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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Airport Frankfurt-Hahn Platzt der russisch-chinesische Flughafen-Deal?
Der russische Oligarch Viktor Charitonin will den insolventen Flughafen Hahn kaufen. Auch das Land Hessen steckt mit drin, denn es besitzt Anteile am Flughafen. Wie es nun weitergeht, entscheidet sich wohl am Dienstag.
Der insolvente Flughafen Hahn soll verkauft werden. Zwei potenzielle Käufer stehen bereits fest. Zum einen die NR Holding AG. Die NR Holding besitzt den Nürburgring. Hinter der Gesellschaft steht der Oligarch und russische Pharmaunternehmer Viktor Charitonin. Zum anderen die Mainzer Firmengruppe Richter, ein Immobilienunternehmen. Der einstige Investor mit dem höchsten Kaufangebot im ursprünglichen Hahn-Bieterverfahren, die Frankfurter Swift Conjoy GmbH, zahlte nach dpa-Informationen nie den vereinbarten Kaufpreis.
Den Verkauf wickelt zwar der Insolvenzverwalter ab, dennoch bleibt für das Land Hessen ein bitterer Beigeschmack. Denn Hessen hat nach wie vor einen Anteil von 17,5 Prozent am insolventen Flughafen und steckt somit mittendrin in einem russisch-chinesischen-Deal.
Bis 2016 war das Land Rheinland-Pfalz mit ebenso 17,5 Prozent beteiligt, verkaufte jedoch seinen Anteil an die chinesische Shanghai Yiqian Trading. Auch das Land Hessen versuchte seinen Anteil an dieses Unternehmen zu verkaufen. Doch weil das Unternehmen nur sechs Angestellte und undurchsichtige Investoren hatte, platzte der Verkauf. Danach ging der Flughafen an die HNA Airport GmbH – ein Unternehmen mit Sitz in der chinesischen Stadt Haikou City. Hessen jedoch behielt seine Anteile, weil das Unternehmen kurzfristig den Notartermin mit dem deutschen HNA-Partner, der ADC GmbH aus Deidesheim, absagte.
Und was sagt die hessische Landesregierung dazu? Das hessische Finanzministerium ist gegen den möglichen Verkauf des insolventen Flughafens Hahn im Hunsrück an einen russischen Investor. "Wir bitten die Bundesregierung, die gemäß des Außenwirtschaftsgesetzes mit der Prüfung des Vorgangs betraut ist, all ihre Möglichkeiten auszuloten, diesen Verkauf zu verhindern", teilte das Ministerium auf t-online-Anfrage am Montag mit.
Der russische Oligarch Charitonin steht zwar nicht auf der Sanktionsliste, die nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine erstellt wurde. Somit ist rechtlich am Hahn-Deal nichts zu rütteln. Er steht aber auf der "Putin-Liste". Diese wurde vor sieben Jahren vom US-Finanzministerium erstellt, als die US-Amerikaner Russland Wahlsabotage vorwarfen. Auf der "Putin-Liste" stehen 210 russische Personen, darunter alle führenden Mitgliedern der russischen Regierung und Besitzer großer russischer Unternehmen.
Dennoch kann der Deal durchaus noch platzen, denn das Bundeswirtschaftsministerium könnte dem Kauf im Zuge des Investitionsprüfverfahrens gemäß dem Außenwirtschaftsgesetz einen Riegel vorschieben. Ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums sagt auf-t-online-Anfrage: "Zu etwaigen Investitionsprüfverfahren kann ich keine Auskunft geben, deren Einleitung also weder dementieren noch bestätigen. Allgemein lässt sich sagen, dass in einem Investitionsprüfverfahren sämtliche relevanten zur Verfügung stehenden Informationen genutzt werden."
Hessische Landesregierung hat sich selbst in die Situation gebracht
Es ist demnach offen, wie es am Ende ausgehen wird. Da Viktor Charitonin zu jenen Oligarchen gehört, die öffentlichkeitsscheu sind, ist es schwer zu beurteilen, wie nahe er Kremlchef Wladimir Putin steht.
Für die SPD-Landtagsfraktion steht jedoch fest, dass es sich nun für die schwarz-grüne Landesregierung räche, dass es ihr bis heute nicht gelungen sei, den Anteil des Landes zu verkaufen, sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Marius Weiß. "Das Ergebnis ist, dass zukünftig in der Gesellschafterversammlung des Flughafens Hahn die Vertreter des Landes Hessen möglicherweise mit Vertretern eines mutmaßlichen Putin-Freundes zusammenarbeiten müssen. In diese Situation hat sich die Landesregierung selbst hineinmanövriert, sie muss nun auch selbst sehen, wie sie das Problem lösen kann."
Die FDP äußert sich gegenüber t-online zurückhaltender als SPD und Linke. Es sei Vorsicht geboten, wenn ein russischer Oligarch kritische Infrastruktur in Deutschland kaufen möchte, sagt die haushaltspolitische Sprecherin Marion Schardt-Sauer. Aber: "Wenngleich eine Vorverurteilung nicht angebracht ist, so müssen die Fakten genau geprüft werden. Es darf nicht vergessen werden, dass Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Von daher ist die ablehnende Haltung der hessischen Landesregierung nachvollziehbar.“
Eine Gläubigerversammlung am Dienstag soll Antworten liefern
Auch die Linke im Landtag übt scharfe Kritik an der Landesregierung. "Ein möglicher Verkauf des Flughafens Hahn an einen russischen Oligarchen wäre mehr als befremdlich", sagt der Fraktionsvorsitzende Jan Schalauske. "Einerseits mit weitreichenden Sanktionen auch den einfachen Menschen in Russland das Leben schwer zu machen und auf der anderen Seite Infrastruktur in Deutschland an einen Oligarchen zu verhökern, zeugt von doppelten Standards."
Über das weitere Vorgehen werde nun bei besonderen Gläubigerversammlungen mehrerer Hahn-Schwestergesellschaften am kommenden Dienstag vor dem Insolvenzgericht Bad Kreuznach entschieden. "Die weiteren Entwicklungen im Prozess sind offen", erklärte Insolvenzverwalter Jan Markus Plathner.
*Dieser Text wurde aktualisiert
- Eigene Recherche
- Anfragen an die Landtagsfraktionen der SPD, FDP und Linken
- Anfrage an die hessische Staatskanzlei
- Anfrage an das Bundeswirtschaftsministerium