Riesiges Feuer in Brandenburg Anwohner entsetzt: "Das kann doch nur Brandstiftung sein"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Brandenburg und Sachsen wütet ein riesiger Waldbrand. Die Menschen vor Ort haben Angst um ihre Häuser. Einige helfen sich selbst, einige sind richtig wütend.
Der riesige Waldbrand bei Falkenberg an der Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg ist wieder entfacht. Seit Montag stehen hier mehr als 800 Hektar Wald in Flammen. t-online ist vor Ort und berichtet direkt aus dem Waldbrandgebiet.
Am Dienstagnachmittag führten starke Winde zu einer erneut zugespitzten Situation, nachdem es am Morgen so geschienen hatte, als sei das Feuer schon eingedämmt. Der Wind treibt die Flammen nach Nordosten, von Entspannung kann keine Rede mehr sein. "Die Lage hat sich dramatisch verschlechtert", sagt ein Feuerwehrmann bei Kötten in Nordsachsen, "es ist kein Zuckerschlecken."
In dem großen Waldgebiet sind massive Kräfte der Feuerwehr mit den Löscharbeiten beschäftigt. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um Verbände der Freiwilligen Feuerwehren. Am Nachmittag trafen Löschzüge aus der ganzen Region zur Unterstützung ein. Selbst die Feuerwehr Leipzig schickte einen erweiterten Löschzug mit fünf Fahrzeugen ins 80 Kilometer entfernte Krisengebiet.
Die Feuerwehrleute vor Ort sind erschöpft, viele schon seit Montag im Dauereinsatz. Das Rote Kreuz hat Erholungsstationen eingerichtet, um die abgekämpften Männer zu versorgen. Eine schnelle Eingreiftruppe bringt den Kameraden Essen und Trinken dorthin, wo sie gerade löschen.
Auf der Lichtung bei Kötten werden die Kräfte gerade ausgetauscht, frische Feuerwehrleute gehen an die Arbeit. "Wir waren gestern Abend schon hier, sind dann zum Schlafen nach Hause und jetzt wieder da", sagt einer zu t-online. Der Staatsbetrieb Sachsenforst unterstützt hier die Löscharbeiten und bringt der Feuerwehr Tankwagen mit Tausenden Litern Wasser.
Horst Siegmund fährt mit seinem Fahrrad die Landstraße bei Kölsa entlang. Er und seine Frau wohnen in Falkenberg an der Elster. Sie sind nicht direkt vom Feuer betroffen, haben sich aber dennoch erschreckt, wie nah es ist, erzählt der Mann. "Man kennt das ja alles aus dem Fernsehen", sagt er.
"Ich stand schon mit dem Schlauch im Garten und hab gedacht, wir müssen hier gleich selber unser Haus löschen", berichtet Siegmund. Er sei ins Brandgebiet gekommen, um die Situation besser einschätzen zu können. Der Mann zeigt sich sehr betroffen davon, "wie dramatisch die Lage hier ist". Gleichzeitig fragt er sich, wie so etwas nur zustande komme: "Das kann doch nur Brandstiftung sein."
"Machen Sie, dass Sie wegkommen!", brüllt die Frau den Reporter an
Im Ort Kölsa, auf der brandenburgischen Seite, kommt eine Frau vom Straßenrand erbost auf den t-online-Reporter zugelaufen. "Was machen Sie von Leipzig hier?", brüllt sie den Reporter an. "Unsere Häuser sind fast abgebrannt! Machen Sie, dass sie wegkommen!"
Ja, die Menschen sind wütend hier im Brandgebiet, Kölsa ist einer der beiden Orte, die in der vergangenen Nacht evakuiert werden mussten. Viele haben große Angst und fragen sich: Was passiert als Nächstes? Wie soll das hier weitergehen?
Manfred Peine wohnt in Kölsa-Siedlung, das ist ein kleiner Ortsteil von Kölsa. Hier leben etwa 300 Menschen. Er erzählt von der Evakuierung: "Wir sind gestern Abend gegen 19 Uhr aufgefordert worden, den Ort zu verlassen, weil der Brand unmittelbar an unsere Häuser herangerückt war."
