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Zum journalistischen Leitbild von t-online.1. FC Köln Keller stellt sich der Kritik – Experten: "Dann steigst du ab"
Christian Keller hat sich einen Tag nach der 0:2-Niederlage gegen den SV Darmstadt 98 ausführlich zur Situation des 1. FC Köln geäußert. Im "Doppelpass" von Sport1 musste sich der Geschäftsführer überwiegend kritischen Fragen stellen.
Der 1. FC Köln steht vor dem siebten Abstieg der Vereinsgeschichte. Das 0:2 gegen Tabellenschlusslicht Darmstadt 98 war der vorläufige Tiefpunkt einer durchweg schwachen Saison. Entsprechend sieht sich auch Sportchef Christian Keller vier Spieltage vor Saisonende in der Kritik.
Einen Tag nach der Heimpleite stellte sich der 45-Jährige dennoch im Sport1-"Doppelpass" den Fragen der Fußball-Experten. Zwar übte sich Keller trotz der Tabellensituation (Platz 17, vier Punkte Rückstand auf die Relegation) noch in Optimismus, dennoch weiß auch der Sportchef: "Wenn wir jetzt nicht einen Quantensprung nach vorne machen, dann wird es nicht reichen."
Effenberg sieht "verdammt viele Schwächen" beim FC
Die Mannschaft habe gegen Darmstadt zu große Angst vor der Niederlage gehabt, was letztlich die Leistung gehemmt habe. Sport1-Experte Stefan Effenberg sieht darin ein großes Problem für den restlichen Saisonverlauf: "Wenn du Hochleistungssportler bist und Angst hast, ein Spiel zu verlieren, obwohl es noch nicht mal angepfiffen wurde, dann wird es natürlich eng, die Klasse zu halten." Der Ex-Profi machte klar: "Köln hat verdammt viele Schwächen."
Angesprochen auf die Kaderqualität entgegnete Keller: "Wir haben sicherlich eine Mannschaft, bei der vor Saisonbeginn klar war, dass wir um den Erhalt spielen werden. Wir haben aber auch eine Mannschaft, die es deutlich besser kann als das, was sie gestern geleistet hat oder was sie auch in einigen Spielen davor geleistet hat. Ich will auf keinen Fall den Spielern ihre Qualität absprechen."
Dieser Frage muss sich Keller stellen
Keller räumte dabei auch eigene Fehler ein. "Bevor die Mannschaft kritisiert wird, muss ich kritisiert werden. Ich bin am Schluss hauptverantwortlich." Dem Sportchef sei es nicht gelungen, "die beiden Abgänge von Jonas Hector und Ellyes Skhiri zu kompensieren."
Zwar wollte Keller "nicht in den Rechtfertigungsmodus kommen", führte aber dennoch die wirtschaftlich schwierige Situation der Geißböcke als einen der Hauptgründe an. "Der klare Auftrag war, einen erheblichen Anteil des Kaderbudgets einzusparen, um darüber das wirtschaftliche Überleben zu sichern. Das haben wir getan. Wir haben das Kaderbudget bis zum heutigen Tag um rund ein Drittel reduziert." Die entscheidende Frage sei, ob der FC mit dem reduzierten Budget bessere Personalentscheidungen hätte treffen können. "Der Frage muss ich mich stellen", gestand Keller.
Sanierungsplan des FC "zu radikal"
Marc Merten, Gründer des Onlinemagazins "Geissblog", kritisierte derweil, das vorhandene Budget nicht zielgerichtet eingesetzt zu haben. "Als Erstes geht es um die Wettbewerbsfähigkeit. Und dann erwarte ich von einem Sportchef, dass er wirklich alles tut, um von dem vorhandenen Geld die Klasse zu halten", sagte er. "Denn wir alle wissen, dass die Sanierung in der Bundesliga immer leichter ist als in der zweiten Liga. Und jetzt kriegt der FC die Quittung für einen Sanierungsplan, der wahrscheinlich zu radikal war."
Zudem merkte Merten an, dass Keller selbst bestätigt habe, noch drei Millionen Euro an Transferbudget zur Verfügung gehabt zu haben. "Es fehlt ein Stabilisator im Zentrum und es fehlt Torgefahr. Sie sagen, man kann über die Transfers diskutieren, die getätigt wurden. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass man über die Transfers sprechen muss, die nicht getätigt wurden. Denn die fehlen der Mannschaft jetzt."
Wenig Hoffnung auf die Rettung
Keller jedoch war der Meinung, dass für drei Millionen Euro kein Spieler mit Bundesliga-Qualität zu haben gewesen wäre. "Mir hat mal ein erfahrener Manager mit einem Augenzwinkern gesagt: 'Christian, gewöhn dich an Bundesligadimensionen, weil für zehn Millionen Euro kriegst du nicht mal mehr einen Fußlahmen.' Wie soll man denn mit drei Millionen Euro einen überdurchschnittlichen Bundesligaspieler holen? Das würde ich stark infrage stellen."
Wirtschaftlich hätte der FC derweil überhaupt keine Alternative gehabt, als massiv zu sparen. Aufgrund der Pandemie hätten die Geißböcke rund 80 Millionen Euro an Schulden angehäuft. Inzwischen sei der FC aber auch im Falle des Abstiegs überlebensfähig und könne sich selbst tragen. Selbst wenn der Geschäftsführer bestätigte, dass in der Zweiten Liga rund 40 Millionen Euro an Umsatz verloren gehen würden.
Insgesamt herrschte in der Talkrunde nur noch wenig Hoffnung für die Rettung des 1. FC Köln. Ex-Profi Steffen Freund sagte: "Im Ballbesitz ist Köln für mich im Moment die schlechteste Mannschaft der Liga. Ich habe das Gefühl, beim FC ist gar keine Philosophie mehr erkennbar." Das Fazit von Freund: "Dann steigst du ab."
- Geissblog