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Köln: Patrick (43) wird durch "Little Home" vom Obdachlosen zum Helfer


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Nach 15 Jahren auf der Straße
So wurde Patrick vom Obdachlosen zum Helfer


27.11.2023Lesedauer: 4 Min.
Patrick Jensen vor einem "Little Home": Der 43-Jährige war nach seinem Jobverlust viele Jahre obdachlos.Vergrößern des Bildes
Patrick Jensen vor einem "Little Home": Der 43-Jährige war nach seinem Jobverlust viele Jahre obdachlos. (Quelle: Martin Henning)
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Die Kölner Initiative "Little Home" baut obdachlosen Menschen Unterkünfte. Patrick Jensen ist dank des Vereins von der Straße weggekommen – und gab sein Häuschen weiter.

Mit Weihnachten verbinden die meisten Menschen Familie, leckeres Essen und einfach eine schöne Zeit. Patrick Jensen denkt in diesen Tagen aber auch an seine schwere Vergangenheit zurück. "Alle sitzen sie zu Hause unter dem Weihnachtsbaum, und du bist auf der Straße und musst gucken, dass du die Nacht rüberbringst", erinnert sich der 43-Jährige im Gespräch mit t-online.

15 Jahre lang war Patrick obdachlos. "Ich habe in Hamburg angefangen und mich dann nach Köln runtergearbeitet", so beschreibt er selbst sein damaliges Leben. Groß geworden ist Patrick im thüringischen Gotha, später arbeitete er als selbstständiger Subunternehmer im Bereich Garten- und Landschaftsbau. Irgendwann wurde er von seinen Auftraggebern nicht mehr bezahlt, Patrick wiederum konnte den Lohn und die Versicherungen seiner Mitarbeiter nicht mehr bezahlen.

Patrick musste seine Firma schließen. Seine Frau verließ ihn mit den gemeinsamen Kindern. So begann der Abwärtsstrudel. Patrick wollte kein Geld von der Agentur für Arbeit bekommen, landete stattdessen auf der Straße. Kalte Nächte im Schlafsack, um Geld betteln und Angst vor Übergriffen, das alles wurde zum Alltag. Über einen befreundeten Obdachlosen lernte er Sven Lüdecke und dessen Initiative "Little Home" kennen.

Kostenlose Unterkünfte für obdachlose Menschen

Der ehrenamtliche Kölner Verein baut mit Materialien aus dem Baumarkt kleine Unterkünfte für obdachlose Menschen. Die Bewohner müssen dafür nichts bezahlen. 10.000 Euro kostet ein "Little Home". Finanziert wird das Ganze durch Spenden, außerdem können Unternehmen den Bau einer Unterkunft als Teambuilding-Maßnahme für die eigenen Mitarbeitenden buchen. Auch Schulklassen können im Rahmen von Projekten "Little Homes" bauen.

Indem sie ihre eigenen, abschließbaren vier Wände bekommen, sollen die obdachlosen Menschen den ersten Schritt zurück in ein geregeltes Leben machen. Mittlerweile stehen in 33 deutschen Städten "Little Homes", neben Köln auch in Düsseldorf, Bonn, Berlin, Hamburg und München. Wer in die Kölner Unterkünfte einzieht, entscheidet die Initiative zusammen mit der Wohnungslosenhilfe "Oase" und dem Sozialdienst Katholischer Männer. Wichtig ist, dass die Personen ernsthafte Absichten zeigen, ihr Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Schlimmes Erlebnis am Kölner Hauptbahnhof

Die Idee zur Initiative kam Sven Lüdecke 2017, nachdem er einer obdachlosen Frau am Kölner Hauptbahnhof begegnet war. "Sie wurde sehr unsanft aus dem Bahnhof geschmissen. Anstatt zu sagen: 'Hey, steh mal auf', sich zu bücken und mit der Hand am Körper zu rütteln, hat die Security sie mit dem Fuß in die Seite getreten. Das war so befremdlich, dass ich mich eingemischt und gesagt habe: 'Das ist nicht menschenwürdig'", erzählt der Gründer.

Mit seiner Idee der "Little Homes" konnte er auch Patrick überzeugen, der nach der ersten Begegnung beim Bau der Unterkünfte mithalf. Zum Dank bekam Patrick Anfang 2018 seine eigenen vier Wände in Camouflage-Optik. Die positiven Auswirkungen seien schnell zu sehen und spüren gewesen, sagt Sven Lüdecke. "Patrick war auf einmal gepflegter, seine Augen waren wacher. Er hat ganz viel Verantwortung für sein eigenes Leben übernommen, indem er zur Krankenkasse gegangen ist, sich neu versichert hat. Er ist auch zum Arbeitsamt gegangen und hat sich um seine ganzen behördlichen Sachen gekümmert."

Obdachlose Menschen sieht der 47-jährige Gründer nicht nur als Opfer ihrer Situation. "Wenn ich keinen Antrieb habe und nur auf der Straße in den Tag hineinlebe, dann bin ich auch Täter, weil ich nichts daran ändere, die Straße wieder zu verlassen. Mit dem 'Little Home' kommt eine neue Grundmotivation, wieder Schwung ins Leben zu bringen", sagt Lüdecke.

Obdachlose Menschen müssen Verantwortung übernehmen

Patrick hat heute eine richtige Wohnung in einer anderen Großstadt und führt ein geregeltes Leben, ist Zweiter Vorsitzender von "Little Home". Um beim Bau zu helfen, fährt er regelmäßig nach Köln. Seine alte Unterkunft hat er nach seinem Auszug an einen anderen bedürftigen Menschen weitergegeben. Das ist das Prinzip von "Little Home": Wer es weg von der Straße schafft, empfiehlt "Little Home" einen Nachfolger. Das nimmt beide in die Verantwortung.

Patrick erinnert sich an seine Übergabe: "Ich habe der Person gesagt: 'Du kannst das Haus kriegen, musst aber den Platz sauber halten. Machst du das nicht, kommt der Lüdecke. Der reißt nicht nur dir den Arsch auf, sondern mir auch.'"

"Wer mir hilft, dem helfe ich auch"

Zu Patricks Zeiten waren die "Little Homes" noch etwa drei Quadratmeter groß, das reichte für ein Bett und die wichtigsten Habseligkeiten. Heute haben sie eine Größe von acht Quadratmetern. Aus kleinen Unterkünften sind richtige Anhänger geworden. Mit der entsprechenden Zulassung einer Prüfstelle dürfen sie in Köln fast überall abgestellt werden. "Wenn man sieht, wie wir uns in den ganzen Jahren entwickelt haben, denkt man sich: Guck mal an, was wir geschafft haben", sagt Patrick. Für ihn ist es selbstverständlich, dass er sich engagiert. "Sven hat mich damals unterstützt, und ich habe immer schon ein Helfersyndrom gehabt. Wer mir hilft, dem helfe ich auch."

160 Menschen haben es durch "Little Home" von der Straße geschafft. Gründer Sven Lüdecke bleibt kreativ, um Geld für seine Initiative zu sammeln. So verkauft er Wellnessgetränke an Gastrobetriebe, ein Teil der Einnahmen geht an "Little Home". Ab 2024 möchte er außerdem seine Unterkünfte als Bausätze für den Eigenbedarf anbieten. Von 15.000 Euro Verkaufspreis gehen 5.000 Euro direkt an "Little Home". Mit diesem Geld können er und Patrick noch mehr obdachlosen Menschen zurück in ein geregeltes Leben helfen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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