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Kiel: Außengastronomie darf öffnen – viele Lokale bleiben dicht


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Misstrauen und schlechtes Wetter
Die große Freude zur Gastro-Wiederöffnung in Kiel bleibt aus

Von Sven Raschke

14.04.2021Lesedauer: 5 Min.
In Schleswig-Holstein darf die Gastronomie im Außenbereich in Gebieten mit entsprechend niedrigem Inzidenzwert wieder öffnen: Bei niedrigen Temperaturen kamen, wie hier in Kiel, nur wenige Gäste.Vergrößern des Bildes
In Schleswig-Holstein darf die Gastronomie im Außenbereich in Gebieten mit entsprechend niedrigem Inzidenzwert wieder öffnen: Bei niedrigen Temperaturen kamen, wie hier in Kiel, nur wenige Gäste. (Quelle: penofoto/imago-images-bilder)

In Schleswig-Holstein dürfen Restaurants draußen wieder Gäste bewirten. Doch in Kiel bleiben viele Häuser weiter dicht – zu groß ist das Misstrauen der Wirte gegenüber der Politik.

Seit diesem Montag dürfen Restaurants in Kiel, wie überall in Schleswig-Holstein, wieder Gäste empfangen – allerdings nur im Außenbereich und solange die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 bleibt. In Kiel lag der Wert zuletzt am Sonntag bei 70,5 und so nutzten einige Gastronomen in der Landeshauptstadt die Möglichkeit, endlich einmal wieder Kundschaft bei sich zu bewirten. Zahlreiche Betreiber schrecken allerdings vor einer Öffnung zurück. Die Gründe: die Unberechenbarkeit des Wetters – und die der Politik.

Sonnenschein wechselt mit Regen-, Schnee- und Hagelschauern ab. Die Temperatur bleibt bei unter zehn Grad. Das durchwachsene Wetter am ersten Öffnungstag scheint die Stimmung bei den Restaurantbesitzern nachspielen zu wollen. Beim Restaurant Forstbaumschule würden draußen normalerweise 250 Gäste unterkommen. "Jetzt eher 80 bis 90", schätzt Geschäftsführer William Steen. "Aber wir freuen uns, dass wir überhaupt aufhaben." Um die Mittagszeit herum, eine Stunde nach Öffnung um 11.30 Uhr, ist auch die reduzierte Kapazität lange nicht ausgeschöpft. "Jetzt sind es wohl eher die Leute, die Freizeit haben: Rentner oder Leute, die Mittagspause machen", so Steen.

Gewärmt von Heizstrahlern lässt sich ein Vater mit seinen beiden Kindern das Essen servieren. "Ich habe es vorhin im Radio erfahren und wir haben uns dann gleich entschlossen. Es ist zwar kalt, aber es geht schon", sagt er. "Ich hoffe, dass es auch anhält", sagt ein anderer Gast. "Die geben sich ja viel Mühe. Und die Hygienemaßnahmen reichen aus."

Nur wenige Gäste bei kalten Temperaturen

Um 20 Uhr wird für heute Schluss sein. "Wir starten erst mal ganz vorsichtig. Wir wissen ja nicht, wie lange wir einen Inzidenzwert unter 100 haben. Wenn es wärmer wird und die Lage sicherer ist, machen wir auch wieder ein bisschen länger." Rechnen tue sich das Geschäft so noch nicht. "Aber wir müssen ja Präsenz zeigen, und wir hoffen, dass sich alles wieder in Richtung Alltag normalisiert."

Die Forstbaumschule ist mit ihrem großen und teils überdachten Außenbereich vergleichsweise noch in einer privilegierten Position. Das Lüneburg-Haus in der Altstadt, das seine Gäste ab 12 Uhr empfängt, hat draußen Platz für maximal 20 Personen. Gegen 13 Uhr essen hier vier Stammkunden. "Wenn das Wetter gut wäre und die Terrasse voll, dann würde sich das rechnen", schätzt Inhaberin Christina Mann. "Aber das ist eine Illusion, der ich mich nicht hingeben möchte."

Dass sie trotzdem öffnet, hat ähnliche Gründe wie bei den Kollegen von der Forstbaumschule: "Ich freue mich, dass überhaupt was in Richtung Lockerung passiert, weil das gerade auch für den Bürger mal wieder ein Schritt in Richtung Normalität ist. Wir machen es, um für unsere Gäste da zu sein." Zudem sei die Umstellung für sie nicht allzu aufwändig gewesen. "Wir sind ja sowieso da, weil wir einen Lieferservice haben."

Öffnungstermin kam für viele zu kurzfristig

Das N.i.L. in Brunswik wird erst am Dienstag öffnen. Ebenso das Cotidiano an der Kiellinie. "Herr Günther hat uns zweimal überrascht, einmal im Positiven und einmal im Negativen", sagt Safa Esfandiar, Inhaber des Cotidiano. Nach dem vielen Hin und Her habe einfach keiner mehr mit der Öffnung gerechnet. "Wir sind jetzt sehr dankbar für die Möglichkeit", so Esfandiar. Aber da die Bekanntgabe am vergangenen Mittwoch sehr kurzfristig erfolgte, sei wenig Zeit zum Handeln geblieben.

