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Köln: Prozess um Säugling vor Babyklappe – Mutter wegen Totschlags verurteilt


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Toter Säugling vor Babyklappe
Kölnerin wegen Totschlags verurteilt


25.02.2022Lesedauer: 3 Min.
Die Angeklagte wartet mit ihrer Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann (l), dass der Prozess beginnt: Die Angeklagte hat ihren Säugling vor eine Babyklappe gelegt.Vergrößern des Bildes
Die Angeklagte wartet mit ihrer Verteidigerin Barbara Schafgan-Herrmann (l), dass der Prozess beginnt: Die Angeklagte hat ihren Säugling vor eine Babyklappe gelegt. (Quelle: Federico Gambarini/dpa)

Sie leugnete die Schwangerschaft, steckte ihr Neugeborenes in eine Tüte und legte es vor ein Frauenhaus – tot. Nun ist die 36-jährige Frau wegen Totschlags verurteilt worden.

Eine 36-Jährige aus Bilderstöckchen, die ihren neugeborenen Säugling im vergangenen Juli tot vor einer Babyklappe abgelegt hat, wurde vor dem Landgericht wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat sie die Verfahrenskosten zu tragen und die Kosten des Nebenklägers, der ihr Ehemann ist.

"Es war ein außergewöhnliches Verfahren mit vielen skurrilen Details", so der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg am Freitag bei der Urteilsverkündung. Neu sei für die Richter das Phänomen einer Scheinschwangerschaft gewesen, auf welche sich die Angeklagte im Familien- und Freundeskreis herausgeredet habe, um ihren sichtbaren Babybauch zu erklären – schon im Wissen, dass sie das Kind nicht behalten wollte. Ungewöhnlich sei es, dass ein vor der Babyklappe abgelegtes Kind bereits tot sei, und noch mehr, dass in der Tüte, in welcher das Baby gesteckt habe, noch der Kassenbon eines Discounters steckte, über welchen schließlich die Eltern zu ermitteln waren.

Die Angeklagte habe, wenn auch zäh und schrittweise, ihre Tat gestanden. Überforderung sei ein wesentliches Motiv gewesen. Die Frau lebte mit ihrem Ehemann und den vier gemeinsamen Kindern auf 50 Quadratmetern in einer 3-Zimmer-Wohnung. Zusätzlich zur ohnehin belastenden Corona-Gesamtlage sei die Familie etwa zeitgleich mit der Pandemie mit einer schweren Atemwegserkrankung des Familienvaters konfrontiert gewesen. Um das intensive Rauchen der Frau sei zwischen den Eheleuten daher häufig Streit entbrannt. Der Mann habe Scheidungspläne gehabt.

Richter: "Warum haben Sie nicht nach Alternativen gesucht?"

Die schwierige Situation sei strafmildernd zu berücksichtigen, zumal die Frau nicht vorbestraft sei und ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Die Kammer habe die Tat daher als minder schweren Fall gewertet, auch wenn einem das erst einmal schwerfalle, da ein Säugling das Opfer war. "Warum die Situation dazu führen musste, dass Sie Ihren Sohn getötet haben, haben wir nicht verstanden. Warum haben Sie nicht nach Alternativen gesucht? Warum haben Sie nicht mit Ihrem Mann gesprochen? Es wäre ja denkbar gewesen, das Kind zur Adoption freizugeben", so Hengstenberg. Mit seiner Urteilsbegründung gab er Einblick in das Verfahren, das weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt worden war.

Als im Mai eine Frauenärztin unerwartet eine bereits weit fortgeschrittene Schwangerschaft bei der Angeklagten diagnostizierte, habe deren Ehemann gesagt: "Wo vier Kinder groß werden, werden auch fünf groß." An den Trennungsplänen soll er aber festgehalten haben. Die 36-Jährige soll daher später behauptet haben, es handele sich um eine Scheinschwangerschaft, sie habe nur eine mit Blut gefüllte Blase im Bauch.

Sie steckte ihr Kind in eine Tüte

An einem Sommersonntag entband sie das Kind von der Familie unbemerkt auf der eigenen Toilette. Sie steckte den kleinen Jungen, der 3.600 Gramm wog und laut Obduktion organisch gesund zur Welt kam, mit dem Unterkörper in eine Plastiktüte, wickelte ihn anschließend in ein Handtuch und versteckte ihn in einem Schrank.

Als sei nichts gewesen, soll sie laut Hengstenberg später am Tag das Essen für ihre Familie zubereitet und noch einen Spaziergang unternommen haben. Erst am nächsten Tag brachte sie den Säugling zur Babyklappe. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits tot. Die Kammer sei zu dem Schluss gekommen, dass die Mutter habe wissen müssen, dass das Kind durch die mangelnde Versorgung nicht überleben konnte.

Kassenbon vom Discounter überführte die Täterin

Ein Hausmeister, der bei seiner Zeugenvernehmung noch "sehr, sehr aufgewühlt" gewesen sei, habe den toten Jungen auf der Fensterbank vor der Babyklappe entdeckt. Beim Auswickeln des Kindes fand man den Kassenbon eines Discounters, durch den die Angeklagte identifiziert werden konnte. Ein DNA-Test haben sie und ihren Mann zweifelsfrei als Eltern des Kindes bestätigt.

"Sie haben hier gesagt, dass es in diesem Fall nur Opfer gebe. Das sehen wir ein bisschen anders. Es gibt auch eine Täterin, und das sind sie", hielt der Richter der Frau vor. Auch in ihrem letzten Wort vor der Urteilsverkündung habe sie vor allem sich selbst in den Mittelpunkt gestellt: "Sie haben nicht darüber gesprochen, wie es Ihrem Ehemann mit der Tat geht, oder wie es Ihren Kindern damit geht, dass ihnen ein Geschwisterkind genommen wurde. Auch über den kleinen Jungen haben Sie nicht viele Worte verloren."

Verwendete Quellen
  • Quelle: Besuch der Urteilsverkündung
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