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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kollege in Berufungsverfahren freigesprochen Polizist muss rassistische Äußerung dulden
Nachdem im Dezember 2021 ein Polizist wegen Beleidigung verurteilt worden war, hat das Kölner Landgericht ein Urteil nun aufgehoben. Der Mann hatte einen schwarzen Kollegen gebeten, im Rollenspiel einen Dealer darzustellen.
Ein Polizist, der in erster Instanz wegen Beleidigung verurteilt worden war, hat im Revisionsverfahren vor dem Kölner Landgericht Recht bekommen. Den Sachverhalt, der einen Polizeihauptkommissar auf die Anklagebank brachte, schilderten er und mehrere seiner Kollegen gleich.
Bei der Anleitung einer Übung habe der Angeklagte den einzigen dunkelhäutigen Mann in der Runde aufgefordert, die Rolle des Dealers zu spielen: "Schaffen wir ein realistisches Bild."
Dessen irritierten Blick habe er dann kommentiert mit: "Jeder bekommt hier ein bisschen Rassismus ab." Das Amtsgericht hatte den 45-jährigen Polizisten daraufhin wegen einer rassistischen Beleidigung verwarnt und zusätzlich eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Euro für ein Jahr zur Bewährung ausgesetzt. Dagegen ging der Verteidiger des Mannes in Berufung, so dass nun vor dem Landgericht neu verhandelt wurde.
Köln: Erstaunliche Äußerung vor Gericht
"Ich bin einigermaßen erstaunt, nehme das aber zur Kenntnis", sagte der Staatsanwalt nach einem kurzen Moment des Schweigens, nachdem Richterin Sylvia Sella-Geusen bereits nach der Vernehmung des zweiten Zeugen angekündigt hatte: "Die Kammer hat die Tendenz dazu, dass der Angeklagte mit seinem Begehren Erfolg haben wird".
Einig waren Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht in der Einschätzung, dass die Berufungsverhandlung keine neuen Erkenntnisse zum Fall gebracht habe. In der Frage, ob die Äußerung des Angeklagten strafrechtlich relevant sei oder nicht, stimmte man allerdings nicht überein.
Verteidiger: "Blonde Polizistin würde auch die Prostituierte spielen"
Schon vor seinem Schlussplädoyer hatte Verteidiger Andreas Kerkhof mit zahlreichen Kommentaren versucht, die Äußerung seines Mandanten in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. So zitierte er unter anderem eine rassistische Äußerung, die dem früheren Bundespräsidenten Heinrich Lübke zugeschrieben wird, um zu illustrieren, dass man über derartige Sätze früher gelacht habe.
Die Polizei sei eben "wie die Bundeswehr: da wird geschossen, getötet, gestorben, das ist ein wilder Haufen." Ein Schwarzer müsse dort im Rollenspiel als Dealer herhalten, wie auch eine blonde Polizistin mit Tätowierungen bei Bedarf die Rolle einer Prostituierten zu übernehmen habe.
Die Aussage seines Mandanten sei "hässlich" gewesen, aber nicht strafbar, wie auch die Verunglimpfung des Satirikers Jan Böhmermanns gegen den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan nicht strafbar gewesen sei. Er beantragte, das Urteil der ersten Instanz aufzuheben und seinen Mandanten freizusprechen.
Kammer sieht keine individuelle Beleidigung
Der Staatsanwalt fasste sich kurz: "Ich teile die Einschätzung des erstinstanzlichen Urteils und beantrage, den Berufungsantrag zu verwerfen", so sein ganzes Plädoyer, mit dem er die Kammer nicht umzustimmen vermochte.
Das Berufungsverfahren endete für den angeklagten Polizisten mit einem Freispruch. Richterin Sella-Geusen zog eine Analogie zum Satz "Soldaten sind Mörder", an dem sich in den 1990er Jahren die Geister schieden. Im Zusammenhang damit sei entschieden worden, dass es sich nicht um die Beleidigung eines einzelnen handele, wenn eine abwertende Äußerung einer unüberschaubar großen Gruppe gelte.
Betroffener von Urteil sprachlos
Ein Satz wie beispielsweise "Alle Farbigen sind kriminell" sei rassistisch und volksverhetzend, nicht aber eine individuelle Beleidigung. Nach Darstellung der Richterin sei der Polizist, der den dunkelhäutigen Dealer nachstellen sollte, nicht als Kollege degradiert worden. Es sei ihm lediglich in einem Spiel eine Rolle zugewiesen worden, "weil er von der Optik her passt".
"Wann hören die Kommentare zu meiner Hautfarbe mal auf?"
Betroffener
Der 30-Jährige, dem im Rollenspiel die Position des Verbrechers zukommen sollte, hatte vor dem Amtsgericht geschildert und wiederholte nun noch einmal vor dem Landgericht, warum ihn die Situation verletzt habe: "Ich habe meine Hautfarbe nicht erst seit gestern, und ich habe schon viele negative Sachen dazu gehört. Wenn das sogar auf der Dienststelle weitergeht, wo hört es denn dann mal auf? Kollegen sollten mir das Gefühl geben: Du gehörst dazu, egal, wie Du aussiehst."
Den Freispruch kommentierte er wortkarg: "Ich kann dazu erst einmal nichts sagen. Aber der Richter, der im ersten Verfahren das Urteil gesprochen hat, hat sich ja etwas dabei gedacht."
Amtsrichter Maurits Steinebach hatte in seiner Urteilsbegründung gesagt, es gehe nicht an, dass man einem Menschen aufgrund seiner Hautfarbe suggeriere, dass er wie ein Straftäter aussehe. Der Freispruch ist nicht rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft könnte dagegen noch Rechtsmittel einlegen. Ob das der Fall sein wird, sei noch ungewiss, so der Vertreter der Behörde.
- Besuch der Gerichtsverhandlung