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Wölfe in Niedersachsen: Raubtier oder schützenswertes Wildtier – Pro & Kontra


Meinung
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Jagd auf den Wolf?
Das Maß ist jetzt voll


Aktualisiert am 27.04.2023Lesedauer: 1 Min.
Europäische Grauwölfe im Rudel (Archivbild): Nehmen die Tiere in Deutschland allmählich überhand?Vergrößern des Bildes
Europäische Grauwölfe im Rudel (Archivbild): Nehmen die Tiere in Deutschland allmählich überhand? (Quelle: blickwinkel)
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Der Wolf breitet sich immer stärker in Deutschland aus. Sollte er einfacher bejagt werden dürfen? Lesen Sie dazu unser Pro & Kontra.

Derzeit gibt es deutschlandweit etwa 161 Wolfsrudel, 43 Paare und 21 territoriale Einzeltiere (Stand: November 2022). Immer wieder kommt es zu Übergriffen auf Schafherden, auch den Menschen kommt der Wolf zunehmend nah. Bayern will aus diesem Grund den Abschuss von Wölfen spätestens vom 1. Mai an deutlich erleichtern.

Die Details sind noch unklar, Ministerpräsident Markus Söder (CSU) argumentierte, der strenge Schutzstatus des Wolfes sei "eigentlich in der Form nicht mehr angemessen". Laut Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bewege sich die Staatsregierung auf juristisch dünnem Eis, Söder will die geplante Verordnung deshalb "so rechtssicher wie möglich machen".

Tierschützer stellen sich gegen die Forderungen. Wölfe haben in Deutschland den höchstmöglichen Schutzstatus. Bislang unterliegen sie nicht dem Jagdrecht – zum Ärger vieler Landwirte. Sollte der Wolf in Deutschland also aktiv bejagt werden?

Pro
Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
Patrick SchillerKI-Redakteur Regionales

Ja, wir sollten den Wolf bejagen – aber bewusst

Der Wolf ist ein Raubtier. Also ein Lebewesen, das ein anderes zum Zweck der Nahrungsaufnahme tötet. Und er macht sich in unseren Wäldern breit.

Ja, unsere Wälder: Wir Menschen haben uns Natur in Mitteleuropa längst untertan gemacht – ob das Naturschützern gefällt oder nicht: ob zum Spaziergang mit dem Dackel, erlebnispädagogisch für den Waldkindergarten, landwirtschaftlich für die Zucht goldiger Heidschnucken in der Lüneburger Heide oder aus forstwirtschaftlichen Gründen. Der Wald muss funktionieren. In unserem Sinne.

Und dann taucht da wieder dieser Wolf auf. Reißt Schafe und macht nicht einmal vor dem Pony von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen halt. Er verbreitet Angst und Schrecken unter Eltern und Hundebesitzern und trägt auch sonst nicht zum öffentlichen Frieden bei: Die Debatte über das Für und Wider des Abschusses der Tiere wird beinahe schon militant geführt.

Warum überhaupt diese Dünnhäutigkeit? Wir schießen Rehe, töten Schweine, angeln Fische, züchten Marderhunde zum Fellkragen, sperren exotische Tiere zu Unterhaltungszwecken in Zoos und erlauben sogar noch Zirkustiere. Wir machen das alles aus Gewohnheit. Und weil wir den Hund domestiziert haben, trauen wir uns nicht daran, den Wolf zu schießen, selbst wenn seine Vermehrung die Balance in der freien Natur gefährdet. Das ist Gutdünken. Stattdessen braucht es Sachlichkeit.

Zumal niemand mit Fachkompetenz den Wolf so gnadenlos bejagen will, wie man es vor rund Hundert Jahren mit der Kegelrobbe tat, Deutschlands größtem Raubtier. Sie hätten wir fast ausgerottet. Jäger sind sich heute des Balanceakts in der Natur bewusst und sind praktisch erfahrene und ausgewiesene Experten im sensiblen Ökosystem Wald, das auch den Wolf braucht – in einem gewissen Maß. Und das ist jetzt voll.