"Die Lieferanten haben die Ware halt nicht rechtzeitig für den Montag liefern können." Am Dienstag starte man dann mit halber Tischzahl im Außenbereich: 110 statt knapp 200 Plätze. Das lohne sich, wenn auch nur gerade so. "Man muss mit feinem Bleistift rechnen. Aber wir wollen nicht mehr auf die Hilfen angewiesen sein, sondern uns an den eigenen Haaren herausziehen", sagt Esfandiar.

Das Santa Fe New Mexican in der Holtenauer Straße öffnet dagegen, wie viele andere, vorerst noch gar nicht, mit Hinweis auf das unbeständige Wetter. "Wir werden die Wetterlage und die allgemeine Lage beobachten und dann neu entscheiden", heißt es in einer Mitteilung an die Gäste. Ähnlich beim Restaurant Markmanns am Falckensteiner Strand: "Das macht für uns keinen Sinn. Wir liegen mit der Terrasse so brutal im Wind. Und wir machen Abendgastronomie – da ist es noch zu kalt", so Restaurantbesitzer Oliver Markmann.

Auch das Restaurant Kaufmannsladen im Romantik Hotel Kieler Kaufmann an der Krusenkoppel bleibt bis auf Weiteres geschlossen. "Es ist einfach noch zu unsicher, die Regeln sind nicht klar genug", begründet Inhaber Carl-Heinz Lessau die Entscheidung. Dazu komme das ebenso unsichere Wetter. Wann man öffnen werde, wisse man noch nicht. "Wir müssen einfach mal sehen, wie die Gesetzeslage wird", so Lessau.

Fehlendes Vertrauen in die Politik lässt Gastwirte zögern

Damit spricht er aus, was laut dem Gastronomie- und Gaststättenverband Schleswig-Holstein (DEHOGA SH) viele Gastronomen denken. "Vom Grundsatz her ist eine Öffnung natürlich ein dringendes und längst überfälliges Signal, dass das Berufsausübungsverbot zumindest in Teilen aufgehoben ist", so Hauptgeschäftsführer Stefan Scholtis. "Gleichwohl sieht das nicht jeder Betrieb positiv. Nicht wenige sagen: 'Wir machen nicht auf'." Der Grund dafür sei, dass viele das Vertrauen in die Bundespolitik verloren hätten und dächten: "Ich hole meine Mitarbeiter nicht aus der Kurzarbeit, um dann in zwei Wochen wieder schließen zu müssen."

Schwierigkeiten mache auch die unklare Definition, was eine Außengastronomie sei. Gilt zum Beispiel ein Außenbereich mit einer Schutzwand gegen Regen noch als solcher? Hierzu gebe es laut Scholtis keine festen Vorgaben. Die Beschlüsse und Regeln der Bundespolitik könne keiner mehr nachvollziehen, so der DEHOGA-Geschäftsführer. "Und unsere Branche leidet darunter am meisten."

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Der Betrieb rechnet sich für viele noch nicht

Zudem lohne sich der Betrieb ausschließlich über die Außengastronomie für viele schlicht nicht – je kleiner der Außenbereich, desto weniger. Schließlich müsse die Küche geöffnet, Mitarbeiter bezahlt, Ware bestellt werden, erklärt Scholtis. "Und dann muss sich zeigen, wie viele Gäste das Angebot überhaupt annehmen und sich trauen." Denn nicht nur bei den Gastronomen, auch bei den potenziellen Gästen habe die Politik für große Verunsicherung gesorgt. Dabei, so Scholtis, verfügten die Gaststätten in Schleswig-Holstein über ein ausgezeichnetes Hygienekonzept. "Der Restaurantbesuch ist sicher."

So sehen das auch die Stammkunden vom Lüneburg-Haus, die sich sehr über die Öffnung freuen. "Ich finde es verkehrt, dass die Restaurants zuhaben. Wir müssen wieder Leben in die Stadt kriegen", sagt einer von ihnen. Schließlich seien die Gaststätten nicht die Quelle für Ansteckungen. Inhaberin Christina Mann blickt verhalten positiv in die Zukunft: "Wenn wir über zehn Grad kommen – vielleicht zwölf, 13 Grad – dann wird sich die Außengastronomie auch rechnen." Laut Wetterprognosen wird es damit diese Woche noch nichts.

Verwendete Quellen
  • DEHOGA SH, Hauptgeschäftsführer Stefan Scholtis
  • Forstbaumschule, Geschäftsführer William Steen
  • Lüneburg-Haus, Inhaberin Christina Mann
  • Cotidiano, Inhaber Safa Esfandiar
  • Markmanns, Inhaber Oliver Markmann
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