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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Mit ihm ist nicht zu spaßen" Stalking-Prozess: Opfer bricht vor Gericht zusammen
Monatelang soll ein Rentner einer Verkäuferin nachgestellt haben – mit erheblichen Folgen für den Alltag der Frau. Nun steht der Mann in Köln vor Gericht und spricht von einer Nichtigkeit.
In Köln ist ein Mann angeklagt, dem Stalking vorgeworfen wird. Das Opfer ist eine 43-jährige Verkäuferin. Um ihrer Arbeit auf der Schildergasse nachgehen zu können, erleide sie seit September 2019 regelrechte Qualen. Immer häufiger habe ihr an verschiedenen Orten ein Rentner aufgelauert, der sich in sie verliebt haben soll. Jener steht nun wegen Nachstellung vor Gericht.
Vor Verlesung der Anklage kündigte die Staatsanwältin an, warum sie dies – anders als üblich – nicht im Stehen tun werde: "Ich bleibe sitzen, denn es dauert etwas länger." Dann trug sie die zahlreichen Varianten des Stalkings vor, denen sich die Frau ausgesetzt sehe.
Prozess um Stalker in Köln: "Mit ihm ist nicht zu spaßen"
In ihrem Laden, vor dem Laden, auf der Straße, am Bahnhof – der Mann soll vor, während und nach ihrer Arbeit den Kontakt zu der Frau gesucht haben. Dabei bestritt der Angeklagte die Einordnung der Staatsanwaltschaft, dass die beiden sich eigentlich gar nicht kennen würden. "Wir kennen uns seit 25 Monaten!"
Das vermeintliche "Kennen" beruht offenbar genau auf dem erzwungenen Kontakt, gegen den die Verkäuferin sich wehrt. "Er saß oft in unserer Lounge. Ich habe ihn begrüßt wie jeden Kunden. Als er fragte, ob ich neu bin, bin ich auf den Smalltalk eingegangen."
Nachdem pandemiebedingt ein Aufenthalt in der Lounge für ihn nicht mehr möglich war, habe er sich öfter vor dem Schaufenster aufgehalten. Teilweise habe er ihr Luftküsse zugeworfen.
Sie habe deshalb ihren Einsatzbereich innerhalb des Hauses gewechselt und den Sicherheitsdienst informiert. Dem Angeklagten wurde schließlich ein Hausverbot erteilt. Daraufhin habe er Begegnungen auf der Straße und am Bahnhof provoziert, teilweise auch laute Liebeserklärungen gerufen. "Da habe ich gemerkt, dass mit ihm nicht zu spaßen ist", erzählt die Frau.
Geschädigte bricht vor Gericht zusammen
Sie habe es vermieden, allein zum Bahnhof zu gehen und die Mittagspause im Haus verbracht. Sogar ihre Tochter, die ebenfalls in der Stadt arbeite, habe sie nicht mehr getroffen, damit diese nicht auch belästigt werde. Ihre größte Angst sei, dass er ihren Wohnort in Erfahrung bringe und das Stalking dorthin ausweite.
Im Verfahren tritt die 43-Jährige als Nebenklägerin auf. Im Zeugenstand schilderte sie das Erlebte der vergangenen zwei Jahre, bis sie schließlich unter Tränen zusammenbrach.
An dieser Stelle rief der Angeklagte der Richterin zu: "Lassen Sie die Frau doch in Ruhe! Die kann nicht mehr, das sehen Sie doch. Sie hat das nicht verdient. Sie lügt zum Teil, aber ich nehme die Schuld auf mich."
Staatsanwältin und Richterin erklärten ihm jedoch: Nur, wenn er ein Geständnis ablege, könne auf die Zeugenaussage verzichtet werden. Solange er aber sage, dass das mutmaßliche Opfer lüge, könne es nicht als Geständnis gelten.
Angeklagter kritisiert "diktatorische Gesetze"
Diesen Unterschied erkannte der Angeklagte offenbar nicht, der immer wieder sagte: "Aber ich nehme die Schuld ja auf mich!" Zuvor hatte er erklärt, über seinem Liebeskummer sei er fast krank geworden. Noch immer habe er Gefühle für die Frau, könne diese aber nun beherrschen. Ohnehin sei die Sache eine Lappalie.
An dieser Stelle wurde die Anwältin der Nebenklage, Monika Müller-Laschet, laut und energisch: "Das, was Sie getan haben, ist keine Lappalie!" Reue angesichts seines Verhaltens zeigte der Angeklagte nicht: "Die Schildergasse ist mein Revier, ich gehe da seit 40 Jahren jeden Tag auf und ab. Augen bewegen sich automatisch. Was sind das für diktatorische Gesetze, dass ich nicht angucken darf, wen ich will?"
Die Richterin brach schließlich die Verhandlung ab und entschied, dass der Mann erst einmal psychiatrisch begutachtet werden solle. Anschließend wird ein neuer Verhandlungstermin festgesetzt.
- Besuch der Hauptverhandlung