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Köln: "Helden des Monats" – Gymnasium Thusneldastraße ausgezeichnet


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"Helden des Monats"
"Das Judentum ist ein wichtiger Teil unserer Kultur"

InterviewVon Florian Eßer

01.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Barbara Wingenfeld und André Szymkowiak vom Gymnasium Thusneldastraße in Köln-Deutz: Im Rahmen des Projekts setzten sich die Schülerinnen und Schüler unter anderem mit den Biografien deutscher Juden auseinander.Vergrößern des Bildes
Barbara Wingenfeld und André Szymkowiak vom Gymnasium Thusneldastraße in Köln-Deutz: Im Rahmen des Projekts setzten sich die Schülerinnen und Schüler unter anderem mit den Biografien deutscher Juden auseinander. (Quelle: Thomas Banneyer/leer)

Als "Helden des Monats" werden in Köln ehrenamtliche Helfer für ihr Engagement geehrt. Im Dezember: Das Gymnasium Thusneldastraße für ein Projekt zum 1.700-jährigen Jubiläum des jüdischen Lebens in Deutschland.

Am 11. Dezember des Jahres 321 verabschiedet Kaiser Konstantin der Große einen Erlass, der es jüdischen Kölnern erlaubt, sich im Stadtrat zu beteiligen. Dieses schriftliche Dokument belegt erstmals jüdisches Leben in Deutschland. Anlässlich des 1.700-jährigen Jubiläums hat das Gymnasium Thusneldastraße in Köln-Deutz ein Projektjahr ins Leben gerufen, das sich der jüdischen Kultur in Deutschland widmet.

Die Schülerinnen und Schüler haben im Rahmen des Projekts die Möglichkeit, mit Überlebenden des Holocausts und jüdischen Mitmenschen in den Dialog zu treten. Sie setzen sich mit den Biografien deutscher Juden auseinander und entwickeln Ideen, wie Vorurteile abgebaut und interkulturelle Beziehungen gestärkt werden können. Die Ergebnisse des Projektjahres werden im November im Rahmen einer abschließenden Ausstellung präsentiert.

Für seine Arbeit wurde das Gymnasium Thusneldastraße Köln-Deutz mit dem Ehrenamtspreis "KölnEngagiert" ausgezeichnet. Barbara Wingenfeld, die an der Schule Deutsch, Musik und katholische Religion unterrichtet, ist die Koordinatorin des Projektjahres. Zusammen mit Schulleiter André Szymkowiak hat sie über das Projekt, die Zielsetzungen und ihre Wünsche für die Zukunft gesprochen.

t-online: Frau Wingenfeld, Herr Szymkowiak, wie ist das Projekt zustande gekommen?

André Szymkowiak: Als ich von dem Projektjahr erfahren habe, war mir sofort klar, dass wir da mitmachen werden, weil wir die Idee schon länger hatten. Das Projektjahr war also der passende Anlass. Der Grund für unsere Teilnahme aber geht tiefer: Es ist unglaublich wichtig, dass man jüdisches Leben auch in der Schule präsent hat, weil es eben ein Teil unserer Kultur, unserer Geschichte und Gegenwart ist – und hoffentlich auch ein Teil unserer Zukunft.

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Es geht darum, dass jüdisches Leben in unserem Land nicht von Antisemitismus begleitet wird, sondern von Verständnis und Bewusstsein. Das muss man den Kindern mit auf den Weg geben, weil die Begegnung mit Jüdinnen und Juden nicht alltäglich ist. Man kennt das Judentum aus dem Religions- und Geschichtsunterricht, aber das war es eigentlich auch schon. Im Alltag ist das Judentum nicht so präsent. Daher ist es wichtig, dass es ein lebendiger Teil unserer Bildungsarbeit wird.

Barbara Wingenfeld: Das Projektjahr ist auch eine Art Spurensuche: Wo gibt es Spuren jüdischer Kultur in Köln, die uns auch heute noch prägen? Aus den Gründen für das Projekt ergeben sich dabei aber natürlich auch konkrete Ziele: Eines der Hauptziele ist es, Begegnungen zu schaffen, denn diese wiederum schaffen Vertrauen. Und das ist das wichtigste, was wir als Schule leisten können und müssen.

