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Das zweite Leben für Myulkie Yusein: Gedenkstunde im Landtag


Düsseldorf
Das zweite Leben für Myulkie Yusein: Gedenkstunde im Landtag

Von dpa
30.06.2021Lesedauer: 3 Min.
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-WestfalenVergrößern des Bildes
Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, entzündet während der zentralen Gedenkstunde für die Opfer der Corona-Pandemie im Landtag eine Kerze. (Quelle: Marius Becker/dpa/dpa-bilder)
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Auf dem Platz von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet im Landtag sitzt am Mittwoch Myulkie Shakir Yusein. Die 30-jährige Remscheiderin war schwer an Covid-19 erkrankt, als sie von ihrem Sohn entbunden wurde. "Zwei Sekunden habe ich ihn gesehen", sagt Yusein in einem eingespielten Film. Rund fünf Wochen lag die junge Frau im Koma und musste an die ECMO angeschlossen werden - die Lungenmaschine, die bei ganz schweren Covid-Verläufen eingesetzt wird. Yusein überlebte. Am 13. Mai wurde sie aus dem Koma geholt.

In einer bewegenden Trauerzeremonie im Landtag gedenken Politiker, Pflegekräfte, Ärzte und Betroffene wie Yusein am Mittwoch der Opfer der Corona-Pandemie in Nordrhein-Westfalen. Gemeinsam zünden sie mit Laschet (CDU), Landtagspräsident André Kuper und der Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichts, Barbara Dauner-Lieb, im Plenarsaal Kerzen für die Verstorbenen an. Auch Yusein geht mit noch unsicheren Schritten langsam zu dem Tisch in der Mitte des Plenarsaals.

Neben Yusein sitzt Ulrike Peters auf der Regierungsbank. Sie sah ihren Vater zum letzten Mal, als er mit Luftnot in den Krankenwagen geschoben wurde. "Das war die letzte Begegnung mit meinem Vater", sagt sie in dem Film.

In NRW starben seit dem Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 mehr als 17 120 Menschen im Zusammenhang mit Corona. Es ist vor allem das Sterben in Einsamkeit, das Ministerpräsident Laschet in der Gedenkstunde zum Thema macht. Die monatelangen Besuchsverbote in Krankenhäusern und Altenheimen bewegen den gläubigen Katholiken besonders. Nähe, eine Umarmung, ein Händedruck, das alles sei massiv eingeschränkt gewesen - "schmerzlich und bitter für viele Menschen".

Und deshalb bittet der Ministerpräsident die Hinterbliebenen um Verzeihung, die ihren erkrankten Angehörigen nicht in den letzten Stunden beistehen durften. "Diese Entscheidungen, die dazu geführt haben, dass Menschen einsam sterben mussten, waren ein gravierender Fehler", gesteht Laschet ein.

Ärzte und Pfleger berichten in dem eingespielten Film von der Isolation auf den Stationen und davon, dass auch sie keine Hände sterbender Menschen halten durften. "Wir waren am Anfang nicht darauf vorbereitet", sagt der Arzt Timo Brandenburger.

"Corona hat bei uns allen seelische Wunden und Narben hinterlassen", sagte die Seelsorgerin Simone Bakus, die in der Uni-Klinik Düsseldorf arbeitet. Sie berichtet von den quälenden Fragen derer, die ihre Angehörigen im Tod allein lassen mussten. Hatten sie Angst, fühlten sie sich im Stich gelassen, wollten sie vielleicht noch etwas sagen?

Leere Innenstädte, gesperrte Spielplätze, leere Klassen, Hörsäle, Theater - die Bilder der einschneidenden Folgen des monatelangen Lockdowns reihen sich aneinander. Corona habe Spuren hinterlassen, Freiheitsrechte seien eingeschränkt worden, sagt Landtagspräsident Kuper. Er gesteht Fehler ein. "Denn niemand von uns hatte Erfahrung mit einem Krisenmanagement diesen Ausmaßes." Auch die Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichts, Dauner-Lieb, sagt, die Entscheidungsträger seien überfordert gewesen, auch weil sie die Freiheit der Menschen massiv hätten einschränken müssen. "Wir müssen und mussten Entscheidungen von großer Tragweite treffen, ohne eine vernünftige Tatsachengrundlage zu haben."

"Beinahe Übermenschliches" hätten Ärzte und Ärztinnen und Pfleger geleistet, sagt Laschet. Er dankt allen tausenden Helferinnen und Helfern in der Pandemie - vom Paketzusteller über die Kassiererin bis zu den Pflegekräften.

Die Unsicherheit, wie es nach eineinhalb Jahren Pandemie und dem Auftreten neuer Corona-Varianten weitgehen wird, ist auch in der Gedenkstunde spürbar. Trotz derzeit sinkender Neuinfektionszahlen gebe es "keinen Grund zum Übermut", warnt Laschet. "Neue gefährliche Varianten können uns sehr schnell wieder mit steigenden Infektionszahlen konfrontieren", sagt er. Und man müsse den ganzen Tag hoffen, dass keine Variante entstehe, gegen die der Impfstoff nicht wirke, sodass man wieder von vorne anfangen müsse.

Das Coronavirus wird die Menschen nach Worten Laschets weiter begleiten. "Wir müssen lernen, mit dem Virus zu leben, auch wenn die Schrecken der Pandemie einmal verblasst sein werden."

Die junge Mutter Yusein wird die dramatische Geburt ihres Sohnes nie vergessen. Am 1. Juni wurde sie 30 Jahre alt. Aber auch der 13. Mai, als sie aus dem Koma erwachte, sei nun ihr Geburtstag. "Jetzt habe ich zweimal Geburtstag."

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