "Sie ist keine Partei mit einem hohen Gestaltungswillen und sagt selbst, dass sie aufräumen will. Etwas kaputtzumachen ist viel leichter, als etwas aufzubauen", sagte Decker. Nach einer Regierungsbeteiligung der AfD würde man viele Jahre brauchen, um zerstörte Strukturen wieder aufzubauen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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