Clankriminalität in Frankfurt? Sonderkommission geht gegen Gewalttaten vor
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Seit 2023 geht eine Sonderkommission der Polizei Frankfurt gegen zwei rivalisierende Gruppierungen vor. Den Begriff "Clankriminalität" verwendet sie nur mit Vorsicht.
Im Mai vergangenen Jahres schossen unbekannte Täter in Frankfurt aus ihrem Fahrzeug heraus auf ein Auto. Wenige Tage zuvor war es im Einkaufszentrum Skyline Plaza in Frankfurt zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit Reizstoff-Einsatz gekommen. Am selben Abend kam es zu einem Raub in einem Kiosk in Höchst. Drei unbekannte Männer gingen auf den Mitarbeiter los, schlugen und traten ihn. Anschließend flüchteten sie. Das ist nur ein Ausschnitt aus der Serie an Gewalttaten, die seit mehr als zwei Jahren in der Mainmetropole andauert.
Wie die Polizei im Mai vergangenen Jahres in einer Mitteilung ausführte, seien diese Taten mutmaßlich Ausfluss aus einem "offensichtlich nicht abschließend befriedeten" oder auch "neu entflammten Konflikt zweier rivalisierender Gruppierungen". Die handelnden Akteure seien darüber hinaus zum Teil verwandtschaftlich verbunden. Aus diesem Grund hat das Polizeipräsidium Frankfurt im Mai die Sonderkommission 2804 (Soko 2804) eingerichtet, in der die laufenden und auch zukünftigen polizeilichen Maßnahmen und Ermittlungen im Zusammenhang mit diesen Ereignissen gebündelt werden.
Weniger delinquentes Verhalten und respektloses Auftreten
Die Soko 2804 gliedert sich in verschiedene Einsatzabschnitte, wie ein Sprecher der Polizei Frankfurt auf Nachfrage von t-online mitteilt. Unter anderem ermittle sie zu den genannten Vorfällen und den Hintergründen. Einen weiteren Baustein würden offene Präsenz- und Kontrollmaßnahmen an relevanten Objekten und bekannten Treffpunkten der rivalisierenden Gruppierungen bilden.
Seit die Soko 2804 ihre Arbeit aufgenommen hat, sei es durch die Maßnahmen zu einem deutlichen Rückgang des "delinquenten Verhaltens und respektlosen öffentlichen Auftretens der betroffenen Personen" gekommen. Zudem habe man zwischenzeitlich mehrere Personen inhaftiert und "abgeschoben". Auch Waffen und gefährliche Gegenständen in der Menge einer mittleren zweistelligen Zahl seien sichergestellt worden.
Handelt es sich um sogenannte Clankriminalität?
Im Fokus der gegründeten Sonderkommission stehen laut der Polizei Frankfurt einzelne Mitglieder einer Großfamilie sowie eine Gruppierung aus dem Bereich Frankfurt-Sossenheim. Die Mitglieder der zweitgenannten Gruppierung würden jedoch keine familiäre Bindung untereinander aufweisen – sie würden sich aus der gemeinsamen Kindheit oder Jugend kennen und seien von unterschiedlicher ethnischer Herkunft.
Doch handelt es sich nun bei den Taten der jeweiligen Gruppierungen auch um sogenannte Clankriminalität? Wie der Frankfurter Polizeisprecher erklärt, kann lediglich das delinquente Verhalten der Mitglieder der Großfamilie als Clankriminalität bezeichnet werden. Dies liege an der bundeseinheitlichen Definition des Begriffs aus dem Jahr 2021.
Kein Bandenkrieg rivalisierender Gruppierungen in Frankfurt
Bei der Betrachtung der Clankriminalität sei zudem hervorzuheben, dass nur tatverdächtige Angehörige aus den Clanstrukturen im polizeilichen Fokus stehen und nicht die gesamte Familie. Die Ermittlungen würden sich nie gegen Bevölkerungsgruppen oder Familienverbände richten, sondern würden stets einer Einzelfallbetrachtung unterliegen.
In diesem Fall sei die Sossenheimer Gruppierung nicht als Clan zu bezeichnen. Wie der Polizeisprecher weiter mitteilt, seien bis auf das geschilderte Verhalten der einzelnen Mitglieder besagter Großfamilie keine Clanstrukturen in Frankfurt bekannt. Auch ein "Bandenkrieg" rivalisierender Gruppierungen existiere laut Polizei nicht.
- Gespräch mit einem Sprecher der Polizei Frankfurt
- presseportal.de: "Frankfurt: Einrichtung einer Sonderkommission beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main" vom 05.05.2023
- Recherche der Redaktion