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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beweisaufnahme im Fall Feldmann Awo-Mitarbeiterin sagt aus: "Frau Richter macht nichts ohne Berechnung"
Im Prozess gegen den abgewählten Frankfurter OB haben die ersten Zeuginnen ausgesagt. Sie liefern brisante Details zur Awo und Gesprächen mit Feldmann.
Der umstrittene Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann ist abgewählt. Am Freitag muss er sein Büro im Römer räumen – doch der Korruptionsprozess gegen ihn geht weiter. Nachdem er zum letzten Verhandlungstermin wegen eines "psychischen Ausnahmezustands" nicht erschienen war, sitzt der Noch-Oberbürgermeister am Mittwoch wieder auf der Anklagebank des Landesgerichts Frankfurt. Doch einer fehlt an diesem Tag: Gleich zu Beginn der Verhandlung erklärt der Vorsitzende Richter, dass Feldmanns Anwalt, Ulrich Endres, sein Mandat niedergelegt habe.
Gründe hierfür werden nicht genannt. Dafür hat ein anderer Strafrechtler den Platz von Endres eingenommen. Gemeinsam mit David Hofferbert wird er nun die Verteidigung des Noch-Oberbürgermeisters übernehmen.
Die Beweisaufnahme steht an diesem Mittwoch im Mittelpunkt: Dafür werden die ersten beiden Zeuginnen vernommen, anhand deren Aussage herausgefunden werden soll, wie Feldmanns Frau, Zübeyde Feldmann, eine überbezahlte Leitungsfunktion in einer deutsch-türkischen Kita der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Frankfurt erhalten hat.
Einstellung von Feldmanns Frau bei Awo als "einmalige Situation"
Zuerst wird die zu dem damaligen Zeitpunkt für Personalangelegenheiten in den Awo-Kindertagesstätten zuständige Mitarbeiterin aufgerufen: Neuanstellungen für den Kita-Bereich liefen über ihren Tisch – doch Temizel sei im Jahr 2014 an ihr vorbei von der Awo-Leitung für den Posten ausgewählt worden. Im Frühjahr habe ihre Vorgesetzte Hannelore Richter sie "so nebenbei" darüber informiert, dass für die neu geplante Awo-Kita "Dostluk" bereits eine Führungskraft gefunden worden sei.
Für die Zeugin eine "einmalige Situation", da sie bis zu diesem Zeitpunkt weder eine Bewerbung erhalten habe, noch eine externe Stellenausschreibung erfolgt war. Die Idee für die deutsch-türkischsprachige Kita sei auf Vorschlag von OB Feldmann entstanden: Bei einem Sommerfest der Awo im August 2013 habe er die Zeugin zur Seite genommen und ihr seinen Vorschlag für die Kita unterbreitet. Nachdem die Planung seitens Vertretern der Awo und der türkischen Community begonnen hatten, sei gleich zu Beginn ersichtlich gewesen, dass diese Projekte einen besonderen Stellenwert in der Awo eingenommen habe. Es sei vonseiten des Ehepaars Richter als "Leuchtturmprojekt" benannt worden, so die Zeugin.
Erst im Mai 2014 habe die Zeugin die damalige Lebensgefährtin von Feldmann zum ersten Mal gesehen – daraufhin sei ein Kennlerngespräch vereinbart worden und Temizel habe eine Bewerbung eingereicht. Schon damals habe sie sich über die mangelnde Berufserfahrung Temizels gewundert, zudem müsse man für eine Leitungsfunktion innerhalb der Awo eigentlich eine "anerkannte Fachkraft" sein. Laut Aussage der Zeugin hatte Temizel zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihr Studium beendet, dies sei erst im März 2015 geschehen, was sie formell für eine Leitungsfunktion befähigte.
Aus diesem Grund habe die Zeugin durchgesetzt, dass Temizel als sogenannter "Trainee" einige Monate in einer anderen Frankfurter Kita Erfahrung sammeln sollte. Nach Eröffnung der Kita "Dostluk" im September 2015 habe Temizel in ihrer Funktion als Leitung Schwierigkeiten gehabt, ihre Aufgaben zu erfüllen, so die Zeugin. Sie habe in dieser Zeit Beschwerden von Eltern und anderen Mitarbeitern erhalten.
"Frau Richter macht nichts ohne Berechnung"
Zudem berichtet die Zeugin, dass sie erst im Ermittlungsverfahren erfahren habe, dass Hannelore Richter die von ihr vorgeschlagene, bereits "wohlwollende" tarifliche Einstufung Temizels zugunsten einer höheren Eingruppierung, und damit auch einem höheren Gehalt, verändert hatte. Auch die Vergabe eines Dienstwagens bestätigte die Zeugin, obwohl für gewöhnlich nur Mitarbeiter mit einem "sachlichen Grund" mit einem solchen ausgestattet worden sein – wie etwa das Pendeln zwischen zwei Einrichtungen.
Feldmann habe aber weiter keinen Einfluss auf das Vorhaben genommen, sagte die Zeugin. "Was man als Information verstehen kann, war bei Frau Richter durchaus eine klare Order", so die Zeugin über ihre ehemalige Vorgesetzte: "Frau Richter macht nichts ohne Berechnung."
Feldmanns Frau habe der Zeugin einige Jahre später berichtet, dass sie selbst eine Freundin mit mehr Berufserfahrung vorgeschlagen habe, die Awo-Leitung aber nicht darauf eingegangen sei und ihr eine hohe Eingruppierung plus Dienstwagen versprochen habe.
Die zweite Zeugin an diesem Tag, die ehemalige Frankfurter Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld (CDU), liefert vor Gericht Einblicke zu einem Gespräch zwischen ihr und Feldmann bei einer Theateraufführung im Mai 2018: Laut Aussage der Zeugin hatte Feldmann sie in der Pause des Stückes angesprochen und erzählt, dass er seitens der Richters von Problemen bei der Verhandlung über die Flüchtlingsunterbringung in Frankfurt gehört habe.
Feldmann: Prozesstag sei "sehr gut verlaufen"
Er habe zu ihr gesagt: "Die Awo war doch immer ein guter Vertragspartner. "Einige dich" oder "einigt euch", so Birkenfeld. Fünf Tage zuvor habe sie Jürgen Richter mitgeteilt, dass sie die Verträge mit der Awo kündigen wolle, da das Vertrauen in die gemeinnützige Organisation nicht mehr vorhanden sei. Eine prinzipielle Einigung über eine Vertragsauflösung habe es zu dem Zeitpunkt auch schon gegeben. Dies habe auch im Interesse der Stadt gelegen, so Birkenfeld auf Nachfrage. Ansonsten habe Feldmann keinen Einfluss speziell zugunsten der Awo geltend gemacht. Birkenfeld berichtet davon, dass der Oberbürgermeister in seiner Funktion Druck ausüben und gegebenenfalls sogar Zuständigkeiten ändern könne.
Feldmann scheint zufrieden mit dem Prozesstag zu sein: Am Rande des Verfahrens sagt er vor Journalisten, dass der Prozesstag sehr gut verlaufen sei. Der OB war am Sonntag in einem Bürgerentscheid abgewählt worden. Darauf und auf den aus seiner Sicht gut verlaufenen Prozesstag Bezug nehmend sagte Feldmann, dass man sich manchmal wünsche, eine Wahl hätte vier Tage später stattfinden können. Am Freitag wird das endgültige Ergebnis des Bürgerentscheids festgestellt, damit scheidet der 64-Jährige aus dem Amt.
- Eigene Beobachtungen
- Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa