t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeRegionalDortmund

A45-Rahmedetalbrücke | Das macht der Sprengmeister vor der Zündung


Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.

A45-Rahmedetalbrücke
Sprengmeister: "Die Brücke darf nicht kippen"

InterviewVon Thomas Terhorst

Aktualisiert am 06.05.2023Lesedauer: 4 Min.
imago images 162183112Vergrößern des Bildes
Sprengmeister Michael Schneider (62): "Niemand darf zu Schaden kommen". (Quelle: IMAGO/Rene Traut)

Sprengmeister Michael Schneider löst im Mai die Sprengung der maroden Autobahnbrücke aus. Ein Interview über Rituale, Verantwortung und gesunden Schlaf.

Michael Schneider ist wohl einer der bekanntesten Sprengmeister Deutschlands. Der 62-Jährige hat mehrere Jahrzehnte Erfahrung im Sprengen von riesigen Autobahnbrücken und Hochhäusern. Hunderte Bauwerke hat er bereits zum Einsturz gebracht. Unter anderem brachte er die 70 Meter hohe Autobahnbrücke bei Siegen zu Fall. Auch bei der Sprengung der A45-Brücke Rahmede am 7. Mai in Lüdenscheid hat der gebürtige Sachse den Hut auf. Im Interview mit t-online spricht der Sprengtechnik-Chef der Liesegang GmbH über seine Gedanken kurz vor dem Knall, Verantwortung und Rituale.

t-online: Herr Schneider, der Termin für die Sprengung rückt immer näher. Womit haben Sie in den letzten Tagen nun zu tun?

Michael Schneider: Vor wenigen Minuten stand ich noch auf der Brücke. Letztendlich muss in den letzten Stunden vor der Sprengung die ganze Absperrung organisiert werden, die Sprengung komplementiert und der Zündkreis hergestellt werden. Das sind die letzten Vorbereitungsarbeiten – viel, viel Organisatorisches.

Wie würden sie Kindern erklären, was man bei einer Sprengung beachten muss?

Letztendlich ist es so, dass man sich überlegen muss: Was will man mit der Sprengung erzielen? Hier wollen wir erreichen, dass die Brücke nach unten kommt. Dann muss man sich die Frage stellen: Wie soll das funktionieren? Hier ist es so, dass die Brücke weder zur einen noch zur anderen Seite kippen darf. Das heißt, sie muss senkrecht nach unten abstürzen. Danach wird letztendlich das Sprengkonzept erarbeitet. Nach diesem Sprengkonzept arbeiten wir dann wiederum hier draußen und setzen dieses praktisch um. Und dann muss man natürlich aufpassen, dass niemanden etwas passiert. Das heißt: In aller Regel sind bei solchen Abbruchsprengungen sehr, sehr große Absperrbereiche vonnöten. Das ist eine sehr große, organisatorische und logistische Aufgabe.

Die A45-Rahmedetal-Brücke ist ganze 453 Meter lang – ist das die größte Sprengung, die Sie leiten?

Die Frage ist immer: Was ist groß? Eine meiner größeren Sprengungen, die ich als Bauleiter mitgemacht habe, war die Sinntalbrücke auf der A7 bei Fulda. Sie ist 750 Meter lang, aber eben nicht so hoch. Die Talbrücke Rahmede ist dagegen 70 Meter hoch, zudem waren bei der Sinntalbrücke keine Gebäude in Nähe der Sprengung vorhanden, wie das eben in Lüdenscheid der Fall ist. Man muss also differenzieren: Die Größe eines Gebäudes oder einer Brücke stellt nicht allein die Herausforderung dar. Natürlich, klar – 70 Meter Höhe und ein halber Kilometer Länge – das ist schon mal was. Darüber braucht man gar nicht zu reden. Aber wenn dieselbe Brücke mitten in einem Wald stehen würde, dann wäre es nicht so kompliziert, wie mit der Bebauung, die an der Brücke vorzufinden ist.

Worin besteht die größte Gefahr?

Hier ist Sprengstoff im Spiel. Also muss man hier Vorkehrungen und Vorsorge treffen – besonders beim Sprengvorgang selbst. Niemand darf zu Schaden kommen. Das ist mal das Eine: absolute Verhinderung von möglichen Personenschäden. Das Zweite ist natürlich, dass es keine materiellen Schäden geben darf. Die Galvanik-Fabrik steht gefühlt fast unter der Brücke – und auch die Wohnhäuser stehen nicht weit weg. Trotz allem sind wir hier felsenfest entschlossen und bemüht, eine schadensfreie Sprengung auszuführen.

Wer wird eigentlich den Auslöser der Sprengung betätigen?

Also hierzu sei gesagt: Dieses Herunterdrücken, wie es in den Filmen gerne gemacht wird, gibt schon lange nicht mehr. Diese Fahnenstange-Maschine sieht zwar immer spektakulär aus, hat aber übrigens auch nicht immer funktioniert. Wir haben mittlerweile eine elektrische Zündmaschine. Diese hat einen Kondensator, der aufgeladen wird, indem man praktisch eine Kurbel betätigt, um dann den Stromstoß abzugeben, der wiederum den Zünder zur Detonation für die Vergrämungssprengung zum Verscheuchen der Tiere auslöst.

Das, was aber die Hauptsprengung der Brücke auslöst, ist etwas ganz anderes: Das macht der Zündcomputer: Das auslösende Element sind hier zwei Knöpfe. Diese muss man für das Auslösen zusammen drücken, um nicht aus Versehen die Zündung auszulösen. Die Knöpfe werde ich bedienen, aus versicherungstechnischen Gründen darf das kein anderer.

Können Sie in den Nächten vor der Sprengung überhaupt schlafen?

Das werde ich oft gefragt. Ich kann recht gut schlafen. Es ist einfach so, dass wir einfach alles akribisch nach dem neuesten Stand der Technik, also sprich Zündmittel, Sprengmittel et cetera und natürlich nach bestem Wissen und Gewissen und Erfahrung vorbereiten. Dieses Gesamtpaket, das wir hier durchs gesamte Team einbringen, lässt mich dann auch gut schlafen.

Aber mal Hand aufs Herz, was geht Ihnen abends in den finalen Tagen durch den Kopf?

Ja gut, man stellt sich dann irgendwann den Moment nach der Sprengung vor. Man ist dann irgendwo auch froh, wenn die Anspannung vorbei ist. Man muss sich auch vorstellen, dass die Planungen ja schon einige Wochen laufen, da wird zum Ende hin die Anspannung immer mehr. Dann sehnt man sich irgendwann mal nach dem Augenblick, in dem man sagen kann: Ok – jetzt ist alles vorbei.

Gibt es Rituale, die Sie am Tag der Sprengung haben?

Nicht wirklich. Das einzige Ritual, das allerdings mit einer gewissen Ernsthaftigkeit begründet ist, ist, dass ich es mir meistens nicht nehmen lasse, zu versuchen, kurz vor der Sprengung in die Nähe der Sprengstelle zu gelangen. Ich will mich eben selber davon überzeugen, dass alles menschenleer ist, obwohl man das zu hundert Prozent weiß. In Lüdenscheid wird das allerdings eine Drohne übernehmen. Sie kann von oben viel besser den gesamten Bereich per Wärmebild erblicken als ich als kleines Menschlein, das bei dem großen Gebiet schon hinter dem nächsten Baum nicht mehr erblicken kann, was sich dort befindet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Michael Schneider, Sprengmeister bei Richard Liesegang GmbH & Co. KG
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website