Verfahren um 16 Tonnen Drogen Razzia bei IT-Firma: Zusammenhang mit Kokainermittlungen?
Ein Staatsanwalt aus Hannover soll gegen Geld eine internationale agierende Kokain-Bande mit Informationen versorgt haben. Nun gab es eine Razzia.
Der Fall eines mutmaßlich korrupten Staatsanwalts aus Hannover zieht offenbar immer weitere Kreise. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Osnabrück haben Beamte den Sitz einer IT-Firma in Celle durchsucht. Das bestätigte eine Sprecherin des niedersächsischen Justizministeriums. Nach dpa-Informationen steht die Razzia im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen einen Staatsanwalt, der von einer international agierenden Kokain-Bande bestochen worden sein soll.
Der 39-Jährige sitzt seit Ende Oktober in Untersuchungshaft. Zu den Hintergründen der Durchsuchung in Celle machte die Ministeriumssprecherin keine Angaben – "aus ermittlungstaktischen Gründen", wie sie sagte. Über die Razzia hatten zuerst der NDR und die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" ("HAZ") berichtet.
Die Computerfirma bietet unter anderem IT-Schulungen an und nennt auf ihrer Internetseite neben weiteren den Deutschen Bundestag und die Zentrale Polizeidirektion Hannover als ihre Kunden. Nach dpa-Informationen wurde das Unternehmen lange von einem Mann geführt, der im Oktober 2023 vom Landgericht Hannover wegen bandenmäßigen Drogenhandels zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde. Der damalige Rechtsanwalt des Verurteilten wollte sich aktuell wegen seiner Schweigepflicht nicht zu dem Fall äußern.
"Es muss jetzt unverzüglich aufgeklärt werden"
Die in Niedersachsen oppositionelle CDU spricht von einem "Justizskandal". Die Zusammenarbeit der IT-Firma mit der Polizei werfe "schwerwiegende Fragen zur Vergabepraxis und zu den Sicherheitsstandards in Niedersachsen" auf.
Die Rolle des ehemaligen niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius sowie seiner Nachfolgerin Daniela Behrens (beide SPD) sollte kritisch beleuchtet werden, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion im Landtag, Carina Hermann. "Es muss jetzt unverzüglich aufgeklärt werden, ob die öffentlichen Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten und Maulwürfe bei der Polizei seitens des Innenministeriums ausreichend verfolgt wurden", betonte die CDU-Abgeordnete.
Die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen habe in den vergangenen fünf Jahren Verträge ausschließlich für Aus- und Fortbildungsveranstaltungen mit der genannten Firma über begrenzte Zeiträume geschlossen, teilte ein Sprecher des Innenministeriums in Hannover auf dpa-Anfrage mit. Andere Polizeibehörden hätten nach hiesiger Kenntnis keine Verträge mit der Firma abgeschlossen. Die Firma hatte laut Ministerium nach aktueller Erkenntnislage zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf polizeiliche Datenbestände.
Erst Ende 2024 übernahm die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Ermittlungen gegen den mutmaßlich korrupten Juristen von der Staatsanwaltschaft Hannover, die lange gegen den eigenen Kollegen ermittelt hatte. Die Wohn- und Diensträume des heute 39-Jährigen waren schon Ende 2022 durchsucht worden. Im Oktober 2023 wurde das Verfahren gegen ihn vorerst eingestellt – aber aufgrund neuer Beweismittel im Juni 2024 wieder aufgenommen.
Erhielt Kokain-Bande Infos aus Reihen der Polizei?
Zeugen in Rauschgiftverfahren hatten schon früh Hinweise auf angebliche Lecks in den niedersächsischen Behörden gegeben. Es gibt auch Hinweise in entschlüsselten Chats der Drogenhändler. Demnach soll die Kokain-Bande auch Informationen aus den Reihen der Polizei erhalten haben.
Das Justizministerium machte keine Angaben dazu, ob die Räume der IT-Firma in Celle in der Vergangenheit schon einmal durchsucht worden waren. Der im Jahr 2023 verurteilte IT-Spezialist soll an der Organisation einer Lieferung von 16 Tonnen Kokain mit einem Marktwert von etwa 448 Millionen Euro aus Südamerika nach Hamburg beteiligt gewesen sein.
Er wurde laut einem "Bild"-Bericht im Spätsommer 2022 im Libanon festgenommen. Mutmaßlich war er von einem Informanten in den Behörden vor einer Razzia gewarnt worden und deshalb geflohen. Im Prozess bestritt der Mann laut "HAZ" eine Flucht und sagte, er habe im Libanon Urlaub gemacht.
- Nachrichtenagentur dpa