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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schiffsporträt "MS Deutschland" Auf Retro-Reise mit dem schwimmenden Grandhotel

Die "MS Deutschland" war einst "Das Traumschiff" der ZDF-Fernsehserie – und wurde für die Reederei zum Albtraum. Nach Insolvenzen und einem Verkauf kehrt das Schiff nun mit neuem Konzept zurück.
Seit 1998 schippert die "MS Deutschland" durch die Weltmeere und musste so manchen Sturm, Skandal und Eigentümerwechsel überstehen. Doch wer den 176 Meter langen Luxusliner heute betritt, fühlt sich in eine andere Zeit zurückversetzt. Das Schiff fährt im Sommer für den Veranstalter Phoenix Reisen ab Bremerhaven.
An Bord feiern nicht nur die 1920er-Jahre ihre optische Wiederauferstehung, sondern auch das einstige Kaiserreich. Wie auf einem klassischen Oceanliner geht man durch Gänge mit polierter Holztäfelung, vorbei an goldgerahmten Gemälden sowie an Büsten historischer Persönlichkeiten wie die von Goethe, Wagner, Bach und Friedrich II.
Die zehn Decks haben deutschsprachige Bezeichnungen wie Admirals-, Kommodore- oder Steuermanns-Deck, das Theater heißt "Kaisersaal", der Salon "Lili Marleen" und die Bar "Zum alten Fritz". Die Einrichtung im Stil der Belle Époque mit viel Messing, schweren Gardinen, Kordeln und Polstern bildet einen starken Kontrast zu den heutigen Spiel- und Spaßschiffen mit mehr als 6.000 Gästen an Bord. Hier sind es dagegen maximal 520 Passagiere. Auf dem Sonnendeck nimmt man noch auf Liegestühlen aus Teakholz und nicht auf Plastikmobiliar Platz.
"MS Deutschland" macht TV-Karriere
Nach der Taufe 1998 durch den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker war die "MS Deutschland" das Flaggschiff der Reederei Peter Deilmann mit Heimathafen im kleinen Ostseeort Neustadt.
Das in Kiel gebaute Schiff machte kurz darauf als "Das Traumschiff" in der gleichnamigen Fernsehserie Karriere und geriet erstmals in die Schlagzeilen, weil der Reeder gerichtlich gegen den Schiffsbewertungspapst Douglas Wards vorging: Der hatte in seinem "Berlitz Guide" dem Schiff keine Bestnote gegeben.
Proteste um die Ausflaggung
Zu den Besonderheiten gehörte auch, dass es sich bei der "MS Deutschland" um das letzte unter deutscher Flagge fahrende Kreuzfahrtschiff handelte. Doch aus Kostengründen sollte das Schiff im Sommer 2012 auf Malta umgeflaggt werden. Dadurch sollte es möglich werden, Billigarbeitskräfte einzustellen und damit Lohnkosten und Kosten für Sozialabgaben einzusparen.
Es gab Streit mit Personal und Gewerkschaften. Der wurde ausgerechnet während der Olympischen Spiele in London ausgetragen und medial ausgeschlachtet. Die "MS Deutschland" war bei den Spielen als offizielles Hotel- und Gästeschiff vor Ort.
Deshalb musste die Reederei zunächst einen Rückzieher von ihren Plänen machen, der altgediente Kapitän Andreas Jungblut durfte an Bord bleiben. Aber längst war die Reederei in eine finanzielle Schieflage geraten. 2010 war im Maschinenraum ein Brand ausgebrochen, Reisen mussten abgesagt und Reparaturkosten beglichen werden.
"MS Deutschland" wird zur schwimmenden Universität
Nach dem Tod ihres Vaters schlugen die beiden geschäftsführenden Gesellschafterinnen Gisa und Hedda Deilmann keinen glücklichen Kurs ein. Da half auch nicht die Veräußerung aller Flusskreuzfahrtschiffe. Ein Finanzinvestor übernahm das Sagen.
Ende 2014 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, die Besatzung freigestellt, das Schiff 2015 in die USA verkauft. Statt des Heimathafens Neustadt in Holstein steht nun Nassau auf den Bahamas am Heck. Aus der "MS Deutschland" wurde die "World Odyssey", ein Schiff für Studierende. Im Rahmen des Programms "Semester at Sea" dient es als "das einzigartigste schwimmende College der Welt".
Comeback der "MS Deutschland"
Doch Totgesagte leben länger. Seit 2016 sticht von Mai bis September das ehemalige TV-Traumschiff, auf dem 39 Folgen gedreht wurden, unter dem Namen "MS Deutschland" wieder in See. Das Unternehmen Phoenix Reisen, das auch das momentane Traumschiff "Amadea" betreibt, chartert das Schiff regelmäßig vom jetzigen Eigner Delos Cruise.
Den Sommer über bietet der Bonner Seereiseveranstalter mit der "MS Deutschland" ab Bremerhaven und 2026 auch ab Cuxhaven Kreuzfahrten entlang des Ärmelkanals oder zu den Britischen Inseln an. Dafür müssen jetzt im halbjährlichen Rhythmus stets die Namen an Heck und Bug sowie das Logo am Schornstein ausgetauscht werden.
- phoenixreisen.com: Informationen zur "MS Deutschland"
- semesteratsea.org: Informationen zum Programm "Semester at Sea"