Um unsere Wälder als gesunde Lebensgrundlage zu erhalten, braucht es Regulierungsmechanismen. Dazu gehört die Jagd. Zumindest dann, wenn Alternativen ausgeschöpft sind.

Kontra
Markus Krause, Regio-Redakteur für Hamburg.
Markus KrauseRedakteur Regio Nord

Nein, denn nicht der Wolf ist das Problem, sondern der Mensch

Natürlich stellt der Umgang mit dem Wolf eine Herausforderung dar. Aber die Lösung des "Problems" kann nicht der Abschuss sein. Seine Rückkehr nach Deutschland ist ein Erfolg des Artenschutzes und begrüßenswert.

Wölfe jagen vor allem alte und kranke Tiere, die leichte Beute sind. Dadurch regulieren die Großraubtiere den Wildbestand. Weniger Rehe und Rothirsche bedeuten, dass auch weniger junge Triebe gefressen werden. Der Wald kann sich verjüngen, die Wölfe halten also ein Ökosystem im Gleichgewicht.

Nicht der Wolf ist das Problem, sondern der Mensch. Wir haben durch unsere Landwirtschaft und den Bauwahn das Tier aus seinem natürlichen Lebensraum verdrängt. Dass er, nachdem er im Jahr 1990 unter gesetzlichen Schutz gestellt wurde, in sein altes Revier zurückkehren würde, darauf hätten wir uns einstellen und entsprechend vorbereiten müssen.

Bauern klagen darüber, dass ihre Weidetiere nun vom Wolf gerissen werden. Gleichzeitig sind sie aber nicht bereit, sie entsprechend zu schützen. Und das, obwohl die Landesregierungen Tierhalter bei der Anschaffung solcher Maßnahmen unterstützen – zumindest dort, wo Wölfe wieder dauerhaft leben.

Natürlich lässt sich darüber diskutieren, dass in manchen Bundesländern nur das Material, nicht aber der zusätzliche Arbeitsaufwand gefördert wird. Das darf jedoch nicht der Grund sein, warum auf Schutzzäune oder Herdenschutzhunde verzichtet wird.

Nicht zuletzt erhalten Landwirte, deren Tiere trotz vorhandener Schutzmaßnahmen gerissen werden, Kompensationszahlungen. Voraussetzung ist, dass sogenannte Rissgutachter die toten Nutztiere untersuchen und feststellen, dass es sich beim Verursacher tatsächlich um einen Wolf gehandelt hat – oder dies nicht ausgeschlossen werden kann. Dann zahlt das Land den Marktwert des Tieres.

Bei ihrer Nutztierhaltung kalkulieren Bauern schon jetzt sogenannte Falltiere ein. Das sind diejenigen Tiere, die wegen Verletzungen oder Krankheiten vorzeitig verenden und nicht für den Verzehr getötet werden können. Risse durch einen Wolf werden nicht mit eingeplant – könnten sie aber.

Wir Menschen müssen Lösungen finden, mit dem Wolf zu leben und nicht, wie wir am besten gegen ihn vorgehen. Mit einer Abschusserlaubnis droht dem Wolf ein Schicksal wie Anfang des 20. Jahrhunderts: Da war er fast ausgerottet.

Auf einen Wolf zu treffen, ist unwahrscheinlich – und kein Grund zur Hysterie. Wenn Sie die Regeln für den Umgang mit Wildtieren beachten, überstehen Sie die Begegnung unbeschadet. Verhaltenstipps lesen Sie hier.

Verwendete Quellen
  • vier-pfoten.de: Echtpelz oder Kunstpelz?
  • bundestag.de: Bejagung von Wölfen bei Experten umstritten
  • agrarheute.de: "Experten zum Wolf: Guter Erhaltungszustand erreicht – Jagd möglich"
  • Eigene Recherche
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