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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deutscher geht an die Ukraine-Front "Es kann passieren, dass ich jemanden töten muss"
Tausende fliehen vor dem Krieg in der Ukraine. Dominik fährt in die andere Richtung. Der Essener will mit der ukrainischen Fremdenlegion gegen Putin in den Krieg ziehen. t-online konnte mit ihm sprechen.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine hat Europa in Schock versetzt, doch das osteuropäische Land wehrt sich gegen die Truppen Putins, die seit vergangener Woche einmarschieren. Kämpferische Unterstützung erhält die Ukraine mittlerweile auch aus dem Ausland, durch Freiwillige. Dominik ist einer von ihnen. Der 32-Jährige hat sich für einen Kampfeinsatz in der Ukraine gemeldet.
Aus Essen fuhr der Reitlehrer und ehemalige Feuerwehrmann direkt in das Land, das von Raketenangriffe erschüttert wird. Am Mittwochnachmittag überquerte er schließlich die Grenze.
Dominik hat keine ukrainischen Wurzeln. Als Grund für seinen gefährlichen Einsatz sagt er im Interview mit t-online: "Ich habe viele ukrainische Freunde. Es ist nicht schön, was passiert. Zu sagen, man (Russland, Anm. d. Redaktion) greift nur militärische Ziele an, um dann doch auf Zivilisten zu schießen, das ist ein Unding. Deutschland schickt keine Soldaten, da muss man eben anders helfen. Wenn ich meinen Beitrag leisten kann, mache ich das gerne."
Der 32-Jährige will sich der ukrainischen Fremdenlegion anschließen. Die Legion wurde erst vor wenigen Tagen ins Leben gerufen. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte in einer Erklärung "alle Bürger der Welt, Freunde der Ukraine, des Friedens und der Demokratie" aufgefordert, sich dem Kampf gegen Russland anzuschließen, wie mehrere Medien berichteten. "Jeder, der sich der Verteidigung der Ukraine, Europas und der Welt anschließen will, kann kommen und Seite an Seite mit den Ukrainern gegen die russischen Kriegsverbrecher kämpfen", so Selenskyj.
Freiwilliger aus Essen in der Ukraine: "Ich kann kämpfen"
Strafbar macht sich Dominik mit seinem Einsatz zunächst einmal nicht, teilt das Bundesjustizministerium auf Anfrage von t-online mit. Da er in der Fremdenlegion Teil der ukrainischen Streitkräfte ist, gilt er als Kombattant – also als regulärer Kriegsteilnehmer. Damit fällt er unter das humanitäre Völkerrecht und kann für Kriegshandlungen nicht belangt werden, solange es sich nicht um Kriegsverbrechen handelt.
Vor allem will Dominik als Sanitäter an der Front helfen. "Ich war Feuerwehrmann, jetzt kann ich mit meinem Wissen helfen. Ich bin im Sanitätsdienst eingesetzt, aber ich werde eine Waffe tragen. Ich will lieber Leben retten, statt zu kämpfen." Dass er aktiv in Kampfhandlungen verwickelt wird, will der 32-Jährige jedoch ausdrücklich nicht ausschließen. "Ich kann kämpfen", so der Freiwillige. Vor Ort soll er auch eine Waffe bekommen. "Das hat mir das Generalkonsulat bestätigt."
Vor dem Einsatz der Waffe würde Dominik im Ernstfall nicht zurückschrecken. "Es kann passieren, dass ich jemanden töten muss. Das macht mir große Sorgen. Ich würde nicht zögern. Aber ich habe Angst vor den Folgen danach."
Militärische Erfahrung besitzt er, bei der Bundeswehr absolvierte er die Grundausbildung. Aus Deutschland nimmt er vor allem medizinisches Material wie Verbandszeug und Kanülen mit. Vieles hat er privat organisiert, aber auch von Hausärzten aus der Region gesammelt. "Ich habe aber nur wenig bekommen."
Deutscher auf dem Weg in die Ukraine: "Ich habe Respekt, aber keine Angst"
Die erste Nacht in der Ukraine wird Dominik bei Bekannten verbringen. "Die haben ein warmes Bad. Das sind schöne Nachrichten nach so einer harten Fahrt." Am Donnerstagmorgen geht es in ein Lager der Fremdenlegion. Hier will er sich mit Gleichgesinnten treffen, das seien vor allem US-Amerikanern, Kroaten und andere Deutsche. "Und dann soll es schon Richtung Kiew gehen", so der Freiwillige.
Obwohl er selbst Menschen im Kampfgebiet helfen möchte, die schwer verletzt sind, fürchtet Dominik sich nicht davor, selbst verwundet oder gar getötet zu werden. "Ich habe Respekt vor der Situation, aber keine Angst. Ich kann ja auch in der Stadt überfahren werden. Angst habe ich nur vor Putins Atombomben."
Sein Umfeld zeigt sich zwiegespalten über die waghalsige Aktion. "Meine Freundin sieht es entspannter als die Familie – noch. Mein Vater versteht mich. Aber meine Mutter macht sich große Sorgen." Dominik musste ihr versprechen, sich jeden Tag zu melden. "Ich schreibe ihr jeden Abend, damit sie weiß, dass ich den Tag überlebt habe, und jeden Morgen, damit sie weiß, dass ich die Nacht überlebt habe."
- Telefoninterview und Chats mit Dominik
- Anfrage an das Bundesministerium der Justiz
- Eigene Recherche