LKW-Streik in Gräfenhausen Polnischer Unternehmer stellt Anzeige gegen Fahrer
Über 150 Lastwagenfahrer fordern ihren offenen Lohn ein. Seit mehreren Tagen protestieren sie an den Raststätten Gräfenhausen West und Ost – und erhalten viel Unterstützung.
Im Streik osteuropäischer Fernfahrer wegen offener Lohnforderungen hat nun der polnische Speditionsunternehmer Mazur, für den die Streikenden fahren, Anzeige erstattet. "Im Rahmen der Anzeige wird neben anderen Delikten auch der Vorwurf der Erpressung erhoben", sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt. "Ob und inwieweit die erhobenen Vorwürfe zutreffen und wie der Sachverhalt rechtlich zu bewerten sein wird, ist Gegenstand der Ermittlungen."
Ein Sprecher des Unternehmens sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Unternehmer sei in der vergangenen Woche bei der Staatsanwaltschaft in Darmstadt gewesen. Es habe auch Versuche gegeben, mit dem Bürgermeister der angrenzenden Kommune und der Polizei zu sprechen. Gespräche mit den seit zwei Wochen streikenden Fahrern habe es nicht gegeben.
Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen, bezeichnete das Vorgehen des Unternehmers als neue Eskalationsstufe und "bodenlose Frechheit. Das ist der Versuch, die Opfer zu Tätern zu machen." Der Spediteur solle den Fahrern endlich das ihnen zustehende Geld zahlen.
Geschäftsmodell basiert auf Ausbeutung
Dominique John, Leiter des Beratungsnetzwerks Faire Mobilität sprach angesichts der Verträge der Fahrer, die als Scheinselbständige gelten, von einem auf Ausbeutung basierenden Geschäftsmodell, dass beendet werden müsse.
Dabei handle es sich bei den Arbeitsbedingungen der nun Streikenden um keinen Einzelfall, betonte Anna Weirich von Faire Mobilität. "Wir sprechen seit Jahren mit Fahrern unterschiedlicher Herkunft, die uns berichten, wie sie in Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt werden. Die schlimmsten Ausbeutungsfälle beobachten wir bei Fahrern aus Drittstaaten, denn ihr Aufenthalt hängt am Arbeitsverhältnis. Wir sprechen hier von einer doppelten Abhängigkeit."
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Die mittlerweile rund 150 Fahrer, die vor allem aus Georgien, Usbekistan, Kasachstan und Tadschikistan kommen, geben an, seit bis zu fünf Monaten keinen Lohn erhalten zu haben. Sie wollen den Streik auf der Autobahnraststätte fortsetzen, bis auch der letzte von ihnen sein Geld erhalten hat.
Bereits vor gut drei Monaten waren in Gräfenhausen rund 60 Fahrer derselben Spedition in den Streik getreten und konnten nach sechs Wochen ihre Forderungen durchsetzen. Ihr Arbeitskampf weckte auch stärkere Aufmerksamkeit für die Arbeitsbedingungen im internationalen Gütertransport: Fahrer, die oft weit über acht Stunden arbeiten, monatelang in den Lastwagen fahren und - wenn überhaupt - nur den Mindestlohn östlicher Staaten erhalten. Die Gewerkschaften fordern schon lange: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.
Linke unterstützt streikende LKW-Fahrer
"Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und für ein Ende der Ausbeutung hat unsere Unterstützung", sagte Jan Schalauske, Vorsitzender der Linken-Fraktion im hessischen Landtag. "Die Politik muss endlich dafür sorgen, dass die Einhaltung des Mindestlohnes konsequent überprüft wird. Außerdem müssen die Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer europaweit vereinheitlicht und deutlich verbessert werden."
- Twitter/Faire Mobilität
- Nachrichtenagentur dpa