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Ikea eröffnete in Hamburg die erste City-Filiale – das hat Altona verändert


10 Jahre Möbelmarkt in Altona
Als Ikea in die Innenstadt zog – und ein Viertel veränderte


Aktualisiert am 01.07.2024 - 09:22 UhrLesedauer: 5 Min.
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Die Altonaer Ikea-Filiale, mitten in der Innenstadt: Im Westen Hamburgs hat Ikea den ersten City-Markt eröffnet. (Quelle: IMAGO/imageBROKER/Nicolai Stephan/imago)

Vor zehn Jahren startete Ikea einen großen Versuch: Mitte in einer Einkaufszone eröffneten die Schweden ein Möbelhaus. Es war der Beginn einer neuen Ära – auch für den Stadtteil.

Es ist voll in der Großen Bergstraße: An diesem Samstagvormittag drängen sich Kunden an den Ständen des Wochenmarkts. Es gibt frische Erdbeeren und Brot, in den umliegenden Cafés sind alle Plätze draußen besetzt und beim türkischen Schlachter hat sich eine kleine Schlange gebildet. Und zwischen all dem Gewusel schleppen Menschen blaue Tüten oder flache Kartons aus einem großen Gebäude. Hier befindet sich eine Ikea-Filiale. Die erste, mitten in einer deutschen Fußgängerzone.

Vor zehn Jahren wagte der schwedische Möbelriese einen Versuch: Statt riesige Häuser auf der grünen Wiese zu eröffnen, schnappte sich Ikea einen in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex und eröffnete dort den ersten City-Ikea der Welt. Die Idee: Im Geschäft kaufen die Kunden Kleinkram, wie Geschirr oder Kerzen. Sofas und Küchen werden weiterhin in Schnelsen und Moorfleet geshoppt. Ikea will rein in das Leben, in den Alltag der Leute und nicht mehr draußen vor den Toren der Stadt bleiben.

Ein mutiger Plan, der auf Widerstand traf. Der Möbelmarkt würde für ein enormes Verkehrsaufkommen sorgen, wenn all die Kunden mit dem Auto anreisen, kritisierten Anwohner. Dazu fürchteten sie die mögliche Verdrängung von alteingesessenen Mietern, wenn das Viertel so künstlich aufgewertet wird. Eine Bürgerinitiative, die ein Stadtteilzentrum in dem alten Gebäude haben wollte, war schnell gegründet: Kein Ikea in Altona.

Hoffnung auf Ikea-Effekt

Nicht alle waren dagegen: Gerade ansässige Unternehmer aus der Großen Bergstraße erhofften sich eine Belebung des Gebiets. Denn die Große Bergstraße hatte schon deutlich bessere Tage erlebt. Seit dem Aus der Karstadt-Filiale 2003 ging es für die in den 1970er-Jahren florierende Einkaufsstraße stetig bergab. Mitte der 2000er-Jahre dominieren billige Modeläden und Ein-Euro-Shops die Einzelhandelsszene, die Kaufkraft war niedrig. Obdachlose hatten den Tunnelbereich zum Bahnhof Altona für sich entdeckt.

Einige Händler in der Straße spekulierten auf den Ikea-Effekt: mehr Leute, Aufwertung, mehr Umsatz. Ihr Zusammenschluss "Einzelhandelsverband Einkaufscity Altona" meldete im September 2009 ein Pro-Ikea-Bürgerbegehren an. Initiator Klaus-Peter Sydow hoffte so, "den Niedergang der Großen Bergstraße zu beenden", wie die "taz" damals schrieb. Unterstützung gab es auch aus der Bezirksversammlung und von der Stadt: Die Initiative kam auf 77 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung war hoch. Das Möbelhaus hatte gewonnen.

"Altona ist eines der spannendsten Projekte, die wir bei Ikea je hatten", erklärte damals der Expansionschef des Unternehmens, Johannes Ferber. Die Bauphase sei "nicht trivial" gewesen, erzählt der heutige Regionalleiter der drei Hamburger Ikea-Märkte, Thomas Pflugner. Ikea hätte keine Erfahrung mit dem Bau einer solchen Filiale gehabt. Statt eingeschossig in die Breite zu bauen, schraubt sich die Altonaer Filiale in die Höhe. Auch die Parkplätze mussten auf viele Etagen verteilt nach oben gebaut werden.

Bauprojekt in Altona kostet 80 Millionen

Zunächst wurden Gebäudeteile abgerissen, dann ein eingeschossiger Riegel für Geschäfte revitalisiert. Am Ende erstrecken sich 18.000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf 10.000 Quadratmetern Grund über acht Etagen, inklusive der Parkdeckes. 80 Millionen Euro hat Ikea sich das Bauprojekt kosten lassen, für das Grundstück bezahlten die Schweden 11,5 Millionen Euro.

