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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess in Köln Vergiftete sie ihren Schwiegervater? "Das Gehirn ist weggeschossen"
Eine Frau soll ihrem Schwiegervater über längere Zeit Insulin untergemischt haben. Im Prozess um den vergifteten Arzt sagte nun sein jüngerer Sohn aus.
In Köln steht eine Frau vor Gericht. Ihr wird vorgeworfen, ihren Schwiegervater in dessen Villa im noblen Junkersdorf vergiftet zu haben. Im Prozess sagte nun ihr Schwager als Nebenkläger aus. Der 52-Jährige sieht Geld als mögliches Motiv für den Mordversuch an seinem Vater: Sein Bruder sei finanziell knapp – und die Schwägerin geltungssüchtig gewesen.
"Beruf und Berufung waren für meinen Vater eins", schilderte der 52-Jährige den Alltag seines Vaters. "Bei uns klingelten auch nachts Patienten. Sein Lebensmittelpunkt war die Praxis."
Vater und Sohn arbeiteten in einer Praxis
In dieser Praxis hat auch der Bruder des Nebenklägers als Arzt gearbeitet. Das Verhältnis zwischen dem Vater und ihm sowie der Schwiegertochter sei "extrem ambivalent" gewesen.
So habe es Streit um den Lebenswandel des älteren Sohnes und dessen Frau gegeben. Der Vater habe ihn als unverantwortlich empfunden. Er soll ihnen vorgeworfen haben, sich nicht genug um ihre Gesundheit zu kümmern. Dabei sei es ihm um seine Enkel gegangen, die Kinder der beiden. "Er hatte Sorge, ob sie noch beide Eltern hätten, wenn sie 18 werden", so der 52-Jährige. Auch den Umgang der Angeklagten mit ihrer Diabeteserkrankung habe der Arzt kommentiert: "Sie nimmt nicht genug Insulin, ihr Zuckerspiegel ist zu hoch."
Worum geht es in dem Prozess am Landgericht? In Köln steht eine Maklerin vor Gericht, ihr wird vorgeworfen, ihren Schwiegervater in dessen Junkersdorfer Villa zwischen dem 5. und 6. Juli 2020 vergiftet zu haben.
"Es war ein Attentat"
Ausgerechnet mit Insulin soll der Arzt am mutmaßlichen Tattag dann von der Angeklagten ins Koma versetzt worden sein. Die Haushälterin hatte ihn bewusstlos mit einem angebissenen Muffin vorgefunden. Laut dem Nebenkläger haben Untersuchungen ergeben, dass der Zustand seines Vaters auf lang wirkendes Insulin zurückzuführen sei.
Mediziner hätten ausgeschlossen, dass es sich um Eigeninsulin gehandelt habe. Jenes wird vom Körper selbst produziert. "Im Nachhinein kann man es ein Attentat nennen. Mir war gleich klar, irgendetwas ist da fundamental falsch gelaufen."
Opfer fühlte sich "wie vergiftet"
Seine Schwägerin habe "auffallend schnell" darauf hingewiesen, dass sie wohl verdächtigt werden könne. Schließlich habe sie ihm zusammen mit ihrer Tochter die Muffins gebracht – und sei die Letzte gewesen, die ihren Schwiegervater gesehen habe. Jedoch habe sie auch immer wieder gesagt, dass die Kinder der Grund seien, warum sie es nicht gewesen sein könne. Man könne so etwas Ungeheuerliches ja nicht tun, wenn Kinder dabei seien, soll die Angeklagte behauptet haben.
Der Arztsohn berichtete auch von einem anderen Detail. Sein Vater habe in der eigenen Krankenakte vermerkt, dass er zuvor "wie vergiftet" gewesen sei. Tags zuvor hatte die Angeklagte dem Schwiegervater einen Drink verabreicht.
Mögliche Tatmotive: Geld und Geltungssucht
"Ich kenne die finanzielle Lage meines Bruders nicht, aber ich kann sie mir vorstellen", sagte der Nebenkläger. "Zwei kleine Kinder, eine Ehefrau, die hauptberuflich Mutter ist, hohe Krankenkosten." Der Schwägerin sei es auch um Geltung gegangen: "Ich habe gehört, wie sie zu einer anderen Frau sagte, dass es ihr wichtig sei, dass die Tochter in Junkersdorf eingeschult wird – und nicht in Lövenich."
Sein Vater habe über die Enkeltochter erfahren, dass ihre Mutter gesagt habe, bald werde man in Junkersdorf im Haus des Großvaters wohnen. Auch sein Bruder fände das Junkersdorfer Haus "perfekt".
Einen Suizidversuch seines Vaters schloss der 52-Jährige aus. "Mein Vater hätte gewusst, wie man sich umbringt. Insulin gilt unter Medizinern als eine Laien-Idee", sagte er. "Jeder Mediziner weiß, welche Schäden Insulin im Hirn anrichten kann." Genau das sei nun auch eingetreten: "Mein Vater kann sich noch freuen, aber das Gehirn ist weggeschossen. Alles, was ihn auszeichnete, ist weg."
Für das Verfahren, das am 30. Juli begonnen hat, sind insgesamt 29 Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil ist nach aktuellem Stand für den 26. November anberaumt.
- Beobachtungen im Gerichtssaal