Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Als der BVB die Arminia zerlegte "Die verrückteste zweite Halbzeit, die ich je erlebt habe"
Wenn der BVB an diesem Sonntag auf Arminia Bielefeld trifft, werden Erinnerungen an einen historischen Sieg wach. Vor 40 Jahren gelang im Duell mit den Ostwestfalen ein 11:1-Erfolg – zehn Tore erzielte der BVB dabei in der zweiten Halbzeit.
Nach dem denkwürdigen Ereignis sprach Rüdiger Abramczik einen großen Satz gelassen aus: "Warum sollten wir nicht Deutscher Meister werden?" Elf Tore in einem Bundesligaspiel, ein 11:1-Erfolg über Arminia Bielefeld, bis heute der höchste Sieg aller Zeiten des BVB in der deutschen Eliteklasse – das bot damals offenbar nicht nur bei den Anhängern viel Raum für kühne Träume.
Dabei hatte in der Halbzeitpause noch nichts auf dieses Spektakel hingewiesen, das Bundesliga-Geschichte schreiben sollte. 1:1 stand es an jenem 6. November 1982 nach den ersten 45 Minuten zwischen der gastgebenden Borussia und den Gästen aus Bielefeld.
Ein historisches Spiel
34.000 Zuschauer hatten im Westfalenstadion die Führung der Arminia gesehen, als Frank Pagelsdorf den Ball nach 16 Minuten im rechten Toreck platziert hatte. Auf der anderen Seite hatte Manni Burgsmüller nur drei Minuten später in typischer Torjäger-Manier den Ball zum Ausgleich abgestaubt.
Auf den Rängen herrschte eher Ernüchterung – die Dortmunder schielten damals am zwölften Spieltag auf die Tabellenspitze, doch der punktgleiche HSV führte zur Pause bereits 2:0 in Stuttgart.
Was dann passierte, bezeichnet Michael Zorc im Rückblick heute noch immer als "die verrückteste zweite Halbzeit, die ich je erlebt habe". Der Sportdirektor der Borussia spielte damals seine zweite Bundesligasaison und war ab der 60. Minute mittendrin und voll dabei in diesem historischen Match.
Das nahm direkt nach der Pause Tempo auf. Lothar Huber flankte von der rechten Seite, Burgsmüller versenkte den Flugkopfball in den Maschen. Nur 60 Sekunden später traf Abramczik. Der BVB – damals mit dem legendären "UHU"-Schriftzug auf dem Trikot – hatte die Weichen in zwei Minuten nach Wiederanpfiff mal eben auf Sieg gestellt.
Die Dortmunder spielten jetzt schneller, direkter, dynamischer. Die Arminia wiederum baute zunehmend ab, leistete sich immer wieder haarsträubende Fehler, blieb aber einer offensiven Linie treu – das konnte nicht gut gehen. "Uns fehlten erfahrene Spieler, die auf die Bremse traten", hat sich Bielefelds Coach Horst Köppel später geärgert. Kapitän Ewald Lienen fehlte erkrankt, Abwehrchef Horst Wohlers war gesperrt.
"Er hat alles reingehauen"
Und einer nutzte das so richtig: Manfred Burgsmüller, die 2019 viel zu früh verstorbene Sturm-Legende des BVB, versenkte an diesem Nachmittag gleich fünf Treffer im Kasten von Bielefelds bedauernswertem Keeper Olli Isoaho, immerhin finnischer Nationalkeeper. "Manni hat an dem Tag alles reingehauen, was er vor die Füße bekommen hat", hat sich Rüdiger Abramczik später schmunzelnd an seinen damaligen Mitspieler erinnert. "Manni stand immer richtig – und an dem Tag stand er super richtig."
Neben Manni und Abi waren es Bernd Klotz mit einem Dreierpack, Marcel Raducanu sowie Lothar Huber per Elfmeter in der Schlussminute, die den 11:1-Sieg herausschossen. Zwischen der 60. und 90. Minute fielen acht Tore für die Schwarz-Gelben.
"Schützenfest in Dortmund" schallte es von den Tribünen und die Fans zählten zwischenzeitlich den Countdown zur Zweistelligkeit runter: "Nur noch fünf…", „Nur noch vier…". Im Schnitt vergingen weniger als vier Minuten, ehe Isoaho wieder hinter sich greifen musste. Ein Spektakel, das Trainer Karl-Heinz Feldkamp nach Abpfiff erstaunlich nüchtern kommentiert haben soll: "Wir haben nicht mal berauschend gespielt, es war halt nur jeder Schuss ein Treffer."
An die Tabellenspitze vorbei am HSV führte der Kantersieg den BVB an diesem Tag trotzdem. Die Anhänger feierten und träumten wie Rüdiger Abramczik von der Meisterschale. Daraus wurde freilich nichts. Am Ende der Saison landete der BVB auf dem enttäuschenden siebten Platz und verpasste sogar das internationale Geschäft. Die am zwölften Spieltag so gedemütigte Arminia rangierte in der Schlusstabelle übrigens nur einen Platz hinter der Borussia. Und gewann auch das Rückspiel auf der Alm mit 1:0.
Dass die Bielefelder Dirk Hupe und Frank Pagelsdorf später selbst das schwarz-gelbe Trikot tragen sollten und Horst Köppel als Cheftrainer mit dem BVB 1989 den DFB-Pokal gewann, ist eine der Randnotizen zu diesem historischen Tag, von dem zwei Dinge bis heute Bestand haben: Nie hat die Borussia in der Bundesliga höher gewonnen. Und nie wieder hat ein Bundesligist in einer Halbzeit zehn Tore erzielt.
BVB: Eike Immel, Lothar Huber, Ralf Loose, Rolf Rüssmann, Siegfried Bönighausen, Meinolf Koch, Jupp Tenhagen, Manfred Burgsmüller, Marcel Raducanu, Rüdiger Abramczik (60. Michael Zorc), Erdal Keser (42. Bernd Klotz); Trainer: Karl-Heinz Feldkamp
- Eigene Recherchen