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NRW: Anti-Terror-Einheit verhindert wohl islamistischen Anschlag


Ruhrgebiet
Anti-Terror-Einheit verhindert wohl islamistischen Anschlag

Von dpa
Aktualisiert am 08.01.2023Lesedauer: 4 Min.
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Großaufgebot der Polizei: Ein Video zeigt, wie der Verdächtige leicht bekleidet abgeführt wird.
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Im Ruhrgebiet ist ein Mann wegen Terrorverdachts festgenommen worden. Er soll einen islamistischen Anschlag vorbereitet haben. Giftstoffe wurden nicht gefunden.

Anti-Terror-Ermittler haben in Castrop-Rauxel, im nördlichen Ruhrgebiet, einen 32-Jährigen festgenommen, der einen islamistischen Anschlag vorbereitet haben soll. Die Ermittler gingen dem Verdacht nach, dass sich der Verdächtige die Giftstoffe Cyanid und Rizin besorgt haben soll. Am Mittag teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass bei der Durchsuchung keine Giftstoffe gefunden wurden.

Nach Angaben der "Bild"-Zeitung seien beim Zugriff gegen Mitternacht durch ein SEK-Kommando zwei Männer abgeführt worden. Sie seien nur spärlich bekleidet gewesen. Auf richterliche Anordnung wurden die Wohnräume des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel durchsucht. Der Einsatzort war weiträumig abgesperrt. Ein "befreundeter Geheimdienst" soll die deutschen Sicherheitsbehörden über die Anschlagsgefahr mit einer chemischen Bombe gewarnt haben.

Mögliches Anschlagsziel noch unbekannt

Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge, wie ein dpa-Reporter berichtete. Bei der Feuerwehr Recklinghausen sei eine Dekontaminationsstelle eingerichtet worden, berichteten die "Ruhr Nachrichten". Einsatzkräfte in Schutzanzügen kümmerten sich dort um sichergestellte Gegenstände, die in blauen Fässern zur Feuerwehr gebracht worden waren.

Gegen den Verdächtigen soll seit einigen Tagen ermittelt worden sein, berichtet die "Bild"-Zeitung. Unklar sei aber, wie konkret und wie weit fortgeschritten die Planungen waren und ob es ein Ziel für einen Anschlag gegeben hat. Die Ermittlungen dauerten am Morgen noch an.

Rizin fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz

"Der Beschuldigte ist verdächtig, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben", teilten die Ermittler mit. "Die Durchsuchung dient der Auffindung entsprechender Giftstoffe und anderer Beweismittel", hieß es am Morgen. Der 32-Jährige und eine weitere Person seien in Gewahrsam genommen worden. Laut einem Bericht des WDR soll es sich bei den beiden Männern um Brüder handeln. "Beweismittel wurden sichergestellt und werden ausgewertet."

Der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), sagte am Morgen: "Wir hatten einen ernst zu nehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen."

Der 32-Jährige soll nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus Sicherheitskreisen. Vielmehr wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Sein Bruder, der sich bei dem Zugriff der Polizei zufällig in der Wohnung des 32-Jährigen in Castrop-Rauxel aufhielt, war der Polizei zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Ob er in die mutmaßlichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte im Dezember gesagt, die vom Iran betriebene "Ausforschung von jüdischen Einrichtungen oder von Zielen, die mit dem Staat Israel in Verbindung zu bringen sind" habe sich verstärkt. Haldenwang sagte damals: "Wir müssen davon ausgehen, dass dies geschieht, um zu einem bestimmten Zeitpunkt Maßnahmen gegen diese Ziele vornehmen zu können." Gleichzeitig wies er auf die weiterhin hohe Gefahr islamistischer Anschläge, insbesondere durch selbstradikalisierte Einzeltäter, hin. Im Iran ist der schiitische Islam Staatsreligion. Zu den religiösen Minderheiten in der Islamischen Republik gehören sunnitische Muslime und Christen.

Terrorismusexperte sieht nach wie vor islamistische Bedrohung

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sieht nach wie vor eine islamistische Bedrohung für Deutschland. Den offenbar im Ruhrgebiet geplanten und von der Polizei verhinderten Anschlag sieht er als Beleg dafür. "Diese Bedrohung ist geringer als vor sechs oder sieben Jahren, aber sie existiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen", sagte der Professor am King's College in London am Sonntag bei der Klausur der CSU-Bundestagsabgeordneten im bayerischen Kloster Seeon.

Wegen der möglichen biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der "Bild" auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Das BKA wollte sich nicht zu dem Einsatz äußern und verwies auf die Generalstaatsanwaltschaft.

Rizin steht auf der Kriegswaffenkontrollliste

Cyanid ist auch als Blausäure bekannt und hochgiftig. Es kommt natürlicherweise in Bittermandeln vor. Cyanidverbindungen werden aber auch im Bergbau benutzt, um Metalle aus Erzen herauszulösen. Rizin ist ein giftiges Protein, das aus den Samen des Rizinusbaums gewonnen werden kann. Die allgemeine Verfügbarkeit der Pflanze Ricinus communis, die das Toxin produziert, macht Rizin nach Angaben des Robert Koch-Instituts trotz seiner im Vergleich zu Botulinum- oder Shiga-Toxin geringeren Toxizität zu einem potenziellen biologischen Kampfstoff. Es steht auf der Kriegswaffenkontrollliste unter "Biologische Waffen".

Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: In einem 15-stöckigen Gebäude in der Hochhaussiedlung Chorweiler hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst hatte wegen der Onlinekäufe großer Mengen Rizinus-Samen Verdacht geschöpft und einen Tipp gegeben. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13.500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.

Verwendete Quellen
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