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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Deal im Remmo-Clan-Verfahren "Das hat etwas Anrüchiges"
Fünf Mitglieder des Remmo-Clans wurden heute zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten Kunst, die mehrere Millionen Euro wert ist, aus dem Grünen Gewölbe in Dresden gestohlen. Waren die Strafen aufgrund eines Deals zu gering?
Dreieinhalb Jahre nach dem spektakulären Juwelendiebstahl aus dem historischen Grünen Gewölbe in Dresden sind fünf junge Männer aus dem Berliner Remmo-Clan zu Freiheitsstrafen verurteilt worden. Das Dresdner Landgericht sprach sie am Dienstag der besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, des Diebstahls mit Waffen, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Brandstiftung schuldig. Das Strafmaß fußt auf einem sogenannten "Deal", also einer Verständigung zwischen Gericht und Prozessbeteiligten. Viele Schmuckstücke wurden zurückgegeben und die Täter legten ein Geständnis ab.
Solche Deals erwecken häufig den Eindruck einer bestechlichen oder beeinflussbaren Justiz und korrupter Richter. Professor Michael Gubitz, selbst Strafverteidiger, aber auch Lehrbeauftragter für Straf- und Prozessrecht an der Ruhr-Universität in Bochum sieht das ganz anders. Im Gespräch mit t-online äußert er sich zu solchen Deals und auch zur Strafmaßfindung.
t-online: Herr Gubitz, sind solche Deals wie jetzt beim Remmo-Clan ungerecht?
Michael Gubitz: Ganz klar: Nein. Es wird sich dabei an Recht und Gesetz gehalten und es gibt dazu klare rechtliche Vorgaben. Die Verständigung ist vom Bundesverfassungsgericht mehrfach abgesegnet, so wie es jetzt gemacht wird. Man kann an Details sicherlich Kritik üben, aber es ist nicht ungerecht und auch nicht unmoralisch.
Aber warum braucht es Ihrer Ansicht nach solche Deals?
Diese Absprachen haben das Ziel, Prozesse abzukürzen, aber in einer rechtsstaatlichen Art und Weise. Die gesetzliche Vorschrift dazu ist aus dem Jahr 2009. Sie ist so neu, dass der Bundesgerichtshof hier und da noch steuernd eingreift und sagt, was noch beachtet werden muss. Es findet also laufend eine Kontrolle statt. Und so verbessert sich auch die Rechtsanwendung von Tag zu Tag.
Prof. Dr. Michael Gubitz, Rechtsanwalt
Michael Gubitz ist Fachanwalt für Strafrecht in Kiel. In Schleswig-Holstein ist er außerdem im Vorstand der Rechtsanwaltskammer. Er hat an der Ruhr-Universität Bochum einen Lehrauftrag für Straf- und Strafprozessrecht und studierte selbst an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und ist als Strafverteidiger in eigener Kanzlei mit Standorten in Kiel und Hamburg tätig.
Wie läuft so was genau ab? Nicht-Juristen haben den Eindruck, dass in dunklen Hinterzimmern fragwürdige Dinge besprochen werden.
Es ist gut, dass Sie das ansprechen. In den Medien wird häufig von Deals gesprochen, das hat etwas Anrüchiges, als wenn gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen würde – das ist hier ja nicht der Fall. Das Gesetz spricht deshalb auch von einer "Verständigung".
Diese Besprechungen über die mögliche Verständigung finden dann auch nicht in einem dunklen Hinterzimmer statt, sondern in einem normalen Beratungszimmer im Gericht oder auch öffentlich im Verhandlungssaal. Und das Wichtigste ist: Alle Dinge, die vereinbart werden, kommen in allen Bestandteilen an die Öffentlichkeit, denn sie gelten nur, wenn sie später im Gericht öffentlich verlesen werden.
Konkret: Von wem kam eigentlich der Anlass zu diesem Gespräch? Wer hat was dazu gesagt? Was ist das Strafmaß, was sind die Obergrenzen, die Untergrenzen? Was muss auch der Angeklagte liefern, damit es zu so einer Verständigung kommt?
Kommen wir zum Remmo-Clan und dem Deal oder besser der Verständigung. Hier einigte man sich bei Herausgabe des Diebesguts und einem Geständnis auf Strafen rund um sechs Jahre Gefängnis. Wie werten Sie das Vorgehen des Gerichts?
Vorab: Ich kenne die konkreten Details dieses Verfahrens nicht. Den Medien war zu entnehmen, dass das Geständnis der Angeklagten offenbar für eine deutliche Verkürzung des Prozesses gesorgt hat und das bei einer nicht ganz klaren Beweislage.
Das ist für eine Strafzumessung ein nicht unwesentlicher Punkt, denn es erhöht natürlich den Wert eines Geständnisses. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Wiedergutmachung durch die Angeklagten. Eine Regelung hierzu findet sich in §46 a des Strafgesetzbuches. Die Rückgabe des Diebesgutes kann man als eine Art Wiedergutmachung werten, auch wenn vorliegend nicht alle Voraussetzungen der Norm komplett erfüllt sind.
In jedem Fall bleibt auch eine teilweise Wiedergutmachung ein wesentlicher Strafzumessungsaspekt. Beispiel: Wenn man also zunächst bei gut neun Jahren Freiheitsstrafe war, könnten bei Vorliegen zweier gewichtiger Strafmilderungsgründe sechs Jahre absolut angemessen sein und nicht aus dem Rahmen fallen.
Gibt es auch negative Erfahrungen, die Sie als Strafverteidiger mit Verständigungen gemacht haben?
Ja. Wenn angesichts der Bequemlichkeit eines schnellen Verfahrensabschlusses die Unschuldsvermutung aus dem Blick gerät. Es kommt vor, dass ein hoher Druck auf den Angeklagten ausgeübt wird, die Vorwürfe einzuräumen und mit einem erheblichen Auseinanderfallen des Strafmaßes mit und ohne Geständnis gedroht wird.
Das ist in all den Fällen, in denen einzelne oder alle Vorwürfe bestritten werden, natürlich eine ungeheure Zwangssituation. Man darf nicht vergessen, dass Akte und Anklage das einseitige Bild der Ermittlungsbehörden darstellen. Manchmal wäre es dann sinnvoll, erst in die Beweisaufnahme einzusteigen, um dieses Bild zu überprüfen. Dafür lässt das Drängen auf eine schnelle Verständigung keinen Raum.
Vielen Dank für das Gespräch.
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