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Krabbenfischer bei Bremen vor dem Aus: "Das eine ist Liebe, das andere Realität"


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Krabbenfischer vor dem Aus
"Das eine ist Liebe, das andere Realität"


18.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Kapitän Olaf Schmidt im Steuerhaus der "Claudia": Er und sein Bruder René verkaufen den Fischkutter am Kutterhafen in Wremen.Vergrößern des Bildes
Kapitän Olaf Schmidt im Steuerhaus der "Claudia": Er und sein Bruder René verkaufen den Fischkutter am Kutterhafen in Wremen. (Quelle: Niklas Golitschek)

Im niedersächsischen Wremen will ein Brüderpaar seinen Krabbenkutter verkaufen. An Bord der "Claudia" haben die Fischer Olaf und René Schmidt schon vieles erlebt.

Nach vier Generationen endet im niedersächsischen Wremen zwischen Bremerhaven und Cuxhaven wohl bald eine seit 1939 andauernde Familientradition: Die Brüder René und Olaf Schmidt wollen ihren Krabbenkutter "Claudia" verkaufen.

Mit einer Anzeige auf einem Kleinanzeigen-Portal wecken die beiden derzeit großes Interesse: Allein dort zählt das Angebot mehr als 11.000 Aufrufe. Anfragen hätten sie auch schon erhalten, erzählen die beiden. Doch einen Käufer für den Kutter, mit dem sie 100.000 bis 200.000 Euro erlösen möchten, hätten sie noch nicht gefunden. "Es gibt noch Jungfischer, die weitermachen", gibt sich Kuttereigner René Schmidt zuversichtlich.

Wremen bei Bremen: Das Krabbenfischen ist Familientradition

Den Spaß am Fischen und den Geschmack für frische Nordseekrabben habe er nie verloren, sagt Kapitän Olaf Schmidt, der mit "Claudia" seit rund zehn Jahren in der Nordsee fischt: "Ich wollte nie was anderes machen."

Seit sie denken können, fuhren die Brüder zur See. Dutzende Geschichten haben die beiden von dort über die Jahre mitgebracht. Stundenlang können sie mitreißend und anschaulich von ihren Erlebnissen erzählen. "Auf manche Spannung kann man aber verzichten", sagt Schmidt und schmunzelt.

Angefangen im Kindheitsalter, als einmal befürchtet wurde, dass René über Bord gegangen war. Dabei hatte er sich nur in das Loch des aufgewickelten Ankerseils gelegt und geschlafen. Ein anderes Mal fiel er tatsächlich ins Wasser, als er bei Hochwasser und Springtide die Pierkante nicht sah. "Mein Vater hat noch die Regenjacke gesehen, ist über Bord gesprungen und hat mich rausgezogen", erinnert er sich. Solche Erlebnisse vergesse man nicht.

"An Bord ist man auf sich gestellt"

Auch später sollte es für die Fischer nicht langweilig werden. Rohrlecks, kaputte Kühlung, nicht genug Flüssigkeit im Kühlkompressor, eine defekte Deckwaschpumpe. "An Bord ist man auf sich gestellt", sagt Kapitän Schmidt.

Immer wieder habe ihn erstaunt, was mit einfachen Mitteln machbar sei, um zumindest die Reise zu Ende zu bringen. Als wichtigste Nothilfe an Bord nennt er einen Fahrradschlauch. "Man kann ihn unheimlich strammziehen und ein Bändchen drum machen", sagt er.

Komplizierter werde es allerdings, wenn sich das Netz in der Schiffsschraube verheddert, bei einem Getriebeschaden oder wenn bei Nipptide der Wasserpegel zu niedrig ist, um im Hafen einzulaufen. "Einmal bin ich zwei Tage gelegen. Mit jeder Tide bin ich nur 200 Meter gekommen, weil wir auch noch Ostwind hatten", erzählt der Fischer. "Das ist nicht schön, aber man kennt es nicht anders", bilanziert Schmidt. Auch die Seenotretter seien für sie bei Unfällen und Notlagen bereits ausgerückt.

Ein Auskommen ist mit dem Fischen kaum noch möglich

Drei Katastrophenjahre in Folge und die zunehmende Bürokratie hätten nun den Ausschlag gegeben, den Schlussstrich zu ziehen, sagen die Brüder. "Olaf ist jetzt 58, das war so geplant", verweist Schiffseigner René Schmidt auf die Seemannsrente als weiteren Faktor. Das Geschäft würde der Sohn des Kapitäns eigentlich gerne weiterführen. "Dem tut das in der Seele weh, wenn das Schiff weggeht", weiß Olaf Schmidt.

Doch wolle er nicht verantworten, dass der Sohn dafür das sichere Arbeitsverhältnis aufgibt. "Der muss das ja noch lange machen", argumentiert Schmidt und sagt weiter: "Das eine ist die Liebe, das andere die Realität – man muss das bezahlen können." Ein gutes Auskommen sei mit dem Krabbenfischen an der Nordseeküste in den vergangenen drei Jahren kaum mehr möglich gewesen.

Krabbenjahr 2018 sorgt für Preisverfall

Ein Stück weit hätten sich die Fischer die Situation auch selbst zuzuschreiben, merkt René Schmidt selbstkritisch an. Im guten Krabbenjahr 2018 sei schlicht zu viel gefangen und verkauft worden. "Die Händler haben sich die Lager voll geschmissen", berichtet er von einem folgenden Preisverfall. 2019 habe der Kutter dann acht Wochen in dem kleinen Fischerhafen in Wremen gelegen, weil der Händler keinen Bedarf gehabt habe.

2020 folgten die Pandemiebeschränkungen. Der marokkanische Dienstleister des Händlers zum Krabbenpulen habe durch Hygieneregeln nur noch einen Bruchteil der gewohnten Menge verarbeiten können. Daraufhin hätten sich die Preise zwar verdoppelt. Nur: "Dieses Jahr gab es besonders wenig Krabben." Das verwundert den erfahrenen Fischer noch immer. "Alle Anzeichen für ein gutes Jahr waren da", sagt Kapitän Schmidt.

Bürokratie raubte Fischern die Lust

Erstmals seit Langem wieder Eis auf dem Watt, im Sommer viel Plankton und viele kleine Krabben im Wasser, führt er aus. "Ich konnte den Gammel mit der Hand fangen. Das habe ich seit Jahren nicht gehabt", erzählt er weiter. Durch einen milden August seien die Krabben dann gut gewachsen und nicht verbrannt. Im Herbst folgte trotzdem erneut die große Ernüchterung, als die Krabben offenbar wegzogen. Wo Schmidt sonst an einem guten Tag mehr als 40 Kisten füllte, sei er nun kaum über zehn gekommen.

Umfassende bis ausufernde Dokumentationspflichten bei der Schifffahrt sowie beim Krabbenfangen, Auseinandersetzungen mit Behörden und Naturschützern hätten den Beruf immer unattraktiver gemacht. "Man verliert irgendwann die Lust", sagt René Schmidt, der seit mehreren Jahren einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb in Wremen in der Nähe von Bremen führt. Das System sei inzwischen zu sehr von Angst geprägt. Mit dem Verkauf ihrer "Claudia" werden die Schmidts wohl bald kein Teil mehr davon sein.

Verwendete Quellen
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