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Köln: Prozessbeginn gegen CDU-Politiker Bähner – "Tatort Porz" im Interview


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Prozess gegen CDU-Politiker wegen Schuss
Kölner Initiative: Fall Bähner erinnert an NSU-Komplex


05.11.2021Lesedauer: 3 Min.
Die Initiative "Tatort Porz" hat vor dem Landgericht Köln Flyer gegen Rassimus angebracht (Archivbild): Im Dezember 2019 soll der ehemalige Politiker Hans-Josef Bähner vor seinem Haus einen jungen Mann angeschossen und schwer verletzt haben.Vergrößern des Bildes
Die Initiative "Tatort Porz" hat vor dem Landgericht Köln Flyer gegen Rassismus angebracht (Archivbild): Im Dezember 2019 soll der ehemalige Politiker Hans-Josef Bähner vor seinem Haus einen jungen Mann angeschossen und schwer verletzt haben. (Quelle: René Denzer)

In Köln soll ein ehemaliger CDU-Politiker auf einen 20-Jährigen geschossen haben – laut Anklage auch aus rassistischen Motiven. Die Initiative "Tatort Porz" erklärt zum Prozessbeginn, weshalb der Fall so wichtig ist – und wo sie Parallelen zum NSU-Komplex sieht.

Beinahe zwei Jahre ist es her, dass im Kölner Stadtteil Porz ein 20-Jähriger angeschossen wurde, als er sich mit Freunden am Rheinufer aufhielt. Der mutmaßliche Täter: Hans-Josef Bähner, zu diesem Zeitpunkt noch für die CDU in der lokalen Bezirksvertretung von Köln-Porz. Er soll sich wegen Lärm vor seinem Haus gestört gefühlt haben.

Angeklagt ist Bähner wegen gefährlicher Körperverletzung, unerlaubten Waffenbesitzes und Beleidigung. Vor dem Schuss soll er sich rassistisch geäußert haben, das Wort "Drecksausländer" soll gefallen sein. Die Anklage listet weitere fremdenfeindliche Beschimpfungen auf. Von Freitag an muss er sich nun vor dem Kölner Landgericht verantworten – "endlich", sagt Kutlu Yurtseven von der Initiative "Tatort Porz", die den Prozess gegen Bähner kritisch begleiten will.

Der Prozessbeginn war eigentlich schon vor einigen Monaten angesetzt, dann aber verschoben worden – aus Altersgründen zählt der Angeklagte zur Corona-Risikogruppe. Bähner war zum Zeitpunkt des Schusses 72 Jahre alt.

Prozess gegen CDU-Politiker in Köln: Initiative kritisiert Täter-Opfer-Umkehr

"Tatort Porz" und Yurtseven sehen im Fall des CDU-Politikers nicht bloß einen Fall von Körperverletzung infolge eines Streits. Sie sehen eine rassistische Tat, in deren Folge strukturelle Probleme offengelegt worden seien.

So hatte sich die Kölner CDU tagelang nicht zu der Tat und dem Verdächtigen geäußert – offenbar auch auf Druck einer Anwaltskanzlei hin. Erst als Bähners Name tausendfach auf Twitter genannt wurde und sich auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak öffentlich distanzierte, wurde der Vorwurf thematisiert.

Das mutmaßliche Opfer hingegen sei zum Täter stigmatisiert worden, kritisiert Kutlu Yurtseven. Zunächst hatte es geheißen, bei dem damals 20-Jährigen handele es sich um einen polizeibekannten Mann. "Er hatte mal eine Anzeige aufgegeben nach einer Schlägerei, bei der er verletzt wurde. Deswegen war er polizeilich bekannt."

NSU: "Dönermorde" als Name für rassistische Taten

Yurtseven fühlte sich hierbei grundsätzlich an viele andere Taten erinnert – nicht zuletzt an den NSU-Komplex. Auch hier seien die Opfer zu Tätern gemacht worden, in den Medien war jahrelang die Rede von "Dönermorden", die Polizei vermutete unter anderem einen Hintergrund in der Organisierten Kriminalität – bis zum Auffliegen der Täter vor genau zehn Jahren. Dann war klar: Das Tatmotiv lautete Rassismus.

Viele migrantische Jugendliche in Deutschland hätten ähnliche Erfahrungen gemacht, sagt Yurtseven – wenn auch in weniger ausgeprägter Form. "Das Opfer hat nicht einmal die Chance, Opfer zu sein, weil es im nächsten Moment schon ein Täter ist. Und dann ist es damit beschäftigt, nicht aufzufallen, weil sonst die Beschuldigung noch größer wird."

Und Bähner, der mutmaßliche Täter? Der habe sich zum Opfer stilisiert, als er nach der Tat seinen Rückzug aus der Bezirksvertretung Porz erklärt hatte. In einer Erklärung hatte er die Rückgabe des Mandats mit "rechtsstaatlicher Hatz" auf sich und seine Frau erklärt. So habe er "schlimme Drohanrufe" erhalten, hieß es darin.

Keine Mordanklage: "Er hätte ja das ganze Magazin leeren können"

Zudem würde der CDU-Mann in Watte gepackt werden, sagt Yurtseven. "Bähner kommt vor Gericht – wegen eines Mordversuchs oder eines versuchten Tötungsdelikts? Nein, wegen schwerer Körperverletzung. Weil er ja das ganze Magazin hätte leeren können." Bähner sitze auch nicht in Untersuchungshaft. Yurtseven kann es nicht belegen, aber er ist sich sicher: Hätte der Angeklagte Migrationshintergrund, würde das anders aussehen.

Der Fall Hans-Josef Bähner
Der frühere Bezirksvertreter, der Sportschütze ist, soll in der Nacht vom 29. auf den 30. Dezember 2019 im Verlauf eines Streits vor seinem Haus mit einer Pistole auf einen 20-Jährigen geschossen haben. Der junge Mann wurde schwer an der Schulter verletzt. Im Falle einer Verurteilung droht Bähner eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Den Aufschrei, der dem Fall Bähner folgte, findet Yurtseven zu klein. Auch deshalb gründeten er und seine Mitstreiter "Tatort Porz". "Wenn wir jetzt den Mund nicht aufmachen, dann wird dieser Skandal einfach so weitergeführt", sei ihr Gedanke gewesen. "Deutschland hat den Skandal nicht sehen wollen."

Das habe auch strukturelle Hintergründe – doch diese Strukturen zu ändern sei nicht einfach. Immerhin einen Fall kann er nennen, wo sich bereits eine Besserung gezeigt habe: Nach dem Anschlag von Hanau sei sofort Kritik aufgekommen, als in einem Bericht von "Shisha-Morden" die Rede gewesen war. "Wenn wir das nicht hinnehmen – das ist der erste Schritt, um gewisse Strukturen verändern zu können."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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