Rings um Peines Haus befinden sich Felder, Teile der umliegenden Grundstücke sind verbrannt. Peine blieb trotz der Bitte der Polizei in Kölsa-Siedlung, um sein Grundstück zu verteidigen: "Mit dem Gartenschlauch."
Er hat es geschafft. Das Feuer sei bis an sein Grundstück herangekommen, aber Peine konnte es in Schach halten. Tatsächlich ist das Feld gegenüber Peines Gartentor komplett schwarz, genau vor seinem Grundstück konnte er das Feuer stoppen. "Ich bin völlig überwältigt von der Lage", sagt Peine. "Man fragt sich schon, wie das hier weitergehen soll. Es ist erschreckend, was für ein Ausmaß das angenommen hat."
Besonders schockierend war für ihn, dass es am Morgen noch hieß, das Feuer sei unter Kontrolle, "aber dann ging es noch mal so los", sagt Peine und schüttelt den Kopf.
Dramatisch ist auch, was gegenüber auf dem Feld nahe Peines Haus in Kölsa-Siedlung geschah: Dort stehen nämlich die Gebäude einer Ferkelaufzucht. Hier ist das Feuer komplett drübergezogen, 400 Ferkel und Sauen starben in dem Feuersturm am Montagabend. Eigenartigerweise sind die Betongebäude einer ehemaligen LPG noch nicht einmal komplett abgebrannt. Trotzdem starben alle Tiere darin – so schnell rasten die Flammen über das Feld.
"Wir sahen den Feuerschein und hatten einfach Angst, dass die Häuser verbrennen"
Helga wohnt im Dorf Kölsa, einige hundert Meter weiter. Sie wolle ihren Nachnamen nicht im Internet lesen, sagt sie. Aber Helga erzählt: Sie habe ihr Haus auch nicht verlassen, weil sie Angst um ihr Hab und Gut hatte, so wie viele andere aus dem Ort. "Wir saßen gestern Abend zusammen. Jeder hatte Angst um sein Haus. Wir haben den Feuerschein gesehen, aber wir konnten nicht abschätzen, wie weit es noch entfernt war. Man hatte einfach Angst, dass die Häuser verbrennen."
Auch Nico Nippert wohnt in Kölsa. Am Montagabend sei die Polizei durch den Ort gefahren und habe alle gebeten, ihre Häuser zu verlassen. Aber viele seien geblieben, weil sie Angst um ihre Tiere hatten. "Viele hier haben kleine Bauernhöfe, mit Hühnern, Kaninchen und so weiter." Sie seien alle geblieben, weil sie Angst hatten, dass ihre Tiere das Feuer nicht überleben würden.
Nippert sagt: "Was wir hier in den letzten zwei Jahren an Feuern erlebt haben, das ist schon extrem. Aber das hier, das schlägt alles." Die Evakuierung von Kölsa wurde inzwischen wieder aufgehoben. Diejenigen, die am Montagabend gegangen waren, sind nun wieder zurückgekehrt.
Inzwischen ist es später Nachmittag in Kölsa. Die Menschen sind zurück, sie stehen zusammen und beobachten den Rauch, der aus den nahen Wäldern emporsteigt. Über ihren Köpfen fliegen die Hubschrauber der Bundeswehr im Minutentakt hin und her. Sie bringen ständig Löschwasser aus dem nahegelegenen Kiebitzsee.
Es ist eine starke Solidarität spürbar im Dorf. Man stellt sich hier auf eine weitere Brandnacht ein. Keiner weiß, was geschehen wird. Die Bauern fahren Wasser zur Feuerwehr, mit allem, was sie haben an Treckern, Anhängern mit Kanistern und Tankwagen. Letzte Meldung aus dem Radio um kurz vor sechs Uhr Abends: Der Wind wird wieder stärker.
- Beobachtungen und Gespräche vor Ort