Nach der Eröffnung musste Ikea erst mal umdenken, so Regionalleiter Pflugner. Denn die Strategie ging nicht auf: Die Leute wollen nicht nur Accessoires und Deko shoppen, auch Möbel. Rund ein Jahr nach der Eröffnung musste das Sortiment angepasst werden.

"Ikea in Altona ist einzigartig", sagt der Filialleiter Lubomir Zakopcan. Und das in vielerlei Hinsicht. So kommt der Markt ohne Kinderspielbereich Småland aus. Da die Filiale um die Ecke ist, müssen Kinder bei langwierigen Einkaufsmarathons nicht geparkt werden. Auch der "Zweite-Chance-Bereich" boomt an dem Standort. Das Publikum frage nachhaltige Möbellösungen offenbar nach, so der Marktleiter weiter. Daher solle der Bereich auch ausgebaut werden. Und: Die Gastronomie-Angebote sind beliebt. Zur Mittagszeit finden sich neben Schülern aus den umliegenden Schulen vor allem Rentner ein. Nachmittags kommen die Muttis mit den Kleinkindern aus den Kitas zum Kaffeetrinken. Auch hier will Ikea mit einem weiteren Bistro im Erdgeschoss nachlegen. Schon ein halbes Jahr nach der Eröffnung konstatierte die "Zeit": "Ikea macht den Altonaern also tatsächlich Spaß."

Dass die Filiale so gut in Altona angenommen wurde, ist kein Zufall. Zum einen steuerte die Politik schnell nach dem Bürgerentscheid nach und stellte den Stadtteil unter den Schutz der sozialen Erhaltungsverordnung. Demnach konnten die Mieten nicht unbegrenzt steigen, langjährige Mieter werden durch dieses Instrument besser vor Verdrängung geschützt. Zum anderen wurde die Große Bergstraße verkehrstechnisch umfangreich umgestaltet. Heute gibt es extra-breite Bürgersteige, überall finden sich Bänke unter den hohen Bäumen. Die Straße ist verkehrsberuhigt, nur Taxis und Lieferverkehr kommen noch in die Einbahnstraße. Und natürlich Busse.

Hälfte der Kunden kommt ohne Auto

Die gute Anbindung an den ÖPNV ist wichtig für Ikea, denn nach Angaben des Unternehmens kommt die Hälfte der Kunden zu Fuß, mit dem Rad, dem Bus oder der Bahn. Sperrige Einkäufe können mit Miet-Lastenrädern nach Hause transportiert werden. Carsharing-Anbieter sieht man im Parkhaus des Marktes regelmäßig. Eine Autovermietung hat direkt im Markt eine kleine Niederlassung.

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Ikea arbeitete von Anfang an daran, von den neuen Nachbarn gemocht zu werden. "Wir sind mit den Händlern aus der Umgebung im Austausch", sagt Marktleiter Lubomir Zakopcan. Aber auch die Anwohner will Ikea ansprechen. Dazu gebe es Community-Abende und ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, das in keinem anderen Ikea so gut angenommen werde, sagt Regionalleiter Pflugner. Es gebe einen Lauf-Treff alle zwei Wochen. Zum Bingoabend im April kamen Hunderte. Der Manager erzählt, dass sich seit der Eröffnung viel in der Nachbarschaft verändert habe, viele neue Geschäfte hätten sich angesiedelt. "Wir haben hier Leben reingebracht."

Doch Ikea steht wie alle großen Einzelhändler vor einer zentralen Herausforderung: Das Einkaufsverhalten hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert. Die zunehmend leere Innenstadt zeugt davon, dass Menschen keine Niederlassungen mehr brauchen, sondern lieber online shoppen. Das merkt auch der Möbelriese. Der Onlineshop wird derzeit runderneuert. Und im Einzelhandel? Geht man neue Wege. Kleine Planungsbüros, in denen Küchen und Schrankwände geplant und dann bestellt werden, boomen. Das neuste Projekt sind B2B-Studios, um Firmen mit Ikea-Möbeln zu versorgen. Ein Extra-Verkaufsbereich werde auch in Altona noch dieses Jahr eröffnen, um Unternehmer als Kunden zu werben.

Die Filiale in Altona ist in ihrer Art einzigartig. Aber bleibt das so? Hier fällt die Antwort bei Ikea schwammig aus. Man prüfe Standorte, sei immer neugierig. Aber ein City-Markt wie im Hamburger Westen? Das scheint ohne ein solches Immobilien-Schnäppchen und bei dem veränderten Einkaufsverhalten der Kunden kaum noch lohnenswert. Dass Menschen erst über den Wochenmarkt schlendern und dann ein Sofa kaufen, das wird es so nur in Hamburg-Altona geben.

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