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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hessens Ministerpräsident Vom Verlierer zum Regierungschef: Der Aufstieg des Boris Rhein
Boris Rhein (CDU) will auch nach der Landtagswahl am 8. Oktober als Ministerpräsident mit seiner Partei weiter regieren. Doch wer ist der "Frankfurter Bub" eigentlich?
Frankfurterinnen und Frankfurter erinnern sich noch gut an das Jahr 2013. Das antikapitalistische Bündnis "Blockupy" rief zu einer Demonstration gegen die Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank auf. Nach etwa 20 Minuten wurde der Demozug der über 10.000 Teilnehmenden von der Polizei gestoppt. Ein Großaufgebot separierte etwa eintausend Aktivisten. Im sogenannten "Frankfurter Kessel" mussten die Aktivisten mehrere Stunden verharren. Bei Auseinandersetzungen wurden dabei mehrere Demonstranten schwer verletzt.
Nicht wenige gaben Boris Rhein eine Mitschuld an der Eskalation. Rhein war damals Staatssekretär im von Bouffier geführten Innenministerium. Immerhin ordnete Rhein die Maßnahme als durchaus angemessen ein.
Ein Jahr zuvor verlor der "Frankfurter Bub", wie er sich selbst stets nennt, überraschend die Oberbürgermeisterwahl gegen den damals völlig unbekannten Peter Feldmann, der unter anderem wegen Korruptionsvorwürfen im Zuge der AWO-Affäre am 6. November 2002 durch einen Bürgerentscheid aus dem Amt gewählt wurde.
Rhein passte damals als CDU-Hardliner nicht in das Bild der weltoffenen Mainmetropole. Er ging siegesgewiss in den OB-Wahlkampf, doch er verscherzte es sich vor allem mit den hiesigen Fans von Eintracht Frankfurt. Rhein, ein enger Vertrauter des "schwarzen Sheriffs" Volker Bouffier, suchte sich bereits 2011 den "Problemfan", den "Ultra", aus und wollte mit aller Härte gegen ihn vorgehen.
Rhein sieht die Polizei potenziell durch eine linke "Tsunami-Welle" geflutet
Dagegen wehrten sich die Frankfurter "Ultras". Als die Eintracht in der 2. Bundesliga kickte, hissten die "Ultras" im Stadtderby gegen den FSV Frankfurt das Banner: "Ob SGE, ob FSV, Boris Rhein will keine Sau".
Nach seiner OB-Wahlschlappe verbot er im Mai 2012 eine "Blockupy"-Demo. Auf die Linken prügelte Rhein gern rhetorisch weiter ein. Seine Rede im Hessischen Landtag bleibt unvergessen, als er die Polizei potenziell durch eine linke "Tsunami-Welle" geflutet sah. Ein Jahr später folgten seine verständnisvollen Worte zum "Frankfurter Kessel".
Danach ging es für den einstigen Hoffnungsträger der CDU erst einmal bergab. Im Bouffier-Kabinett wurde er in das Wissenschaftsressort gesteckt, dann 2019 zum Landtagspräsidenten ernannt, womit der Aufstieg des Bouffier-Buddys begann. Als hätte Rhein einen Imagewandel erlebt, trat er souverän, verständnisvoll und umgänglich auf. Auch in schwierigen Lagen traf er den richtigen Ton. Nach dem rassistischen Anschlag von Hanau sagte Rhein: 76 Jahre nach der Shoah habe das Land ein bedrohliches Problem mit Rechtsextremismus – "hier, hier, ausgerechnet in Deutschland".
Am 31. Mai 2022 trat der 50-Jährige die Nachfolge des dienstältesten Ministerpräsidenten Deutschlands an. Wie Bouffier gibt sich auch Rhein bürgerlich und liberal. Er kündigte damals an, mit den Grünen neue Akzente zu setzen, obwohl Rhein weiß, dass er an den Koalitionsvertrag gebunden ist.
CDU führt in aktueller Umfrage deutlich
Rhein befindet sich seit seiner Amtszeit als Landesvater im Wahlkampf. Rhein hat den Spagat geschafft, mit den einst verhassten Grünen verlässlich weiterzuregieren, aber auch politische Signale an die Partei und die Wählerschaft zu senden. Die Grünen müssten sich von der CDU absetzen, wenn sie weiter als progressiv-bürgerliche Kraft wahrgenommen werden wollen. Denn stets regieren sie brav als Biedermeier neben der CDU. Ureigene Projekte lehnten die Grünen ab, um keinen Koalitionsstreit auszulösen.
Aktuell sieht es danach aus, dass die CDU mit Rhein weiter den Ministerpräsidenten stellen wird. Nichts deutet derzeit auf eine Wechselstimmung hin. Nach aktuellen Umfragen des Hessischen Rundfunks führt die CDU deutlich mit 31 Prozent. Dahinter entsteht ein Dreikampf um Platz zwei. Die SPD liegt bei 18 Prozent, dann folgen Grüne und AfD jeweils mit 17 Prozent. Rechnerisch ist eine Fortführung des schwarz-grünen Bündnis möglich oder eine Koalition aus CDU und SPD.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Vize-Minsterpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) müssen demnach in den nächsten drei Wochen nochmal ordentlich im Wahlkampf die Unentschlossenen überzeugen, damit es am Ende nicht auf einen Kampf um Platz zwei mit der AfD hinausläuft.
- Eigene Recherchen
- faz.net: "Schwerverletzte bei Blockupy-Demonstration"
- hessenschau.de: "Wer ist Boris Rhein und was hat er vor?"
- hessenschau.de: "Gute Karten für CDU und Rhein, schlechte Aussichten für Faeser und eine Ampel"