Wie hat sich die Arbeit im Projektjahr gestaltet?

Wingenfeld: Wir haben im Foyer zum Beispiel eine Klagemauer installiert. Das war ein Projekt für die gesamte Schule: Die Schülerinnen und Schüler können ihre Wünsche und Gedanken auf Zettel schreiben und in Lücken der Mauer stecken. Sie ist also ähnlich wie die Klagemauer in Jerusalem. Gleichzeitig wird aufgeklärt, was die Klagemauer dort eigentlich ist. So kann man jüdische Kultur in der Praxis erfahrbar machen.

Wir haben uns aber auch viel mit der Sprache beschäftigt: Wo haben wir Spuren des Jiddischen in unserem Sprachgebrauch? Das Wort ‘zocken’ zum Beispiel ist ursprünglich ein jüdisches Wort. Da gibt es dann oft einen Aha-Effekt und man merkt, dass man doch viel mit jüdischer Kultur zu tun hat – dass diese uns, unsere Identität und unser Leben prägt.

Szymkowiak: Es ist auch wichtig, dass man nicht nur im Klassenzimmer sitzt, sondern hinausgeht und Orte der Begegnung aufsucht – Stolpersteine zum Beispiel oder den jüdischen Friedhof. Da sieht man dann viel besser, wo jüdisches Leben einen selbst betrifft.

Wie war die Resonanz auf das Projekt?

Wingenfeld: In der Schülerschaft waren die Reaktionen zum großen Teil sehr positiv und die Teilnahme war wirklich riesig. Das hat uns gezeigt, dass das Thema der Schülerschaft wichtig ist. Es liegt aber auch den Eltern am Herzen: Viele von ihnen haben mir gesagt, dass sie es toll finden, wie wir uns hier engagieren.

Dass wir den Ehrenamtspreis verliehen bekommen haben, war natürlich auch ein großer Glücksmoment. Man hat gesehen, dass die ganze Arbeit und der Aufwand nicht nur schulintern gewürdigt werden, sondern auch von der Stadt Köln. Das war wirklich enorm und hat uns richtig überwältigt – die Schülerinnen und Schüler natürlich auch.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Wingenfeld: Wir werden das Thema auch nach dem Projektjahr weiter im Unterricht behandeln, um immer wieder Begegnungen zu schaffen. Ich persönlich würde mir dabei wünschen, dass es zur Normalität wird, sich für das Judentum zu interessieren und sich gegen Antisemitismus einzusetzen.

Die Beratungsstelle m² hat eine Studie darüber herausgegeben, dass die meisten jüdischen Schülerinnen und Schüler an ihren Schulen nicht publik machen, dass sie jüdisch sind. Es gibt also selten Schüler, die sich sozusagen 'outen', weil sie Angst davor haben. Das ist natürlich hochproblematisch. Deswegen ist es auch ein Wunsch, dass wir irgendwann endlich in einer Gesellschaft leben, in der jüdische Schüler als solche erkennbar neben den anderen sein können, ohne sich Sorgen machen zu müssen.

Szymkowiak: Der Stadtteil Deutz ist ja auch eng mit der jüdischen Gemeinde verknüpft. Hier war über viele Jahrhunderte hinweg das Zentrum des jüdischen Lebens, weil die Juden aus Köln verbannt wurden. Durch diesen Bezug zum Stadtteil sieht man auch schon, dass das Judentum zu uns gehört, zu unserem kulturellen Umfeld und Erbe. Aus dieser Erkenntnis heraus muss man Antisemitismus entgegentreten: Das Judentum ist nichts Fremdes. Es gehört hier hin, es gehört zu uns – dieses Bewusstsein wollen wir mit unserer Arbeit erreichen.

Disclaimer: Das Nachrichtenportal t-online ist ein Angebot der Ströer Content Group, in deren Zusammenarbeit die "Held des Monats"-Aktion entstanden ist.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Barbara Wingenfeld und André Szymkowiak
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