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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Corona-Hochburg Bremen "Passt auf, wir haben einen Flächenbrand"
Bremen ist Corona-Spitzenreiter: Hier liegt die Inzidenz bei über 1.300. Im Corona-Hotspot gilt nun vielerorts eine Testpflicht. An den Testzentren gibt es Schlangen, die Betreiber sind an der Kapazitätsgrenze. Ein Ortsbesuch.
Mit diesem Andrang hat am Werder Karree wohl niemand gerechnet. Rund 20 Menschen warten am Dienstagnachmittag in der nicht kürzer werdenden Schlange vor dem Schnelltest-Container am Einkaufszentrum. Das Thermometer zeigt frostige zwei Grad Celsius an.
Nach 40 Minuten hat René Höhnel den Abstrich hinter sich. "Das war Rekord", sagt er verwundert. Selbst am zweiten Weihnachtsfeiertag habe er nicht so lange angestanden. Höhnel hat Erfahrung, eigentlich lässt er sich als noch nicht vollständig Geimpfter hier täglich nach Feierabend testen. "Sonst werde ich nach Hause geschickt", sagt er. Der zusätzliche Aufwand sei zwar ein bisschen nervig, aber eben ein kleines Muss: "Ich will auch sichergehen."
Testcenter in Bremen: Unerwarteter Ansturm seit dieser Woche
Erstaunt zeigt sich auch Laborkreis-Geschäftsführer Markus Berlik, der das Testzentrum betreibt. "Das ist krass", sagt er, als die Mitarbeiter ihm erzählen, dass der Andrang seit Wochenbeginn steige. Bremen ist in die neu eingeführte Warnstufe 4 gewechselt: Vielerorts gilt nun 2G plus für alle Volljährigen, die noch keine Auffrischungsimpfung erhalten haben oder deren Zweitimpfung mehr als drei Monate zurückliegt.
"Die neue Bestimmung macht sich sofort bemerkbar", bilanziert Berlik daher. Das kaufmännische Auge lächele da zwar, nach Freude ist ihm beim Anblick der Schlange allerdings nicht zumute. Erschwerend kommt am Standort am Werder Karree hinzu, dass ein Mitarbeiter krankheitsbedingt ausgefallen ist. Sofort nimmt Berlik das Telefon in die Hand, um Ersatz zu organisieren.
Bis zu 30 positive Tests pro Tag
Was den bisher gewohnten Ablauf zusätzlich verzögere, sei die steigende Zahl an positiven Tests, sagt er. Statt einer Handvoll seien es seit Weihnachten bis zu 30 pro Tag, jeder davon löse einen bürokratischen Akt aus – und bremse den Betrieb. In den Testzentren im Oldenburger Raum beobachte er diesen Trend erst seit einigen Tagen. Sein privates Umfeld habe er daher bereits gewarnt: "Passt auf, wir haben einen Flächenbrand!"
Steigende Infektionszahlen und Omikron in Bremen
Tatsächlich steigen die Infektionszahlen in Bremen seit Wochen, die Omikron-Variante ist hier auf dem Vormarsch. Experten zufolge ist die geografische Lage der Stadt ein mutmaßlicher Faktor, der die Infektionsfälle in die Höhe treibt. Gesundheitsminister Karl Lauterbach nannte als einen Grund für die Omikron-Ausbreitung im Norden die Nähe zu Dänemark und den Niederlanden. Beide Nachbarstaaten seien aktuell besonders betroffen, so Lauterbach. Dafür könnte sprechen, dass die Zahlen auch in Schleswig-Holstein und Hamburg steigen.
Was die Zahlen in Bremen von anderen Bundesländern unterscheidet: In der Hansestadt wird häufiger getestet. Während das RKI beispielsweise nach den Feiertagen unter anderem aufgrund von Meldeverzögerungen noch keine zuverlässigen Zahlen nennen konnte, war Bremen bereits auf dem aktuellen Stand: Die Zahl der Mitarbeiter wurde über Silvester und Neujahr in Bremen als einzigem Bundesland verdoppelt. Zudem sind angeforderte Bundeswehrsoldaten und Mitarbeiter anderer Ressorts im Einsatz.
Testzentrum-Betreiber Berlik spricht dem Gesundheitsamt seinen Respekt aus. In vielen behördlichen Dingen sei die Hansestadt zwar eine "Vollkatastrophe". So warte er seit geraumer Zeit auf die Genehmigung für zwei weitere Teststandorte. Die Erfassung der Fallzahlen zwischen den Jahren sei jedoch vorbildlich gelungen.
Hohe Inzidenz – hohe Testnachfrage
Weiter geht es in einem Testzentrum in der Bremer Innenstadt, wo sich ein etwas anderes Bild ergibt: Immer wieder kommt es zu kurzen Schlangen, die sich jedoch schnell wieder auflösen. "Seit zwei Wochen ist die Tendenz steigend", sagt ein Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt werden möchte, über die Nachfrage von Schnelltests.
Gerade treibt ihn jedoch ein ganz anderes Problem um: Die bestellten PCR-Tests seien nicht geliefert worden. Nun hoffe er auf Montag. Dabei klingelt selbst in der Essenspause immer wieder das Telefon mit ebensolchen Anfragen. Die verweist der Mitarbeiter dann an andere Zentren.
Der Mitarbeiter berichtet von zahlreichen Anrufen von Müttern, deren Kinder in der Schule positiv getestet wurden. Sie wollen einen PCR-Test machen und würden beim Gesundheitsamt niemanden erreichen, berichtet er aus den Gesprächen. Andere würden seit mehr als einer Woche auf ihr Ergebnis warten.
Bei einem Selbstversuch am Mittag nimmt bereits nach zwei Minuten ein Mitarbeiter den Hörer ab. Er sei zwar vom Bürgertelefon, doch helfe das in diesen Fällen gerne weiter. "Ich habe keine Infos zu Überfüllungen und bei den Ergebnissen gibt es eigentlich auch keine Verzögerungen", sagt er sichtlich irritiert.
Betreiber: "Es wird eine Welle kommen"
Bei den Warteschlangen ergibt sich im Bremer Stadtgebiet ein zweigeteiltes Bild. Während sich an manchen Testzentren Menschentrauben bilden, lässt sich bei anderen nur mäßiger Betrieb beobachten, wie etwa im östlichen Stadtteil Sebaldsbrück. "Ich habe das selbst noch nicht verstanden", sagt Mitbetreiber Basir Raziqi. Manchmal käme es zu plötzlichen Anstürmen, dann sei es durchgehend voll, bestätigen auch andere Anbieter. Das erschwere die Personalplanung.
Angesichts der verschärften Regeln und der immer weiter steigenden Inzidenz habe sich sein Betrieb bereits mit Tests bevorratet. "Es wird eine Welle kommen", vermutet Raziqi eine bald noch höhere Nachfrage. Am Mittwoch eröffne er daher ein weiteres Testzentrum im Bremer Norden und verdopple das Personal für den Drei-Schichtbetrieb in Sebaldsbrück. "Wir versuchen, so schnell wie möglich zu sein, damit sich keine Schlange bildet", sagt er.
Um Wartezeiten muss sich Kunde René Höhler bald keine Sorgen mehr machen. "Ich hätte mit der Impfung durch sein können", weiß er um die Ausnahmen der Testpflicht. Doch habe er zu lange getrödelt. Immerhin habe er nun die erste Impfung erhalten und bald den zweiten Termin. "Dann habe ich meine Ruhe", sagt er bereits jetzt erleichtert.
- Gespräche und Besuche vor Ort
- RKI Dashboard der Corona-Zahlen
- Eigene Recherche